Berlin. Jenna Behrends beklagt im Buch „Rabenvater Staat“ die deutsche Familienpolitik. Wir haben mit der CDU-Politikerin darüber gesprochen.

Politiker sind in ihrer Themenwahl dann besonders authentisch, wenn es sie selbst betrifft und sie aus Erfahrung sprechen. So nun bei Jenna Behrends (29). Sie kommt zum Interview-Termin am Weinbergspark bei strahlender Frühlingssonne, erzählt, auf Nachfrage, dass sie bereits Excel-Tabellen zur Kita-Platz-Suche angelegt hat. Und das im fünften Monat ihrer Schwangerschaft? Erfahrene Mütter wie sie winken da gelangweilt ab.

Das Fehlen von Kindergarten-Plätzen bundesweit, die Wartelisten, die unterschiedlichen Anforderungen jeder Kita, um aufgenommen zu werden. „Die einen wollen, dass man persönlich vorbeikommt, die anderen, dass man regelmäßig mal anruft, ob ein Platz freigeworden ist“, erzählt die CDU-Politikerin.

Dazu kommt mit jeder Schwangerschaft die Suche nach einer Hebamme, nach einem Kinderarzt, wer in städtischen Ballungsräumen lebt, kann davon ein Lied singen. Die Bedarfspläne wurden nie angemessen aktualisiert, so fahren manche Eltern oft kilometerweit durch die halbe Stadt, um dann das kranke Kind versorgen zu lassen.

Jenna Behrends: Familienpolitik ist nur im Wahlkampf wichtig

Das Thema Familie sei meist nur im Wahlkampf den Parteien wichtig, danach falle es wieder unter den Tisch. „Die Wählerschaft entfernt sich von den großen Volksparteien, wenn sie keine Familienpolitik machen, die zum echten Leben passt“, sagt Jenna Behrends.

Die Mutter einer Fünfjährigen lebt mit ihrem Freund in Berlin-Mitte und hat vor Kurzem das jetzt schon viel diskutierte Buch „Rabenvater Staat“ (dtv) veröffentlicht. In diesem prangert sie die Missstände in der deutschen Familienpolitik an – vor allem aber, das System, welches laut der Bezirksverordneten der CDU-Fraktion Mitte ein Anachronismus ist.

„In den vergangenen 50 Jahren hat sich in der Familienpolitik kaum etwas verändert. Alles orientiert sich noch immer am Bild der Fünfziger- und Sechzigerjahre: Der Vater verdient als Ernährer das Geld, die Frau ist Mutter und Hausfrau. Zwei Kinder, ein Hund“, erklärt sie. Familien würden sich im Wandel befinden, es gebe mehr Alleinerziehende, Regenbogenfamilien, nur an der deutschen Sozialpolitik habe sich rein gar nichts geändert. „Das Modell ist hauptsächlich steuerlich für Paare interessant, in denen ein Partner so gut wie gar nichts und der andere alles verdient. So manifestieren sich aber auf Dauer auch Unterschiede, nach denen die Frauen 20 Prozent weniger verdienen und immer noch die meiste Elternzeit in Anspruch nehmen.“

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„Das System benachteiligt Frauen“

So komme es schließlich, dass viele Frauen aus praktischen Gründen zu Hause bleiben. Im Falle einer Scheidung haben sie in der Regel dann aber auch noch das Nachsehen. Sie müssen – so will es das deutsche Gesetz – wenn ihr jüngstes Kind drei Jahre alt ist wieder Vollzeit arbeiten. „Dann sollen sie aus dem Nichts, wieder ihren Unterhalt selbst bestreiten. Das System benachteiligt Frauen.“

Vor ihrer eigenen Mutterschaft, gibt Jenna Behrends zu, habe sie Familienpolitik wenig interessiert. „Diese war mir lange egal. Für mich schienen alle Kämpfe ausgefochten, alles erreicht.“ Das Wort Vereinbarkeit war in aller Munde. Elterngeld, Kindergeld und Kinderfreibetrag klangen für Behrends nicht nach einem knausrigen Staat. Dann wurde sie selbst mit 23 Jahren während ihres Jura-Studiums Mutter und erkannte – wie viele Eltern – die schwarzen Löcher im System.

Nach einer langen Suche fand sie eine Tagesmutter für ihre Baby-Tochter, fühlte sich mit den komplizierten Anträgen zum Elterngeld und zu wenig Unterstützung nach der Geburt vom Behördenapparat gegängelt. „Das ganze System wertschätzt Familien bis heute zu wenig“, sagt die Wahl-Berlinerin, die gebürtig aus Niedersachsen stammt.

Jenna Behrends löste Sexismus-Debatte aus

Aufstehen, laut ihre Meinung sagen und dabei gehört werden, damit hat Jenna Behrends bereits vor zwei Jahren zum ersten Mal Erfahrung gemacht. Sie war Auslöser einer Debatte über Sexismus und die Chancen von jungen Frauen in der Politik. Damals im September 2016 veröffentlichte die Studentin im Online-Magazin „Edition F“ einen Text, in dem sie von Anzüglichkeiten und negativen Erlebnissen, die sie damals in ihrer Partei, speziell in der Hauptstadt-CDU, erfahren hatte.

Jenna Behrends beschreibt die damalige Zeit heute als eine, in der viel auf sie einprasselte. Magazine schrieben seitenweise über den Vorfall, Reporter interviewten sie. „Teilweise standen Fotografen vor dem Kindergartentor meiner Tochter, wollten mehr über mein Privatleben herausfinden.“ Seitdem hält sie, wie auch damals schon, ihre Familie noch konsequenter aus der Öffentlichkeit heraus.

Politisch aktiv will sie bleiben. Nach ihren Karriere-Ambitionen gefragt, verhält sie sich im Stil großer Politikerinnen eher diplomatisch. „Ich hoffe innerhalb meiner Wahl in der Bezirksversammlung, noch ein paar gute Anträge zum Thema Spielplätze und Infrastruktur auf den Weg bringen zu können.“ Und dann ist das Treffen zu Ende.

Man verabschiedet sich – und geht in zwei Richtungen. Sie zum Kindergarten.