Essen. Roboter in der Chirurgie, 3D-Karten vom Herzen. Als „smart hospital“ gilt die Uni-Klinik Essen als die erste ihrer Art in Deutschland.

„Smart“ – das bedeutet schlau, intelligent oder clever. Mit dem Begriff schmücken sich zahlreiche Produkte, Technologien und andere Lösungen. Neu in dieser Reihe ist das „smart hospital“. Dieses „intelligente Krankenhaus“ hat in der Universitätsklinik Essen (UK Essen) bereits Gestalt angenommen. Die Klinik ist bundesweit Vorreiter.

Professor Jochen Werner, ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der UK Essen, beschreibt das Konzept als „intelligent arbeitendes Krankenhaus der Zukunft, das den Fokus auf den Menschen legt“: auf Patienten und deren Angehörige, aber vor allem auf die Klinik-Mitarbeiter. Personelle Entlastung angesichts des bestehenden Fachkräftemangels stehe ganz oben auf der Prioritätenliste, wenn es um den Einsatz modernster Zukunftstechnologien im Klinikalltag gehe.

Künstliche Intelligenz hilft bei Diagnose

Was aber können virtuelle Realität, Künstliche Intelligenz (KI), 3D-Mapping, Robotik und Automation für den Patienten leisten?

• Beispiel Radiologie: Professor Michael Forsting, Direktor des Instituts für Radiologie und Neuroradiologie, nutzt KI zum Tumor-Screening, für Verlaufsuntersuchungen zum Wachstum von Tumoren und zum Aufspüren von Metastasen. Anders als herkömmliche Diagnose-Modelle muss die Künstliche Intelligenz lediglich mit Daten „trainiert“ werden – und entscheidet sich am Ende selbst für die Kriterien, nach denen sie einen möglichen Krebs identifiziert.

Einzige Bedingung, so Mediziner Forsting: Es müsse unter allen Umständen vermieden werden, das System mit falschen Informationen zu versorgen. „Sie müssen sich absolut sicher sein, dass der Befund richtig ist. Nur dann kann das System lernen.“ Sind die Datensätze valide, brauche es nicht viele davon, „dann reichen einige hundert“.

• Beispiel Kardiologie: Hier haben Technik und Know-how eine Halbwertszeit von zwei bis drei Jahren, sagt Professor Tienush Rassaf . Was also vor zehn Jahren noch Standard war, gelte heute beinahe als mittelalterlich. Die kardiologischen Werkzeuge, dener sich Rassaf heute bedient, sind 3D-Mapping, also die dreidimensionale Kartierung des Herzens, und Kathetertechnik. Damit kann er Herzrhythmusstörungen behandeln, ohne Haut und Gewebe stark zu verletzen.

Blick in einen High-tech-Behandlungsraum der Uniklinik Essen.
Blick in einen High-tech-Behandlungsraum der Uniklinik Essen. © FMG | FMG

Als Beispiel für solche minimal-invasiven Eingriffe nennt der Mediziner die sogenannte Mitralklappeninsuffizienz, den Herzklappenfehler also. Dabei fließt Blut zurück ins Herz, die Patienten bekommen keine Luft und sterben schließlich daran. Rassaf: „Bis zu 50 Prozent der Menschen über 70 Jahre haben eine relevante Mitralklappeninsuffizienz, zehn Prozent eine therapiebedürftige. Das sind mehrere Millionen Menschen in Deutschland. Bis vor kurzem mussten diese Personen alle operiert werden, ab einem gewissen Level kann man sie aber nicht mehr operieren.“

Dünner Katheter als „Einparkhilfe“

Nun ist Rassaf in der Lage, mit Kathetern über die Leiste in das Herz des Patienten vorzudringen, dieses zu kartieren und anschließend zu therapieren. Für die dabei notwendige optische Orientierung im Körper wird ein Katheter genutzt, der Spannung und Signale im Herzen abfragt und ein digitales elektro-anatomisches Mapping ermöglicht.

Rassaf: „Wir haben einen speziellen Katheter [den sogenannten „Elektro-Fisch“, Anm. d. Red.], der am Ende über elektromagnetische Wellen, Sensoren, verfügt“. Übertragen auf den Bildschirm zeigt die so erstellte Herzkarte farbige Bereiche, die jene Stellen markieren, von denen Störungen ausgehen.

Im zweiten Schritt kann das kranke Gewebe gezielt mit Strom verödet, also „verbrutzelt“ werden, wie Rassaf es nennt. Der kugelschreiberminendünne Katheter bietet dazu eine Art „Einparkhilfe“, um inneren Verletzungen vorzubeugen: „Das System gibt ein Signal, zu stark gedrückt, so viel dürfen sie noch drücken, so viel dürfen sie nicht drücken. Das gibt dem Untersucher und dem Patienten Sicherheit“, beschreibt Rassaf das Verfahren. Der ganze Eingriff dauert am Ende nur zwei bis drei Stunden und erfolgt unter leichter Narkose.

• Beispiel „Da Vinci“: Dieser Roboter verfügt über vier Arme, an denen mikrochirurgische Instrumente angebracht sind. Über einen Videoturm werden dreidimensionalen Kamera und Lichttechnik gesteuert. „Da Vinci“ wird in der Frauenklinik unter Professor Rainer Kimmig eingesetzt, um große Operationen mit möglichst geringem Aufwand durchzuführen. Die Eintrittsstellen in den Körper, die die Roboterarme verursachen, sind beispielsweise nur acht Millimeter groß. An der UK Essen gibt es derzeit vier Ärzte, die das System bedienen können.

Patienten wollen von Roboter operiert werden

Was sagen die Patienten? Laut Professor Kimmig haben die meisten Patienten keine Berührungsängste mit „Da Vinci“. Tatsächlich, so Kimmig, „kommen viele heute gerade deswegen in die Uniklinik Essen, weil sie unbedingt mit Hilfe des Roboters operiert werden wollen, so dass sie eher enttäuscht reagieren, wenn wir das mal nicht tun.“

Neben Neugier auf die Technologie gebe es auch einen fachlichen Grund, der für die Technik spreche: „Wir wissen inzwischen aus großen Serien vergleichender Operationen, dass die Risiken bei der minimal-invasiven Robotik-Chirurgie noch geringer sind als bei der normalen minimal-invasiven und weit geringer als bei der offenen Chirurgie. Somit ist es die sicherste und ungefährlichste Methode.“

Dieser Text ist zuerst auf futurezone.de erschienen, dem Tech-Portal der FUNKE Mediengruppe.