Berlin. Christoph Waltz über seinen neuen Film „Alita“, künstliche Intelligenz, das Sterben der Filmkultur – und den Ärger über Donald Trump.

Christoph Waltz ist mal wieder in der Stadt. Er kommt schon noch ab und zu nach Berlin, aber immer nur privat. Das letzte Mal war er offiziell hier beim letzten James-Bond-Film „Spectre“, wo er den Bösewicht Blofeld mimte. Das war 2015.

Jetzt stellt der Schauspieler hier seinen neuen Film vor, der bei uns am 14. Februar starten wird – mitten in der Berlinale, zu einer Zeit, wo der Film zumindest in Berlin nicht unbedingt die größte Beachtung erfahren dürfte.

„Alita: Battle Angel“ ist ein Science-Fiction-Film, in dem Waltz im Kampf gegen das Böse einen weiblichen Cyborg erschafft. Wir trafen den Star gut gelaunt im Hotel Kempinski, wo er mit gewohnt schön verschwurbelten Sätzen antwortet.

Nur bei einer Frage, so hören wir vorab, ist er kurz angebunden: wenn es darum geht, einmal die eigenen Kinder loslassen zu müssen. Die Frage verkneifen wir uns also lieber gleich.

Herr Waltz, Sie spielen fast nur noch in internationalen Produktionen. Kriegen sie eigentlich noch Angebote aus Deutschland? Oder traut man sich nicht, Sie zu fragen?

Christoph Waltz: Also aus Deutschland nicht. Da kann man nichts machen. Aber aus Frankreich, England sehr wohl.

Haben Sie eine Ahnung, warum?

Christoph Waltz: Nein. Danach frage ich aber auch nicht.

Wären Sie bereit, wenn ein Angebot käme?

Christoph Waltz: Nein. Von Zeit zu Zeit kriege ich auch mal Offerten. Aber die sind so, dass ich mich frage, warum ich das jetzt tun sollte, wo ich das früher auch nicht getan habe.

Die Fassung, die wir von „Alita“ sahen, war noch nicht final. Noch immer wurde an den Computer-Effekten getüftelt. Ist das nicht absurd, über einen Film zu sprechen, bei dem man noch gar nicht genau weiß, wie er aussehen wird?

Christoph Waltz: Ich weiß in jedem Fall mehr als Sie!

Aber ist das nicht gerade beim Effektekino eine Krux? Dass man beim Dreh gar nicht weiß, was das später einmal werden soll?

Christoph Waltz erschafft in „Alita“ einen weiblichen Cyborg
Christoph Waltz erschafft in „Alita“ einen weiblichen Cyborg © 20th Century Fox | 20th Century Fox

Christoph Waltz: Das ist das Resultat dieser verblödeten Bonus-DVDs: dass alle glauben zu wissen, wie es geht. Ich hatte von Anfang an eine vehemente Aversion gegen diese Hinter-den-Kulissen-Making-Ofs.

Weil das Kino sich damit das Wasser abgräbt. Kino soll Illusionen schaffen, mit diesem Blick dahinter zerstört man das total. Wenn Sie ein Karpaltunnelsyndrom operiert bekommen, gehen Sie ja auch nicht mit der Diagnose und der Therapie zum Arzt.

Obwohl man das von Ärzten auch immer öfter hört. Aber dann soll der Patient sich auch gleich selber behandeln. Heißt so viel wie: Nein. Denn „Green Screen“, das ist ja Schnee von gestern. Heute wird wieder alles gebaut. Und bei unserem Film sogar in hinreißender Detailverliebtheit.

Man kann ein Bild also innerhalb der Gegebenheiten manipulieren, das Bild muss nicht mehr am Computer generiert werden, um manipulierbar zu sein.

In „Alita“ geht es um einen Cyborg. Momentan ist Künstliche Intelligenz ja das ganz große Thema. Wie stehen Sie dazu? Haben Sie zuhause eine Alexa, mit der Sie sprechen?

