Washington. Er predigte vor Millionen von Menschen und war auch für viele US-Präsidenten ein geschätzter Ratgeber. Nun ist Billy Graham verstorben.

Billy Graham wurde oft gefragt, warum Gott gerade ihm die Gabe schenkte, Millionen Menschen weltweit bei seinen „Kreuzzügen“ für den Glauben in den Bann zu ziehen. „Ich weiß es nicht“, antwortete der Sohn eines Bauern regelmäßig in Bescheidenheit, „ich werde ihn fragen, wenn ich ihn treffe.“ Am Mittwoch war es soweit.

Der einflussreichste außerkirchliche Erweckungsprediger der vergangenen hundert Jahre ist nach langer Krankheit von Krebs bis Parkinson im Alter von 99 Jahren an seinem Altersruhesitz in Montreat im US-Bundesstaat North Carolina gestorben.

Billy Graham predigte vor mehr als 200 Millionen Menschen

Mit Graham geht ein Titan, der vor über 200 Millionen Menschen gepredigt hat. Niemand in den Vereinigten Staaten hat über viele Jahrzehnte die Botschaft des Herrn eindringlicher und kraftvoller verbreitet als er. Niemand zeigte bei seinen Massenveranstaltungen in Mega-Kirchen und Football-Stadien mehr Charisma.

Der frühere US-Präsident George W. Bush (li.) wandte sich nach Gesprächen mit Billy Graham von Alkohol und Tabak ab.
Der frühere US-Präsident George W. Bush (li.) wandte sich nach Gesprächen mit Billy Graham von Alkohol und Tabak ab. © REUTERS | CHRIS KEANE

Graham, 1918 geboren, begann seine Karriere als Vertreter für Haushaltswaren, bevor er im Alter von 30 Jahren sein Talent für die Bekehrung anderer entdeckte. Eine eigene Kirche hatte er nie. Auch predigte er nie im Namen einer bestimmten Religion.

Das brachte ihm Titel wie „Chefmasseur der Seelen“ und „Pastor der Nation“ ein. Letzteres kam von George W. Bush, der Graham einen radikalen Lebenswandel verdankt. Bis 1985 war der Texaner Alkohol und Tabak zugetan. Eine Begegnung mit Graham am Sommersitz des Bush-Clans an der Küste von Maine machte den späteren Präsidenten zum Abstinenzler. Kein wirklicher Zufall.

Graham war Ratgeber vieler US-Präsidenten

Seit Harry Truman, der Graham einst einen „Heuchler“ schimpfte, war der patriotische Seelenhirte bis Barack Obama für alle amerikanischen Präsidenten der jüngeren Vergangenheit ein gefragter spiritueller Ratgeber und Trostspender. Trotz seiner demokratischen Parteizugehörigkeit.

Billy Graham im Jahr 1955.
Billy Graham im Jahr 1955. © Bob Haswell

Richard Nixon erwog sogar, Graham als US-Botschafter nach Israel zu schicken. Was im Rückblick seltsam klingt. 2002 kamen Details einer vertraulichen Begegnung mit Nixon im Oval Office ans Tageslicht. Darin beklagte Graham, der sich später dafür mehrfach entschuldigte, die machtvolle Rolle der Juden in Amerikas Politik und Medien.

Anders als viele Promis in der amerikanischen Evangelisten-Szene vermied Graham es bis zu seinem krankheitsbedingten Rückzug aus der Öffentlichkeit, als Fundamentalist eingestuft zu werden. „Ich will den Glauben nicht mit Brachialgewalt verbreiten“, sagte er oft. Und blieb dem fragwürdigen Doppelleben von Leuten wie Jim Swaggart und Jim Bakker fern, die fleischlichen Verlockungen und dem großen Geld nicht widerstehen konnten.

Graham verbreitete den Glauben in fast 190 Ländern

Graham begnügte sich mit einem selbst zugestandenen Jahresgehalt von 100.000 Dollar. Obwohl sein Imperium durch Bücher, Videos, Filmen und Spenden in manchen Jahren über 100 Millionen Dollar Umsatz machte.

Als Graham zur Hochzeit des Kalten Krieges in den 50er Jahren ins Rampenlicht trat, wurde er schnell zur Leitfigur eines gottesfürchtigen Amerika. Sein damals militärischer Redestil brachte ihm das Etikett „Maschinengewehr Gottes“ ein. Später, auf seinen über 400 Glaubens-Kreuzzügen in fast 190 Ländern, wurde er leiser und weicher.

Noch 2013 beklagte Graham in seinem Buch „Der Grund für meine Hoffnung: Erlösung“, die zunehmende Verbannung Gottes aus dem Alltagsleben. Billy Graham, seit 2007 Witwer gewesen, hinterlässt zwei Söhne, drei Töchter, 19 Enkelkinder, etliche Urenkel und eine Schwester.

Präsident Donald Trump kondolierte per Twitter: „Keiner war wie er! Christen und alle Religionen werden ihn vermissen. Ein ganz besonderer Mann.“