Münster. Würde sich jeder im Auto anschnallen, gäbe es 200 Verkehrstote weniger. Ein Viertel der Toten war laut einer Studie nicht angeschnallt.

Nur rund zwei Prozent der Deutschen sind Gurtmuffel und schnallen sich im Auto nicht an. Diese kleine Gruppe macht aber laut einer Studie von Unfallforschern ein Viertel der bei Unfällen getöteten Autoinsassen aus.

Nicht alle von ihnen hätte ein Gurt gerettet, aber: „Hätten wir eine Anschnall-Quote von 100 Prozent, hätten wir pro Jahr rund 200 Verkehrstote und knapp 1500 Schwerverletzte weniger“, sagte Siegfried Brockmann vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft bei der Vorstellung der Studie in Münster.

Die Untersuchung berücksichtigte nur Unfälle mit getöteten Autoinsassen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 1439 Menschen, die im Auto saßen, durch Unfälle getötet, ein Rekordtief. 360 dieser Opfer, also ein Viertel, waren nicht angeschnallt gewesen. Im Jahr 2015 war es jeder fünfte Unfalltote. Hochrechnungen zufolge hätten 200 dieser Getöteten mit Gurt den Unfall überlebt.

Mehr Polizeikontrollen und höhere Bußgelder

Brockmann fordert eine Erhöhung der seit 1984 gültigen Höhe des Bußgeldes, das bei 30 Euro liegt, und mehr Polizeikontrollen. Der Leiter der Unfallforschung des Verbandes sprach sich für eine neue Aufklärungskampagne aus.

Klarer Fall: Ein nicht angeschnallter Dummy prallt bei einem simulierten Crashtest von 20 km/h mit dem Gesicht auf das Armaturenbrett eines Autos. Die Versicherungswirtschaft stellt ein Forschungsprojekt zu Gurtmuffeln vor.
Klarer Fall: Ein nicht angeschnallter Dummy prallt bei einem simulierten Crashtest von 20 km/h mit dem Gesicht auf das Armaturenbrett eines Autos. Die Versicherungswirtschaft stellt ein Forschungsprojekt zu Gurtmuffeln vor. © dpa | Guido Kirchner

Gurtmuffeln den Ernst der Lage klarmachen

Den Anschnall-Verweigerern müsse klar gemacht werden, dass selbst bei Unfällen bei geringem Tempo ohne Gurt schwerste Verletzungen die Folge sein können. Es seien auffällig viele Männer in dieser Gruppe. „Sie glauben wohl, Verletzungen beim Aufprall durch die Kraft ihrer Arme und den Airbag verhindern zu können“, sagte der Unfallforscher. Das sei ein Irrglaube.

So löst der Airbag im Fahrzeug in der Regel erst ab einer Geschwindigkeit ab 25 km/h aus. „Aber bereits bei einem Frontalunfall bei nur 20 Kilometern pro Stunde müsste ein 75 Kilogramm schwerer Mann mit seinem Armen ein Gewicht von 1800 Kilogramm abstützen. Der Weltrekord beim Gewichtheben liegt bei 266 Kilogramm“, erläutert Brockmann. Kein Mensch könne das.

Für die Studie hatten die Forscher die Unfalldatenbank der Versicherer ausgewertet. Um die Motive der Gurtmuffel zu ergründen, wurde in einer Umfrage auch gefragt, wie oft und warum kein Gurt angelegt wurde. Das Teilergebnis der Befragung ist allerdings nicht repräsentativ, denn mit den nur zwei Prozent Verweigerern war die Fallzahl zu gering.

Vor allem Männer schnallen sich nicht an. Laut Studie nehmen viele von ihnen an, sie könnten sich bei einem Aufprall mit den Armen abstützen. Dabei müssten sie bereits bei 20km/h schlappe 1800 Kilogramm abfangen. Menschlich unmöglich.
Vor allem Männer schnallen sich nicht an. Laut Studie nehmen viele von ihnen an, sie könnten sich bei einem Aufprall mit den Armen abstützen. Dabei müssten sie bereits bei 20km/h schlappe 1800 Kilogramm abfangen. Menschlich unmöglich. © dpa | Guido Kirchner

Deutschland im EU-Vergleich vorbildlich

In Deutschland gilt seit 1976 eine Anschnallpflicht auf den Vordersitzen in Autos, seit 1984 gilt die Pflicht auch für die Rückbank. Allein 1985 ging die Zahl der Unfalltoten vor allem dank dieser Regelung um 1461 zurück. Die Zahl der Schwerverletzten sank um 15.091. Brockmann weiß, dass es immer eine Restgruppe von Leuten geben werde, die sich nicht anschnallen.

Und im Europavergleich steht Deutschland mit 98 Prozent gut da. In südeuropäischen Ländern liegt die Anschnall-Quote zum Teil nur bei 80 Prozent. Dennoch sein Appell: „Wir können mit jedem Prozentpunkt mehr hinter dem Komma bei der Anschnall-Quote zehn Verkehrstote im Jahr verhindern.“ (dpa)