Berlin. Ein 20-jähriger Asylbewerber, der im Fall der getöteten Susanna (14) gesucht wurde, ist gefasst worden. Was wir über ihn wissen.

Deutschland ist schockiert über den gewaltsamen Tod der 14-jährigen Susanna. Am Mittwoch war die Leiche der Jugendlichen aus Mainz in Wiesbaden gefunden worden, Ermittler gehen von einem Sexual- und Gewaltdelikt aus. Der 20-jährige irakische Flüchtling Ali B. gilt als Tatverdächtiger. Er hatte sich ins Ausland abgesetzt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer teilte am Freitag mit, dass der Mann im Irak festgenommen worden sei. Wir fassen zusammen, was wir über den flüchtigen Verdächtigen wissen:

Ist Ali B. der einzige Verdächtige?

Seit Donnerstagabend ja. Zuvor hatten die Ermittler noch einen 35-jährigen Asylbewerber türkischer Staatsangehörigkeit im Visier. Der Mann wurde am Mittwoch festgenommen, am Donnerstag aber wieder freigelassen. Wie Oberstaatsanwalt Oliver Kuhn am Donnerstagabend in Frankfurt sagte, bestehe nach neuesten Ermittlungserkenntnissen kein dringender Tatverdacht mehr gegen den Mann.

Was ist über Ali B.s Leben in Deutschland bekannt?

Der Asylantrag von Ali B. war Ende 2016 abgelehnt worden. Ein Rechtsanwalt habe gegen die Ablehnung Klage eingereicht, das Verfahren laufe noch, erklärten die Ermittler. B. sei vermutlich im Oktober 2015 nach Deutschland eingereist, mit dem damals großen Flüchtlingszustrom über die Türkei und Griechenland. Seitdem wohnte er bis zu seiner Abreise in einer Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden.

Welche Verbindung gab es zwischen Ali B. und Susanna?

Susanna soll sich öfter in der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden-Erbenheim aufgehalten haben, in der auch der Verdächtige untergebracht war, und sie soll den jüngeren Bruder des Irakers näher gekannt haben.

Ob sich Susanna auch am Abend ihres Verschwindens am 22. Mai dort aufhielt, ist noch unklar. Sie war zuvor mit Freunden in der Innenstadt unterwegs, kehrte von da aus aber nicht nach Hause zurück.

Wie kam die Polizei auf den Verdächtigen?

Der entscheidende Hinweis auf den mutmaßlichen Täter kam von einem 13-jährigen Jungen, der ebenfalls in der Flüchtlingsunterkunft Wiesbaden-Erbenheim wohnt. Zuvor hatte die Polizei tagelang vergeblich mit einem Großaufgebot von Beamten, Hunden und einem Hubschrauber nach dem vermissten Mädchen gesucht.

Der Zeuge, der offenbar auch Susanna kannte, hatte den Ermittlern berichtet, Ali B. habe ihm persönlich von der Tat erzählt.

Was weiß man über die Flucht von Ali B.?

Der 20-Jährige war am vergangenen Donnerstag mit seiner gesamten Familie (Vater, Mutter und fünf weitere Kinder) überhastet abgereist. Von Düsseldorf flog die Familie nach Istanbul und von dort aus weiter ins irakische Erbil.

Auf den Flugtickets der Familie waren andere Namen angegeben als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegten Aufenthaltspapieren für Deutschland, berichteten die Ermittler. Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passierschein – in arabischer Sprache mit Passbildern dabei gehabt, die von der irakischen Botschaft ausgestellt worden seien. Am Flughafen seien die Passfotos, aber nicht die Namen abgeglichen worden.

Der Fall Susanna lässt die Debatte um kriminelle Asylbewerber wieder hochkochen: „Susanna, 14 Jahre, Opfer der Toleranz
Der Fall Susanna lässt die Debatte um kriminelle Asylbewerber wieder hochkochen: „Susanna, 14 Jahre, Opfer der Toleranz" steht auf einem Holzkreuz in der Nähe des Ortes, an dem die Leiche von Susanna gefunden wurde. © dpa | Boris Roessler

Solche Passersatzpapiere können Botschaften zum Beispiel ausstellen, wenn der Reisepass abhanden gekommen oder nicht mehr gültig ist. Ein zur Ausreise verpflichteter abgelehnter Asylbewerber kann Deutschland mit dem Papier schnell und unbürokratisch verlassen. Es berechtigt zur einmaligen Einreise und ist wenige Tage gültig. Laissez-passer kommt aus dem Französischen und bedeutet „Bitte durchlassen!“.

Wie wurde Ali B. gefasst – und wird er jetzt ausgeliefert?

Bundesinnenminister Seehofer sagte: „Der im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt an Susanna F. beschuldigte Ali B. ist heute Nacht, am 8. Juni 2018, gegen 2 Uhr durch kurdische Sicherheitsbehörden im Nordirak auf Bitten der Bundespolizei festgenommen worden.“ Er fügte hinzu: „Das mit der Auslieferung läuft jetzt nach den internationalen Regeln.“

Warum war Ali B. der Polizei schon bekannt?

Der 20-Jährige war bereits mehrfach polizeilich aufgefallen, teilten die Ermittler mit. Sein Name sei zudem in Zusammenhang mit mehreren Schlägereien und einem Diebstahl aufgetaucht. Im März soll er eine Stadtpolizistin in Wiesbaden angerempelt und um sich gespuckt haben.

Im Mai habe ein elfjähriges Flüchtlingsmädchen erklärt, von Ali B. vergewaltigt worden zu sein. Ob der 20-Jährige in diesem Fall tatsächlich unter Verdacht stehe, sei aber unklar, so die Polizei. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten können. Es habe daher keine Gründe für eine Inhaftierung gegeben. (ba/dpa)