Heilbronn. Elisabeth S. kümmert sich lange um Ole. Als er in die Schule geht, werden die Treffen weniger. Dann erwürgt die 70-Jährige das Kind.

Jens T. weiß noch genau, wie sein Sohn mit zwei Jahren in seine Armbeuge gepasst hat. „Wir hatten ein großes Fenster zur Straße und da stand ich dann oft so mit ihm im Arm und wir blickten hinaus.“ Wenn dann die Rentnerin Elisabeth S. die Straße entlang kam, dann wurde der kleine Ole immer ganz aufgeregt.

„Er hat sich immer so gefreut, dass ich ihn kaum halten konnte.“ Die Chemie zwischen seinem Sohn und der älteren Frau habe einfach gestimmt. Wenn die Eltern aus waren, passte sie auf das Kind auf. „Er hat sie immer Oma genannt“, sagt der Vater.

Ole aus Künzelsau wäre jetzt acht Jahre alt, würde weiter schwimmen lernen, Freunde treffen, Burgen bauen. Aber die Babysitterin, die solch ein gutes Verhältnis mit dem Kind hatte, sitzt mit gesenktem Kopf als Angeklagte im Landgericht Heilbronn. Ihre weißen Haare bedecken auch ihre Wangen und bewegen sich, wenn sie in ihr Taschentuch weint.

Keine Mordmerkmale wie Heimtücke oder Habgier

Die mittlerweile 70 Jahre alte Frau soll den Jungen am 27. April dieses Jahres in ihrem Haus in Künzelsau erst erwürgt und dann in eine volle Badewanne gelegt haben. Laut Staatsanwaltschaft habe die Frau nicht ertragen, dass die Treffen mit Ole immer seltener wurden und das für Elisabeth S. sehr schmerzhaft war.

Die Angeklagte (rechts) betritt zu Beginn des Prozesses gegen sie den Gerichtssaal in Heilbronn.
Die Angeklagte (rechts) betritt zu Beginn des Prozesses gegen sie den Gerichtssaal in Heilbronn. © dpa | Roland Böhm

Aber bringt man aus Sehnsucht das Kind anderer Menschen um? Das will das Gericht in den kommenden sieben Verhandlungstagen herausfinden. Zum Prozessauftakt in Heilbronn spricht der Vorsitzende Richter Roland Kleinschroth in Richtung der Angeklagten: „Sie haben einen Menschen getötet, ohne ein Mörder zu sein.“ Da Mordmerkmale wie Heimtücke oder Habgier nicht vorliegen, lautet die Anklage auf Totschlag.

Die hier verhandelte Tat ist deswegen nicht weniger monströs: Die Eltern gingen im April auf ein Konzert, gaben das Kind wie so oft bei der alten Dame ab, kauften für die beiden noch Essen. Am nächsten Morgen wollten sie ihr Kind abholen, da fand die Mutter den Jungen tot in der Badewanne von Elisabeth S.

Angeklagte verweigert jegliche Angaben zur Tat

„Den Schrei meiner Frau werde ich meinen Lebtag nicht vergessen“, sagt Jens T. Er trug den Toten ins Wohnzimmer. Der Jurist habe gegen die Wand geschlagen und „Mein Sohn!“ geschrien. Die Angeklagte hatte sich zunächst in einem Waldstück versteckt und wurde am kommenden Tag festgenommen.

Die Eltern geben sich vor Gericht gefasst. Nur einmal bricht es aus Susanne T. heraus und sie ruft in Richtung der Angeklagten: „Elisabeth! Kannst du es uns bitte doch noch sagen: Warum?“

Doch die pensionierte Krankenschwester verweigert am ersten Verhandlungstag jegliche Angaben zu sich oder zur Tat. Die Witwe hat einen erwachsenen Sohn in München, der aber kinderlos ist. Ole hatte deswegen schnell die Rolle eines Enkels in ihrem Leben.

Ihren 70. Geburtstag musste Elisabeth S. im Gefängnis feiern, sagt ihre Rechtsanwältin. Zu Protokoll gab sie: „Sie würde sich am liebsten in ein Loch verkriechen.“