Berlin. Es wäre eine traurige Sendung bei Markus Lanz geworden. Wenn Ferdinand von Schirach nicht sein Faible für Verona Pooth entdeckt hätte.

Es ist schon nach Mitternacht, als der Bestsellerautor Ferdinand von Schirarch (55) bei Lanz erzählt, dass er sich mit zehn Jahren das Leben nehmen wollte. Von einer Grundeinsamkeit ist die Rede. Als er ins Internat nach St. Blasien kam, steigerte sich dieses Gefühl. „In dieser Zeit starb auch noch mein Vater. Das war zu viel“, sagt der Schriftsteller mit dieser typischen Melancholie in der Stimme.

„Dann betrank ich mich zum ersten Mal in meinem Leben.“ Er habe „eineinhalb Kristallflaschen Schnaps“ getrunken und „bekam dann eine Schrotflinte zu fassen, allerdings habe ich die Patronen vergessen.“ Und so habe man ihn dann am nächsten Tag gefunden.

Depression bei von Schirach: Als würde Öl von der Decke tropfen

Von Schirach, der bei Lanz sein neues Buch „Kaffee und Zigaretten“ vorstellte, nutzte den Auftritt auch als Aufklärung: „Depression hat nichts mit Niedergeschlagenheit zu tun. Oder mit Traurigkeit.“ Es sei eine spezielle Disposition im Gehirn, die sich bei jedem anders zeige. „Bei mir etwa ist es das Gefühl, als würde ich in einem Zimmer liegen und von der Decke beginnt, Öl zu tropfen, und man sinkt gleich in das Öl ein.“

Ratgeber: Acht Wege, um Menschen mit Depressionen zu unterstützen

Ein Bild, das berührte, genau wie sein Bemühen, den Menschen mit einem Rat zu helfen. „Es leiden ja nicht ganz wenige Menschen an Depressionen, aber man kann sie behandeln.“ Lanz, ebenfalls sichtlich angefasst, sagt: „Das tun Sie ja auch und lassen sich helfen.“

Was man über Depressionen wissen muss

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    Von Schirach, Literat und Jurist, hatte mit seiner ruhigen, fast poetischen Art zu reden, schon zuvor ein Thema angesprochen, bei dem es still wurde in der Runde, die noch eben - bei Verona Pooths Geschichten - vor Vergnügen gibbelte.

    Schirach erzählte von seinem Großvater, der sich als überzeugter Nazi schuldig gemacht hatte und 20 Jahre im Gefängnis saß. Das Unverständnis über die Gräueltaten sei für ihn zu einer Art Lebensqual geworden, sagte von Schirach, von der er sich nie lösen konnte.

    Ferdinand von Schirach hat nun öffentlich über seine Depression gesprochen.
    Ferdinand von Schirach hat nun öffentlich über seine Depression gesprochen. © dpa | Jörg Carstensen

    Es gab Sätze von ihm, die mich nicht schlafen ließen.“ Einer dieser Sätze war, dass „die Vertreibung der Juden sein Beitrag zur Kultur Europas war“. Von Schirach will, dass es weh tut. Dass in solchen Momenten eine Frau wie Verona Pooth nicht ganz den richtigen Ton trifft, hätte man wissen können. Und so kam es auch. „War er denn als Großvater auch mal lieb? Also hat er mit den Enkel gespielt?“

    Komplimente für Verona Pooth

    Fast hätte man denken können, von Schirach, würde jetzt aufstehen und gehen. Aber es passiertes Verblüffendes. Er antwortete ihr. Schüttelte ein wenig den Kopf, in dem Sinne, dass er sich an diese Zeit ja nicht so genau erinnern kann, weil „ich dafür zu klein war“.

    Ganz eindeutig hatte von Schirach sein Herz für die so genannte Werbe-Ikone entdeckt. Schon als Verona Pooth ihrerseits ihr Buch „Nimm dir alles - gib viel“ vorstellte, verteilte er Komplimente, die allerdings komplett schief wirkten: „Sie haben Ihr Leben wunderbar gemeistert“ - von der Art gab es einiges - das klang schon sehr gönnerhaft und altväterlich.

