Hamburg/Berlin. Seine Äußerungen zu Flüchtlinge sorgten für viel Wirbel. Nun hat „Der Turm“-Autor Uwe Tellkamp eine geplante Lesereise gestrichen.

Der Schriftsteller Uwe Tellkamp („Der Turm“) hat seine im März geplante Lesereise in Norddeutschland nach Angaben des Eichthal-Verlags abgesagt. „Der Autor Uwe Tellkamp fühlt sich nach den Vorkommnissen bei der Diskussion in Dresden momentan nicht in der Lage, Lesungen vor Publikum durchzuführen“, teilte der Verleger der Edition Eichthal, Jens-Uwe Jess, am Donnerstag mit.

Es sei nicht gelungen, diesen Entschluss rückgängig zu machen. „Herr Tellkamp sieht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass seine Lesungen zweckentfremdet und von Kräften gekapert werden, die mit Literatur wenig oder nichts zu tun haben.“

In Schleswig, Kiel, Lübeck und Hamburg (19. bis 23. März) sollte der Dresdner Autor aus seinem Werk „Die Carus-Sachen“ lesen, das bei Edition Eichthal erschienen ist, sowie aus „Lava“, der noch unveröffentlichten Fortsetzung von „Der Turm“ (2008).

Suhrkamp distanzierte sich von Uwe Tellkamp

Tellkamp hatte in Dresden bei einer Diskussion Positionen der AfD und der islam- und ausländerfeindlichen Pegida-Bewegung vertreten und sich mit dem Dichter Durs Grünbein einen verbalen Schlagabtausch um die Flüchtlingspolitik und Meinungsfreiheit geliefert.

Tellkamp hatte in der Diskussion unter anderem die Ansicht vertreten, mehr als 95 Prozent der Flüchtlinge würden nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, sondern kämen, „um in die Sozialsysteme einzuwandern“. Der Suhrkamp-Verlag, der Tellkamps Erfolgsroman „Der Turm“ veröffentlicht hat, distanzierte sich daraufhin von dem Schriftsteller.

Monika Maron unterstützt Tellkamp

Rückendeckung bekam der Schriftsteller von seiner Kollegin Monika Maron. Das Verhalten des Verlags sei eine „Ungeheuerlichkeit“, sagte Maron im Deutschlandfunk. „Ein Verlag ist die einzige Andockstation für den Autor. Der gehört nur zu seinem Verlag und von dem erwartet er Beistand und auch Schutz, aber nicht Verrat.“

In ihren Augen habe der Suhrkamp Verlag seinen Autor verraten, und sogar ohne Not, weil kein Mensch davon ausgehe, dass ein Autor die Meinung seines Verlages repräsentiere.

Tellkamp habe eine Diktion, die ihr nicht aus dem Herzen spreche, so Maron. „Aber ich muss sagen, ich habe mir das zweimal angesehen, weil ich auch was darüber geschrieben habe. Ich habe bis auf diesen einen Satz mit den 95 Prozent und noch eine Kleinigkeit, die ich anzumerken hätte, nichts gefunden, was nicht ohnehin überall mittlerweile auch in Zeitungen diskutiert wird. Mit anderen Worten: Ich verstehe die Aufregung nicht.“

„Tellkamp ist als Autor hochwichtig. Und es ist überhaupt nicht notwendig, dass ich in allen Teilen seiner Meinung bin“, sagte Eichthal-Verleger Jess der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. In den „Carus-Sachen“ schildert der studierte Arzt Tellkamp nach Angaben des Verlags im Rahmen einer Vater-Sohn-Beziehung das Leben und Werk seines Dresdner Vorgängers, des Mediziners, Schriftstellers und Naturphilosophen Carl Gustav Carus. Die Versöhnung von Natur und Technik sei ebensowichtig wie die Meinungsfreiheit, ergänzte Jess.