Paris. Catherine Deneuve feiert ihren 75. Geburtstag. Die große Diva des französischen Films gilt bis heute als ebenso unnahbar wie unbequem.

Wer sich von ihrem Mut zum großen Auftritt überzeugen will, der sollte bei Youtube ein Video von der Eröffnungszeremonie der Internationalen Filmfestspiele von Cannes im Jahr 2016 aufrufen. Unangekündigt tritt an jenem 11. Mai die in ein bodenlanges schwarzes Kleid mit roter Schleppe gehüllte Catherine Deneuve auf die Bühne, schreitet still lächelnd auf den Moderator Laurent Lafitte zu und drückt ihm einen filmreifen, geschlagene zehn Sekunden währenden Kuss auf den Mund.

Lafitte und dem Publikum bleibt damals regelrecht die Luft weg. Als schließlich tosender Beifall aufbrandet, ist die Deneuve bereits entschwebt – wortlos, wie sie gekommen ist. Ein Auftritt, wie ihn wohl nur sie, der umschwärmte Megastar des europäischen Kinos, hinlegen konnte.

Denn obwohl die kühle Blonde, deren Talent und Eleganz sie zum Idealbild französischer Weiblichkeit werden ließen, am Montag 75 Jahre alt wird, hat sie nichts von ihrer geheimnisvollen Aura der Unnahbarkeit verloren.

Deneuve besteht auf die Anrede „Mademoiselle“

Es war Luis Buñuels 1966 gedrehter Kultfilm „Belle de Jour“, der dieses Image schuf. Die Rolle der distinguierten Hausfrau, die ihre masochistischen Neigungen als Halbtagsprostituierte in einem Bordell auslebt, schien der Deneuve auf den Leib geschrieben. Anziehend und distanziert zugleich stellt sie mit stets kontrollierter Mimik eine Frau dar, unter deren makelloser Oberfläche die Verruchtheit lodert wie Feuer unter dem Eis.

1962: Deneuve mit ihrem Kurzzeit-Verlobten, Regisseur Roger Vadim.
1962: Deneuve mit ihrem Kurzzeit-Verlobten, Regisseur Roger Vadim. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people

Der Wirklichkeit entspricht das scheinbar unzerstörbare Image der Deneuve jedoch nur zum Teil. Zwar mag sie Diskretion stets als Markenzeichen gepflegt haben. Doch die auf ihre Unabhängigkeit bedachte und höchst eigenwillige Diva, die auf die bei Feministinnen verpönte Anrede „Mademoiselle“ besteht, vertrat immer ihre Meinung.

„Ich war nie bereit, mich auf ein Schmuckstück reduzieren zu lassen“, sagte sie einmal. So gehörte sie 1971 zu jenen 343 prominenten Französinnen, die in einem „Manifest der Schlampen“ trotz der geltenden Strafandrohung öffentlich bekannten, abgetrieben zu haben.

Durchbruch gelang mit „Die Regenschirme von Cherbourg“

Für beträchtlichen Wirbel sorgte zu Beginn dieses Jahres der von ihr und 99 weiteren Frauen unterzeichnete offene Brief, mit dem sie sich gegen die im Zusammenhang mit der #MeToo-Debatte ausgelöste „Kampagne von Denunziation und öffentlicher Anschuldigung“ stemmt, den „Hass auf Männer“ verurteilt, vor einer Gefährdung der „sexuellen Freiheit“ warnt und für sich die „Freiheit, belästigt zu werden“, in Anspruch nimmt.

Der Durchbruch zum Star gelang der 1942 als Catherine Fabienne Dorléac in Paris geborenen Schauspielerin schon 1962 mit „Die Regenschirme von Cherbourg“ – der Musicalfilm wurde in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet.

Es war der Beginn einer langen und keineswegs beendeten Karriere, in der Deneuve für rund 140 Filme vor die Kamera trat. Der nur vorerst letzte, die Tragikomödie „Ein Kuss von Béa­trice“, kam 2017 in die Kinos.

Ihr Privatleben schirmte Deneuve stets ab

So wenig die Deneuve mit ihrer Meinung hinter dem Berg hält, so sorgsam verstand sie es hingegen, ihr turbulentes und unkonventionelles Privatleben abzuschirmen. Zwar war sie von 1965 bis 1972 die Ehefrau des britischen Modefotografen David Bailey, bekam ihre Kinder jedoch von Männern, mit denen sie nicht verheiratet war: Sohn Christian hat den Regisseur Roger Vadim zum Vater, Tochter Chiara stammt von dem italienischen Filmstar Marcello Mastroianni.

Skandalfilm: Deneuve mit Pierre Clémenti in „Belle de Jour“ (1967).
Skandalfilm: Deneuve mit Pierre Clémenti in „Belle de Jour“ (1967). © Cinema Publishers Collection | Ha

„Sie ist eine der wenigen Schauspielerinnen, die verstanden haben, dass ein Leinwandstar nicht aus der Welt der Träume in die Straße hinabsteigen darf“, antwortete der US-Regisseur Martin Scorsese auf die Frage, warum sich Catherine Deneuve seit nunmehr 50 Jahren an der Spitze des schnelllebigen Filmgeschäfts halten konnte. Daran stimmt, dass die Deneuve im Gegensatz zu anderen erfolgreichen Kolleginnen nie Theater gespielt hat oder in Fernsehproduktionen zu sehen war.

Aber Scorsese würde seinen Augen nicht trauen, wenn er die angeblich so unnahbare Diva in Paris sehen könnte, wo sie regelmäßig ihre Enkel von der Schule abholt. Ja, richtig, Catherine Deneuve ist mehrfache Großmutter.