    Aber Verona Pooth verstand das im gut gelaunten Sinne. Sie drehte sich zu ihm, lachte ihn an und sagte, dass er ihr schon doch sehr sympathisch sei. Eigentlich hätte man ein wenig mehr von ihr erwartet. Viel mehr als die alten Zoten über ihren Ex Dieter Bohlen, die sie wieder aufwärmte. Aber auch da war von Schirach ein guter Zuhörer.

    Im Gegensatz zu den Millionen Klatschinteressierten wusste der Bestsellerautor ja gar nicht, dass Verona und Dieter nur vier Wochen verheiratet waren. „Nur vier Wochen?“, fragte er nach und wollte wissen, was passiert war. „Wir haben uns auseinandergelebt“, sagte Verona Pooth. Die Lacher waren auf ihrer Seite.

    Von Schirach war baff - und begeistert von dieser Schlagfertigkeit aus dem Hause Pooth. Auch als Verona nochmal auf das Zusammentreffen von „Brain und Body“ zu sprechen kam, auf die Begegnung mit Alice Schwarzer 2001 in der Sendung von Johannes B. Kerner, wirkte es ein bisschen nach angestaubten „Best of“. Aber okay, witzig war es ja. Wie sie vor Schwarzer aufsprang und rief „alles an mir ist echt“ und auf ihre hochhackigen Schuhe zeigte, dann zum Po, dann zur Frisur.

    Die Sache mit Alice Schwarzer

    Sie wollte den Vorwurf entkräften, das alles an ihr künstlich sei und vor allem dieser Schwarzer zeigen, dass deren Äußerung, sie, Verona, sei eine Ohrfeige für die emanzipierte deutsche Frau, „ein Missverständnis“ war. Und da kam Frau Pooth noch mal in ihr Element.

    Erzählte von einem Fototermin der beiden, bei dem sie ihre Produkte mitbringen sollten. „Ich hielt meine Dessous in der Hand und sie die Emma.“ Dann äffte sie Alice Schwarzer nach, der „das mit den Dessous überhaupt nicht gefiel. „Es war sehr kompliziert mit Frau Schwarzer“, sagt sie. Und schiebt noch nach, dass Frau Schwarzer „auch sehr lange in der Maske“ war.

    Klar, dass Markus Lanz jetzt unbedingt beide Frauen in seine Sendung holen will. Noch lustiger aber ist Verona Pooth (50), die in schwarzem Leder und schwarzer Spitze auf Eleganz setzte, wenn sie einfach dazwischen redet. Die Männerrunde – der Politiker Norbert Röttgen, der Historiker Christian Hacke, der Schriftsteller Ferdinand von Schirach – war eben eine Männerrunde: China, Trump. Trump, China.

    Da war es gut, dass Pooth einfach mal erzählte, dass sie auch schon in Peking war! Stimmt doch! Und dass diese vielen Überwachungskameras ja totale Kontrolle seien, „auch für die Kinder“ und eben deshalb schon doll „bösartig“.

    „Kunst, mit wenigen Worten auszukommen“

    Die Herren ließen sich nicht beirren. China, Trump. Trump, China. Da kam Veronas nächster Coup: Sie, 1985, bei Trump! Da wurde sie von ihm zur „Miss American Dream“ gekürt! Ein tolles Foto gab’s gleich dazu. Etwa von dem Zeitpunkt an fing von Schirach Feuer. Als Lanz das Video ihres frühen Sängerinnenerfolgs von „Ritmo de la Noche“ einspielte, hörte er ganz genau zu. „Was singen Sie denn da?“, fragt er.

    Verona erklärt ihm, dass sie nur diesen einen Satz singt. „Nur den einen Satz?“, fragte er sichtlich irritiert. Fast sah es so aus, als wollte er sie doch ein bisschen bloßstellen. Aber dann ihr Konter. „Ja, das ist eben die Kunst, mit wenigen Worten auszukommen!“ Das saß.

    Der Schriftsteller war hingerissen von der rhetorischen Brillanz der Buchautorin. Kollegen eben. Ein Traumpaar. Und als Lanz dann auch noch sagte, dass er, also von Schirach, dem Franjo auch ein bisschen ähnlich sieht, stieg die Raumtemperatur deutlich. Gefühlt.