Christoph Waltz: Unter Garantie nicht! Ich habe schon Schwierigkeiten, mit meinen Zeitgenossen zu sprechen. Da werde ich nicht noch anfangen, mit einer Maschine zu reden!

Sie würden auch nicht in ein Auto fahren, in dem kein Fahrer sitzt?

Green Screen war gestern: Alle Sets des Films wurden wirklich gebaut.
Green Screen war gestern: Alle Sets des Films wurden wirklich gebaut. © 20th Century Fox | 20th Century Fox

Christoph Waltz: Dem seh’ ich eigentlich entgegen, in aller Ernsthaftigkeit. Man wird ja nicht jünger. Man wird aber älter als früher. Und früher oder später wird man die Maschine nicht mehr selber so zuverlässig bedienen können, wie es in zunehmender Schwierigkeit vonnöten sein würde. Bleibt aber möglicherweise, so stell ich mir das vor, mit fahrerlosen Autos auch als alter Mensch noch mobil. Und den Vorteil würde ich mir gern vorgaukeln, bis es soweit ist.

Und wie stehen Sie zum Thema Roboter?

Christoph Waltz: Das interessiert mich erst mal nicht, mir ist ja schon der Mensch als solcher ein Rätsel. Aber möglicherweise wird man nicht drum herum kommen, sich damit zu beschäftigten. Es wird aber unter Garantie dann eine App geben, mit der sich der Cyborg vom Menschen unterscheiden lässt.

Wie digital sind Sie denn? Benutzen Sie Apps?

Christoph Waltz: Klar benutz ich die, das hat ja auch Vorteile. Früher bin ich dafür in Buchläden gegangen. Das tue ich immer noch. Aber nur wenn ich noch einen finde. Was nicht mehr so einfach ist.

Vielleicht müsste es mal eine App geben, wie man noch Bücherläden findet.

Christoph Waltz: Das wäre durchaus bereichernd. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Ich bin jetzt nicht jemand, der versucht, seine Probleme über Apps zu lösen. Ich mache auch meinen Gesundheitszustand nicht vom Handy abhängig. Und lasse mich auch nicht dazu verführen, mich für einen großartigen Fotografen zu halten, nur weil mein Handy ein paar Effekte geladen hat. Da bin ich sehr skeptisch und fast immun dagegen. Aber wo ich’s nicht merke, hat es anscheinend schon funktioniert.

Sie haben nach 18 Jahren zum zweiten Mal wieder Regie geführt. „Georgetown“ soll schon in der Postproduction – und so ziemlich das Gegenteil von „Alita“ sein.

Christoph Waltz: Das haben Sie sicher von der Internet Movie Data Base? Das ist auch nur ein Algorithmus, darf ich Ihnen versichern. Ich kann leider nicht darüber reden. Ich könnte Ihnen sagen, wer Ihnen die Sachlage erklären kann. Aber ich bin’s nicht. Das sind die Besitzer.

Ach so? Können Sie trotzdem sagen, wo Sie sich selbst eher beheimatet sehen? In Charakterdramen oder im Effektekino?

Waltz (M.) als Bösewicht Blofeld im Bond-Film „Spectre“
Waltz (M.) als Bösewicht Blofeld im Bond-Film „Spectre“ © © 2015 Sony Pictures Releasing GmbH

Christoph Waltz: Wenn mir mehr oder weniger alles zur Verfügung steht – was mittels Internet ja mittlerweile der Fall ist –, gravitierte ich mehr zu Älterem. Vor wenigen Wochen wurde „Filmstruck“ geschlossen. Ein Streamingdienst, den es in Europa leider nicht gab.

Es war der einzige, an dem mir wirklich etwas lag. Die hatten Hunderte von Klassikern. Mich interessiert eigentlich kaum etwas von dem, was mir von Netflix angeboten wird, eine Plattform, die ja behauptet, meinen Geschmack zu kennen. Aber bei Filmstruck war alles sehenswert.

