Palma de Mallorca. Die Festnahme von Jan Ullrich wegen der Bedrohung seines Nachbarn Til Schweiger ist ein neuer Tiefpunkt. Er bekam ein Kontaktverbot.

Es war erst im Mai, da sagte Jan Ullrich (44) verzweifelt in einem Interview: „Damals war ich für alle noch der Größte, jetzt hacken alle auf mir rum.“ Nur wenige Monate später, an diesem Wochenende, zeigen Paparazzi-Bilder wieder einen offenbar verzweifelten Jan Ullrich.

Der Gewinner der Tour-de-France von 1997 steigt auf Mallorca mit einem weißen Krankenhaus-Laken um den Kopf und freiem Oberkörper in Handschellen aus einem Gefangenentransporter. Polizisten der Policia Nacional begleiten ihn ins Polizei-Hauptquartier von Palma ins Untersuchungsgericht. Danach wird er freigelassen. „Jetzt lasst mich mal alle in Ruhe. Ich will nach Hause. Ich war im Gefängnis“, sagt er wartenden Fotografen.

Nachbarn seit zwei Jahren

„Ein Champion im Knast“, lautet am Sonntagmorgen die Schlagzeile des mallorquinischen Blattes „Ultima Hora“. Nahezu 24 Stunden verbrachte Ullrich in einer Zelle der Nationalpolizei.

Es ist wohl der vorläufige Tiefpunkt im Leben des Radsport-Idols, das in den vergangenen Jahren durch Trunkenheitsfahrten mit Unfallfolge für mediale Aufmerksamkeit sorgte. Am Freitagabend wurde der Rostocker Ullrich wegen „gewaltsamen Eindringens und Bedrohungen“ nach Anzeige seines Nachbarn, des Schauspielers Til Schweiger (54), festgenommen, Sonnabend von einer Richterin befragt, die ihn auf freien Fuß setzte, aber mit einem Kontakt- und Annäherungsverbot gegenüber dem Kino-Regisseur belegte. Der Festnahme war ein Streit mit Schweiger vorausgegangen, der seinen Urlaub auf Mallorca verbringt.

Ullrich und Schweiger sind dort seit etwa zwei Jahren Nachbarn. Beide besitzen im Hinterland nahe der Hauptstadt Palma jeweils eine Villa mit Pool. Laut „Bild“ soll Ullrich Freitagnacht über einen Zaun auf das Grundstück von Schweiger geklettert sein und diesen sowie seine Gäste attackiert haben. Die herbeigerufene Polizei habe den früheren Radsportler dann in Handschellen abgeführt.

Der Regisseur Til Schweiger (l) und der früherer Radprofi Jan Ullrich.
Der Regisseur Til Schweiger (l) und der früherer Radprofi Jan Ullrich. © picture alliance/dpa | dpa Picture-Alliance / Büttner/Kirchner

Wie es in dem „Bild“-Bericht heißt, soll es auch in den Tagen zuvor zu Spannungen gekommen sein, weil Ullrich sich „merkwürdig benommen habe“. Ullrichs Anwalt Wolfgang Hoppe aus Eschborn bei Frankfurt bestätigte einen Vorfall, konnte aber keine Einzelheiten nennen. Til Schweiger äußerte sich dagegen zum Zustand seines Nachbarn. Er kenne Jan, seit er vor zwei Jahren nebenan eingezogen sei. „Mein Tor war immer offen – für seine Söhne, seine Frau.“ Jan Ullrich sei ein „wahnsinnig liebenswerter Mensch“, betonte er nach dem Vorfall gegenüber der „Bild am Sonntag“. Doch laut Schweiger habe Jan Ullrich sich seit dem vergangenen Sommer verändert.

Seine sportlichen Titel verlor Jan Ullrich wegen Dopings

„Er schläft maximal zwei Stunden pro Tag. Er nimmt massiv Amphetamine. Er sagt, er hat ADHS, und deshalb muss er sie nehmen. Er hat auch morgens um sechs Uhr angefangen, Bier zu trinken“, erklärt Schweiger weiter. Zum Vorfall am Freitag sagt er: „Er kam übers Tor, was wir nicht gesehen haben, weil wir im Poolhäuschen ein Musikvideo angesehen haben. Er ging sofort mit einem Besenstiel auf einen Freund von mir los. Ich habe die Polizei gerufen. Die kam dann auch, hat ihn in Handschellen abgeführt.“ Das einzige, was Jan Ullrich helfen könne, erklärt Schweiger, sei, „dass er zusammenbricht, sodass er dabei nicht stirbt, aber eingewiesen wird und einen Entzug macht“.

Tatsächlich ging es in den vergangenen Jahren für Ullrich immer weiter abwärts. Seine Titel wurden dem Olympiasieger von Sydney 2000 aberkannt. Im Jahr 2006 wurde er wegen Dopings von der Tour de France ausgeschlossen und im Jahr 2012 vom Internationalen Sportgerichtshof CAS für zwei Jahre gesperrt. In den Jahren 2002 und 2014 verursachte er unter ­Alkoholeinfluss Verkehrsunfälle und wurde zuletzt vom Bezirksgericht Weinfelden in der Schweiz zu 21 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Im Mai 2018 gab Ullrich die Trennung von seiner Frau Sara, der Mutter seiner drei Söhne, bekannt. Im Juni sagte der ehemalige Profi-Athlet der „Bunten“: „Mein Herz ist gebrochen, mein Knie ist kaputt. Ich bin ein Wrack.“

Sein langjähriger Manager Wolfgang Strohband (80) beschreibt Ullrich als einen Menschen, der „keinen an sich ranlässt“. Dem Kölner „Express“ sagte er: „Die letzten zehn bis zwölf Jahre waren nicht ganz einfach für Jan. Er fiel als Hochleistungs-Sportler ins Nichts. Das alles geht nicht so spurlos an ihm vorbei.“ Aber Ullrich, so Strohband, müsse langsam anfangen, im normalen Leben zurechtzukommen.