Berlin . Warum vermüllen Menschen Straßen oder Parks? Eine aktuelle Studie kommt zu dem Ergebnis: Die Wahrnehmung von Sauberkeit wandelt sich.

Ein schneller Burger für die kurze Pause auf der Parkbank, darauf einen Kaffee und eine Zigarette zum Schluss. Dieser Konsum hinterlässt seine Spuren in öffentlichen Parks oder auf der Straße. Denn Pappe, Plastik, Kippen und Tüten landen allzu oft nicht im Papierkorb, sondern auf dem Boden. Stadtbewohner kennen diese Regel: Wo schon Müll liegt, da wird wahrscheinlich bald noch mehr landen.

Jede Stunde gehen 320.000 Pappbecher über die Theke

„Littering“ lautet der englische Fachbegriff für das absichtliche oder achtlose Verschmutzen der Umgebung. „Das klingt nett, ist aber letztlich die Vermüllung der Städte“, sagt Katherina Reiche, die Chefin des Verbands Kommunaler Unternehmen (VKU). Sie setzte Forscher auf die Spur der Müllsünder in den Städten.

Der Trend zum Essen und Trinken unterwegs stellt die Kommunen vor Probleme. Der Verbrauch von Einwegverpackungen hat enorm zugenommen. Laut Bundesregierung nehmen die Deutschen jährlich allein 2,8 Milliarden Pappbecher mit auf den Weg, stündlich sollen es 320.000 To-go-Becher sein, die in Deutschland über die Theken gehen, sagen Zahlen der Bundesregierung. Das Müllaufkommen sei in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, beklagt der VKU.

Gleichgültigkeit sind die Motive der Anderen

Die To-go-Kultur verändert auch das Wegwerfverhalten der Menschen.
Die To-go-Kultur verändert auch das Wegwerfverhalten der Menschen. © dpa | Sebastian Gollnow

Psychologen haben im Auftrag von großen Städten, darunter Berlin, Hamburg, Leipzig, Köln und Frankfurt, die Gründe für die Unachtsamkeit der Konsumenten ergründet. Seit 2004 erforscht die Berliner Humboldt-Universität das Verhalten der Konsumenten.

„Wir haben Litterer auf der Straße erwischt und gefragt, warum sie dies machen“, erläutert Forscherin Rebekka Gerlach. Die Ertappten gaben oft an, dass es in der Nähe keinen Abfallkorb gibt. Wurden sie hingegen nach den Motiven anderer gefragt, die so handeln, wurden Bequemlichkeit, Faulheit und Gleichgültigkeit am häufigsten genannt.

Unterschiede beim Bildungsgrad gibt es nicht

Es sind vor allem junge Verbraucher, die wenig Rücksicht auf saubere Straßen und Grünflächen nehmen. Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren werfen am meisten draußen weg, gefolgt von den unter 20-Jährigen. Wenn es darum geht, die Hinterlassenschaften des Hundes liegen zu lassen, ist aber auch die Gruppe Ü-50 stark betroffen.

„Insbesondere dort, wo sich Gruppen zusammenfinden, steigt die Tendenz zu rücksichtslos entsorgtem Abfall“, hat das Bundesamt für Umwelt der Schweiz herausgefunden. Unterschiede zwischen den Geschlechtern und dem Bildungsgrad oder dem Wohnort konnte Gerlach bei ihrer Studie nicht feststellen. Vor allem bereits verschmutzte Orte, öffentliche Plätze, Gehwege, aber auch und vermehrt Grillplätze seien stark von Littering betroffen.

Allein am Vormittag 15 Tonnen Abfall

Ein noch junger Trend verstärke das Müllproblem: „Es gibt eine Mediterranisierung des Lebens“, beobachtet Reiche. Statt zu Hause im Familien- oder Freundeskreis zu sitzen, drängt es sie zum Grillfest in den Park. In Köln seien an einem schönen Sonntag 300.000 Menschen draußen. Allein am Vormittag summiere sich die Abfallmenge auf 15 Tonnen.

Hundekot und fehlende Abfallbehälter werden nicht mehr so häufig als Ärgernis genannt, Einwegverpackungen und überfüllte Papierkörbe häufiger. In den beiden näher untersuchten Städten Frankfurt und Berlin empfinden die Bewohner ihre Umgebung sogar als sauberer als bei der ersten Befragung 2005. Das hängt nach Einschätzung der Experten auch mit den Kampa­gnen der Städte gegen den Abfall zusammen.

„Keiner will gemaßregelt werden“

Mit psychologischen Tricks wollen die Entsorgungsunternehmen die Bürger zu mehr Achtsamkeit bringen. Hamburg schickt „Kümmerer“ und „WasteWatcher“ los, um für Sauberkeit zu sorgen. Ganz vorne dabei ist auch die Berliner Stadtreinigung (BSR).

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    „Keiner will gemaßregelt werden“, sagt deren Vorstandschefin Tanja Wielgoß. Stattdessen schreibt das Unternehmen kleine Wortspiele auf die 23 000 Papierkörbe der Hauptstadt. „Friedrichsrein“ oder „Tempelhöflich“ steht auf den nicht zu übersehenden knallorangenen Behältern in Anspielung auf die jeweiligen Bezirke Friedrichshain und Tempelhof.

    Der Bezug zum Wohnort soll das Verantwortungsgefühl der Bewohner für den eigenen Kiez wecken. Nun sinnt die BSR nach Wegen, „Mehrwert cool zu machen“, wie Wielgoß sagt, denn „to go ist ein Grund, warum die Mülleimer oft überfüllt sind“.

    Grüne Fußabdrücke weisen den Weg zum Papierkorb

    Freiburg stellt mit dem „Freiburg Cup“ wiederverwendbare Becher bereit. 31 000 sind bereits ausgegeben worden. Reiche kann sich vorstellen, deren Nutzung an eine Belohnung zu koppeln. „Der Kaffee ist dann 20 Cent billiger“, erläutert sie den Anreiz.

    An Ideen mangelt es auch anderswo nicht. Köln hat zum Beispiel dunkelgraue Abfallbehälter mit einem farbigen Balken versehen und so augenfälliger werden lassen. Quietschgrüne Fußabdrücke auf dem Bürgersteig weisen den Weg zum Papierkorb.

    Abfuhr des wilden Abfalls kostet Städte Millionen

    Für die Kommunen ist der wilde Abfall auch finanziell eine Belastung. Hamburg will zum Beispiel 450 Leute zusätzlich einstellen. Kostenpunkt: 27 Millionen Euro. Bezahlen müssen diese Zusatzkosten die Anlieger in den Städten über die normalen Abfallgebühren. Aus Sicht des VKU sollten sich auch die Städte und Gemeinden an den Kosten beteiligen.

    Allerdings sieht der Verband auch die Hersteller von Einwegverpackungen zum Mitnehmen in der Pflicht. Kathe­rina Reiche fordert ein Umdenken der Wirtschaft, das gegebenenfalls durch gesetzliche Vorgaben zum Einsatz von abfallvermeidenden Stoffen gefördert werden sollte.