Berlin. Seebestattungen sind so beliebt wie nie. Doch der Fund von drei deutschen Urnen an einem holländischen Strand kratzt am Branchenimage.

Die letzte Reise verläuft so ganz anders als geplant. Sie beginnt in Mecklenburg-Vorpommern und findet ihr vorläufiges Ende 800 Kilometer entfernt zwischen Seetang an einem Strand des niederländischen Badeorts Noordwijk.

Der 14-jährige Schüler Maarten entdeckt die Kapsel mit Asche, als er mit seinem Vater Robben beobachtet. Auf dem Behälter steht der Name des Verstorbenen sowie ein Hinweis auf ein Krematorium in Greifswald.

Maarten und seinem Papa ist schnell klar, dass die deutsche Urne nicht an den niederländischen Strand gehört. Sie schicken einem lokalen Nachrichtenportal ein Foto – und bescheren der Bestattungsbranche so einen veritablen Imageschaden.

„Manche Anbieter schmeißen die Urnen einfach über Bord“

Dann stranden zwei weitere Urnen aus Greifswald in Südholland, die Geschichte ging in beiden Ländern kürzlich durch die Medien. Die Funde legen nahe, dass Beisetzungen auf hoher See keineswegs immer so pietätvoll ablaufen, wie es die Branche in Werbebroschüren und Beratungsgesprächen verspricht – vor allem dann nicht, wenn die Kapseln anonym zu Wasser gelassen werden.

„Wenn keine Angehörigen an Bord sind, schmeißen manche Anbieter die Urnen einfach über Bord. Die scheren sich nicht um eine würdevolle Zeremonie“, schimpft der Usedomer Bestatter Norbert Carl Krüger.

Die Gier sei manchmal größer als der Anstand

Sein Wort hat Gewicht, er kennt das Geschäft: Der 58-Jährige mit der norddeutschen Stimmfärbung ist ein Quereinsteiger. Vor zwei Jahren sattelte der Ingenieur um und machte sich mit einem Seebestattungsunternehmen in Heringsdorf selbstständig.

Seitdem hat Krüger viel erlebt, die Beisetzungen einiger Prominente wie die des Sängers Gunter Gabriel organisiert und erfahren, dass die Gier mancher Kollegen mitunter größer ist als der Anstand, wie er berichtet. „Es gibt schwarze Schafe, die auf widerliche Art versuchen, Profit zu machen.“

Ein Seebestatter lässt in Höhe der ostfriesischen Insel Wangerooge eine Urne aus Muschelkalk in die Nordsee hinab.
Ein Seebestatter lässt in Höhe der ostfriesischen Insel Wangerooge eine Urne aus Muschelkalk in die Nordsee hinab. © dpa | Ingo Wagner

Auch in Deutschland wurden schon Urnen angespült

Auch an der deutschen Küste wurden schon Behälter angespült – die Bestatter hatten die Asche nicht, wie hierzulande vorgeschrieben, in zersetzbare und beschwerte Seeurnen umgefüllt. Die bei Noordwijk gefundenen Urnen waren der niederländischen Bestattungsreederei Trip Scheepvaart aus der Nähe von Den Haag anvertraut worden.

Die entschuldigt sich, einem Mitarbeiter sei an Bord ein Versehen passiert: „Der Karton war nass, und bevor die Urnen geöffnet werden konnten, sind sie ins Meer gerutscht.“

Diese Erklärung findet Krüger dürftig. „Eine Urne ist für Bestatter ein Heiligtum – damit geht man um wie mit einem rohen Ei. Wer das nicht macht, hat keinen Respekt vorm Leben und dem Tod“, ereifert er sich. Menschliche Asche Kapsel für Kapsel einfach ins Meer zu schütten, das sei völlig unwürdig.

In den Niederlanden gibt es Billigangebote bei Seebestattungen

Allerdings ist das in Holland erlaubt. Es kommt nicht selten vor, dass Deutsche die Asche verstorbener Angehöriger in der niederländischen Nordsee bestatten lassen. Anbieter wie Trip Scheepvaart werben mit Billigangeboten für 325 Euro – nicht mal ein Drittel des deutschen Mindestpreises.

Nie waren Seebestattungen so beliebt wie heute. 20.000 Menschen werden auf diese Weise Jahr für Jahr auf deutschen Gewässern beigesetzt. Viele wollen auch deshalb kein Grab auf dem Friedhof, weil die Zeremonie „einfach, praktisch, günstig“ sein soll, aber auch individuell und persönlich, wie es Alexander Helbach formuliert, der Sprecher eines Vereins für Bestattungskultur namens Aeternitas. Darum werden Bestattungen immer ungewöhnlicher.

Eine Ausbildung zum Bestatter ist nicht nötig

Mittlerweile lassen sich 65 Prozent der Deutschen einäschern – vor 20 Jahren waren es nur 40 Prozent. Viele wissen nicht, dass jeder Bestatter werden kann. Es reicht ein Gewerbeschein, eine Ausbildung braucht dafür niemand.

Der Bundesverband Deutscher Bestatter berichtet von rund 4000 Unternehmen bundesweit und warnt vor Preisvergleichsportalen im Internet – „eine Bestattung wird so zu einer menschenunwürdigen Entsorgung“.

Die Asche aus den bei Noordwijk angespülten Urnen soll derweil nachträglich über dem Meer verteilt werden, versichert Trip Scheepvaart. ­Wenigstens einer der Verstorbenen hat inzwischen seine Ruhe gefunden: Ein Fischer, der die Urne entdeckte, hat sich kurzerhand entschlossen, die Asche selbst auf See zu verstreuen.