Außergewöhnliche Filme, die Sie heute weder im Kino noch im Fernsehen, geschweige denn auf irgendeiner Plattform zu Gesicht bekämen. Das war im Prinzip Wahrung von Kulturgut. Aber Filmstruck war ein Ableger von Warner Classics, ATNT hat Warner geschluckt für 70 Milliarden, und schwupp war Filmstruck aufgelöst.

Muss man Angst haben um dieses Kulturgut?

Christoph Waltz: Unbedingt. Die American Academy baut ein neues Filmmuseum. Ein fantastisches Gebäude von Renzo Piano. Aber glauben Sie, dass da Filme gezeigt werden? Mitnichten. Da wird Marlene Dietrichs ältestes Kleid gezeigt, Stanley Kubricks Strichversion von „Barry Lyndon“. Lauter interessante Sachen, eine Touristenattraktion. Aber für mich ist ein Filmmuseum eines wie in Wien, wo eben alte Filme gezeigt werden, die man sonst nur schwerlich, wenn überhaupt zu sehen bekäme.

Als die ersten Digitaleffekte ins Kino kamen, gab es so Ideen, auch Ängste, man könnte Marilyn Monroe oder Humphrey Bogart für neue Filme digital wiederauferstehen lassen. Wenn man sich Filme wie „Alita“ anschaut, die Technik ist so viel weiter: Könnte das eines Tages den klassischen Schauspieler überflüssig machen?

Christoph Waltz: Natürlich. Zumal das Sensorium für Nuancen bei Schauspielern sowieso verloren geht. Und dann ist es womöglich auch preisgünstiger. Der Animierte, der so aussieht wie ein Star, wird das früher oder später schon auch können. Das hängt alles mit Rechenleistung zusammen. Das ist eine Frage der Zeit. Was aber nicht heißt, dass er echte Menschen ersetzen wird.

Eine ganz andere Frage. Ich habe kürzlich Ihren Kollegen August Zirner gesprochen, der Amerikaner ist, aber einen deutschen und österreichischen Pass hat. Der sagte, er sei sehr froh, derzeit in Europa zu leben, weil er sich sonst nur über Trump aufregen würde. Sie sind Österreicher in den USA, wie geht es Ihnen in Trump-Land?

Tarantino brachte ihm GLück: Waltz mit Jamie Foxx in „Django Unchained“
Tarantino brachte ihm GLück: Waltz mit Jamie Foxx in „Django Unchained“ © dpa | Sony Pictures Releasing GmbH

Christoph Waltz: Man regt sich dauernd auf. Ich habe das neulich probiert, drei Tage keine Zeitung zu lesen, da ging es mir deutlich besser. Wirklich spürbar besser. Der Wahnsinn hat aber möglicherweise eine Kehrseite.Denn das selbstzufriedene demokratische Selbstverständnis, dass wir sowieso auf der richtigen Seite sind, hat offensichtlich den Karren direkt an die Wand gefahren.

Jetzt müssen wir uns was einfallen lassen. Und das ist dringend nötig. Das kann man auch in Deutschland gut an der SPD verfolgen. Die gibt es kaum noch. Man darf - trotz all des Sensationalismus, an dem die Medien fett verdienen, deshalb bedienen sie sich Trumps ja so wollüstig - nicht vergessen: Die Mehrheit der Wähler hat ihn nicht gewählt. Und die müssen jetzt einen vernünftigen Plan formulieren, wie sie diese Gesellschaft aus dem Dreck ziehen wollen.

Und gibt es da noch Hoffnung? Oder ist das Science-Fiction?

Was die Midterm-Wahlen gezeigt haben: Auf einmal lassen sich Menschen mobilisieren, die vorher mit Politik nicht zu tun hatten. Denen war die Entwicklung der Gesellschaft bislang wurscht. Plötzlich ist es ihnen nicht mehr ganz so wurscht.

Das gab es in dieser Form in Amerika zuletzt in den 60er-Jahren um Nixon herum, danach nicht mehr. Also wollen wir hoffen, dass der Kongress Trump jetzt richtig ans Leder geht. Diese Form der Korruption und der Bereicherung gab es bei uns zuletzt im Mittelalter.