St. Moritz. Wegen der Preise kommen immer weniger Touristen nach St. Moritz. Auch das traditionelle Pferderennen „White Turf“ steht in der Kritik.
Zur Winterfrische landete der Erfinder des Jetsets, Gunter Sachs, stets mit Propellermaschine in St.-Moritz-Dorf, im sonnigen Engadin, da wo er in den frühen 70ern mit den Superreichen, Pelzgekleideten ausgelassen den Champagner spritzen ließ. Doch dort, wo einst der Wintertourismus in der Schweiz mit seinen Luxushotels entstand, sorgen sich nun die Tourismusbosse.
Astronomische Mieten haben dafür gesorgt, dass die Gästezahl in den Keller geht. Nicht nur das: Seitdem im letzten Jahr beim traditionellen „White Turf“ ein Pferd zu Tode kam, geben Tierschützer im Dorf den Ton an. Kein gutes Klima für einen Ort, an dem Frauen immer noch gerne Pelzmäntel tragen.
Pferde stürzten beim White Turf 2017 übereinander
Dabei sollte das bei Touristen so beliebte Pferderennen auf dem zugefrorenen St. Moritzsee, das an diesem Wochenende wieder stattfindet, den alten Glanz beschwören und neue Gäste werben. Doch die Verantwortlichen vor Ort wissen, dass vielen noch immer das Drama von 2017 vor Augen steht, als der in Führung liegende Wallach Holidayend plötzlich stürzte und eine Kettenreaktion auslöste. Hinter Holidayend gingen zwei weitere Pferde zu Boden. Das Rennpferd Boomerang Bob verletzte sich dabei so schwer, dass es von einem Tierarzt noch auf der Rennstrecke eingeschläfert werden musste.
Seitdem wird der Sinn solcher Rennen auf vereistem Grund kontrovers diskutiert. „Meiner Meinung nach sind solche Rennen auf dem Eis völlig daneben“, sagte Tina Gartmann, Präsidentin des Tierschutzvereins Graubünden im Schweizer Fernsehen. Man habe nun gesehen, dass etwas geschehen kann. Und deshalb soll man sich diesem Risiko nicht mehr aussetzen und keine Rennen auf einem gefrorenen See abhalten.
„White Turf“: Pferderennen St. Moritz
Hoteliers können immer weniger Gäste begrüßen
Der Luxusort kann nicht mehr an alte Zeiten anschließen – und das bereits seit Längerem. Fast ein Drittel der Logiernächte haben die Hoteliers in den letzten zehn Jahren eingebüßt. Die Wintersaison 2015/2016 schloss mit einem Minus an Hotelübernachtungen um 5,3 Prozent ab. Tausend Betten gingen laut Tourismussprecher Roberto Rivola in den vergangenen Jahren verloren. Das liege an Hotelschließungen, weil die Inhaber sie nicht weiterführen wollten oder Investitionen nicht durchgeführt werden konnten. Ausbleibende Gäste zahlen nicht. Und von der High Society sei nicht mehr viel übrig, so Tourismusbeobachter.
Rolf Sachs (61), Künstler und Sohn des berühmten Vaters, sagt: „St. Moritz wird oft als Protzort dargestellt, das ärgert mich.“ Das wunderschöne Tal, die tolle Luft, das seien die eigentlichen Werte. Sachs lebt zeitweise in St. Moritz und setzt sich für neue Impulse ein. „Wir müssen mehr junge Leute anziehen, Gäste aus China, Südamerika und Indien“, sagt er.
Tourismuschef Rivola sagt, dass in der Tat mehr Chinesen kämen – aber bei Weitem würden sie das Fehlen der deutschen und italienischen Gäste nicht kompensieren können.
Eine Tasse Kaffee kostet in St. Moritz acht Euro
St. Moritz ist eine Frage des Preises. Ferienwohnungen oder Hotels in St.-Moritz-Dorf beginnen bei 200 Euro die Nacht – und ziehen dann steil aufwärts. Die Tasse Kaffee in einem Restaurant umgerechnet acht Euro, die Tee-Zeit im noblen „Badrutt’s Palace“ startet ab umgerechnet 50 Euro pro Person.
Auch die Ladenmieten bewegen sich in schwindelerregenden Höhen: Bis zu 2000 Franken (rund 1800 Euro) werden im Engadiner Ferienort für den Quadratmeter im Jahr verlangt – oder um die 16.000 Franken (rund 15.000 Euro) im Monat für ein Lokal von 100 Quadratmetern. Das sei mindestens doppelt so viel wie im benachbarten Pontresina, sagen die St. Moritzer Händler.
Zum Vergleich: Im Zürcher Niederdorf gelten Quadratmeterpreise von 700 Franken (rund 640 Euro) als hoch. Die Mietpreise in St. Moritz stammen noch aus Zeiten, als dort der Luxustourismus brummte und die Nachfrage nach Ladenlokalen größer als das Angebot war. Diese Zeiten sind vorbei. Der Ort muss sich neu erfinden, sagt auch der Schweizer Experte für Besucherattraktionen Otto Steiner.
Mit Drohnen für die Sicherheit der Pferde
Konsequenzen – zumindest aus dem tragischen Pferdeunfall der Vorsaison – haben die Organisatoren des „White Turf“ in diesem Jahr gezogen. So kommt auch an diesem Wochenende vor dem finalen Pferderennen eine Drohne mit einer Wärmebildkamera zum Einsatz. Man hofft laut Veranstalter, frühzeitig Stellen zu erkennen, an denen Wasser zwischen Eis und Schnee aufgestiegen ist und sich Risse bilden können. „Wir arbeiten mit verschiedenen Wissenschaftlern zusammen“, erklärt Gemeinderat Markus Berweger.
Alles für den Traditionserhalt in einem der teuersten Orte der Welt, der weiter dazugehören möchte.