Zürich. Golden-Globe-Gewinnerin Glenn Close über Selbstverwirklichung, Frauen-Klischees und einen Chirurgen, der ihr Gehirn erforschen wollte.

Rollen, die Glenn Close spielt, vergisst man einfach nicht – ob es die barocke Intrigantin („Gefährliche Liebschaften“) ist, die rachsüchtige Furie („Eine verhängnisvolle Affäre“), der männliche Pirat („Hook“) oder die korrupte Topanwältin (TV-Serie „Damages“). Sechsmal war sie für den Oscar nominiert. Die Chancen, dass es dieses Jahr klappt, sind bestens.

Für ihren aktuellen Film „Die Frau des Nobelpreisträgers“ erhielt sie gerade den Golden Globe. Mit hintergründigem Humor spielt sie darin die Frau, die seit fast 40 Jahren als Ghostwriter für ihren Mann schreibt. Auch ihre Tochter Annie Starke (30) spielt mit. Wir trafen die 71-Jährige beim Filmfest Zürich.

Ihre Lebenssituation ist das­­ ­genaue Gegenteil von Ihrer aktuellen Kinorolle: Sie sind die berühmte Schauspielerin – und Ihre vier Ehemänner standen alle in Ihrem Schatten.

Glenn Close: Das stimmt. Die haben es alle nicht so weit gebracht. Ob sie darunter gelitten haben? Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Da müssten Sie sie schon selbst fragen. Was ich allerdings sagen kann, ist, dass man als Künstler sehr oft der eigenen Passion erliegt, die Arbeit ist einem dann das Wichtigste auf der Welt. Fürs Privatleben ist dann kaum noch Energie übrig. Und das ist sicher nicht sehr förderlich für Beziehungen aller Art.

Glenn Close mit ihrem Golden Globe, den sie vor wenigen Tagen abräumte.
Glenn Close mit ihrem Golden Globe, den sie vor wenigen Tagen abräumte. © dpa | Jordan Strauss

Sie haben als Theater-Schauspielerin begonnen, hatten große Erfolge am Broadway. Warum sind Sie dann doch zum Film gegangen? Der hohen Gagen wegen?

Close: Ganz sicher nicht. Wer deshalb Schauspieler wird, ist schon verloren. Ich finde es auch höchst seltsam, dass für manche der Auftritt auf dem roten Teppich und das Präsentieren von Kleidern wichtiger scheint als die eigentliche Arbeit.

Im Film geht es auch um Emanzipation. Welche waren denn die größten Hindernisse, die Sie auf Ihrem Weg der Selbstverwirklichung überwinden mussten?

Close: Da gab es zum einen das tradierte Rollenbild, das noch aus den 50er-Jahren stammte. Ein Frau sollte sich natürlich dem Mann unterordnen und ja nicht herausfordern. Als Ehefrau sollte sie für die Familie sorgen und dem Ehemann den Rücken freihalten. Und als Mutter sollte man ganz und gar in der Erziehung der Kinder aufgehen. Familie war das Losungswort – auch noch, als ich jung war. Davon musste ich mich erst mal langsam lösen. Aber es gab noch eine Menge anderer Dinge, von denen ich mich befreien musste. Wenn ich Ihnen das alles erzählte, würde das sicher das Interview sprengen.

Haben Ihre Eltern Sie in dem Wunsch unterstützt, Schauspielerin zu werden?

Close: Nicht wirklich. Sie waren darin sehr zögerlich. Meine Eltern dachten, die Schauspielerei sei nicht gut für meinen Charakter. Es gibt ja genug Klischees darüber, welchen Gefahren junge Frauen gerade in diesem Beruf ausgesetzt sind. Als ich dann Erfolg hatte und sie mich im Theater oder im Film sehen konnten, haben sie begriffen, dass das die richtige Entscheidung für mich war. Aber mein Vater hat, als ich schon im College war, noch immer darauf gedrungen, ich sollte unbedingt Kurzschrift lernen. So als Backup-Plan. Falls es mit der Schauspielerei nichts würde, könnte ich ja dann immer noch als Sekretärin arbeiten.

Glenn Close (Mitte) als Joan Castleman und Jonathan Pryce (rechts) als Joe Castleman in „Die Frau des Nobelpreisträgers
Glenn Close (Mitte) als Joan Castleman und Jonathan Pryce (rechts) als Joe Castleman in „Die Frau des Nobelpreisträgers". © dpa

Welches Klischee über Schauspielerinnen nervt Sie am meisten?

Close: Dass wir alle Film-Göttinnen sind wie damals in den alten Hollywood-Filmstudio-Tagen. Und dass wir alle Affären haben mit den Filmbossen oder unseren Co-Stars. Und dass wir alle unglaublich eitel sind, narzisstisch und herzlos.

Solche Schauspielerinnen gibt es aber doch!

Close: Schon, aber sie sind nicht so weitverbreitet, wie viele denken. Ich kannte mal einen Gehirnchirurgen, der wollte tatsächlich mein Gehirn untersuchen. Weil er selbst Schauspieler werden wollte und sich dadurch ein paar nützliche Tipps erhoffte. Ich habe ihn sofort aus meinem Haus geworfen. Ich fühlte mich schwer beleidigt.

Sie haben viele starke Frauen-Rollen gespielt.

Close: Hollywood liebt starke Frauen-Rollen. Damit kann man viel Geld machen. Und sie lieben es, wenn Frauen den Bach hinuntergehen und scheitern. Und wenn sie sich dabei hässlich machen. Da ist ein Oscar fast schon programmiert. Hollywood mag starke Charaktere – was man in Hollywood noch lernen muss, ist, dass es nicht genügt, zwei Stars zu besetzen. Es muss vor allem die Chemie zwischen den beiden stimmen. Denn dann spürt der Zuschauer, dass da etwas Besonderes passiert.