München. Sie war die Grande Dame der Liberalen und warnte früh vor rechtspopulistischer Stimmung. Nun ist Hildegard Hamm-Brücher gestorben.

Am 11. Mai 2016 beging die langjährige FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher noch ihren 95. Geburtstag. Nun ist die große liberale Politikerin gestorben. Wir wiederholen aus diesem Anlass einen Text anlässlich ihres letzten Geburtstags in leicht geänderter Form.

Nein, feiern wollte Hildegard Hamm-Brücher diesen Tag nicht mehr. Sie mache „Anti-Geburtstagsrummel-Urlaub“, wie sie sagt. Ihren 95. Ehrentag wollte sie nicht daheim verbringen.

Zuletzt war es Hamm-Brücher gesundheitlich nicht mehr gut gegangen. Zwei Oberschenkelhalsbrüche hatte sie hinter sich, Gedächtnislücken und Gleichgewichtsstörungen plagten sie. Die Politik verfolgte sie dennoch mit großem Interesse. Und ihre Haltung hatte sie bis zum Ende nicht verloren.

Früh kritisierte sie die AfD

So stand Hamm-Brücher der Islamkritik der rechtspopulistischen AfD ablehnend gegenüber. Und sie warnte: Für Tendenzen kurz vor „echtem Nazismus“ bestehe in Deutschland großes Potenzial. Das Erbe des Nationalsozialismus sei nicht gebannt. „Im Grunde kann man fürchten, dass da eine ganze Menge nachgewachsen ist.“

Was dagegen hilft? „Junge Menschen müssen Demokratie erleben können. Das ist alles zu kurz gekommen.“ Dazu müssten aktive Politiker mit gutem Beispiel vorangehen und dafür sorgen, dass die Erinnerung an Adolf Hitlers Terror-Herrschaft nicht schwinde.

Hamm-Brücher gehörte einer Politikergeneration an, die es heute kaum noch gibt. Geboren wurde sie 1921 in Essen, aufgewachsen ist sie in Berlin. Mit zehn Jahren verliert sie die Eltern, lebt bei der Oma in Dresden. Mit 15 erfährt die preußische Protestantin, dass sie nach den Rassegesetzen der Nazis „Halbjüdin“ ist. Sie wechselt auf das Internat Schloss Salem am Bodensee, macht in Konstanz Abitur.

Hamm-Brücher schlug sich 1982 auf die Seite Helmut Schmidts

„Das kriegt man nicht mehr aus dem Kopf und aus dem Herzen, wie die Deutschen waren. Sie waren grässlich“, sagte sie über die NS-Zeit. Der Kampf für Freiheit und Demokratie sollte ihr ganzes Leben prägen.

1948 zieht die promovierte Chemikerin für die FDP in den Münchner Stadtrat ein. Über Jahrzehnte prägt sie die Politik der Liberalen, als Bundestagsabgeordnete und Staatsministerin im Auswärtigen Amt unter Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Doch die Krönung ihrer Laufbahn bleibt ihr versagt. Hamm-Brücher kandidiert 1994 für das Bundespräsidentenamt. Im dritten Wahlgang opfert ihre Partei sie dem Koalitionskalkül – Staatsoberhaupt wird Roman Herzog von der CDU.

Haltung zeigt Hamm-Brücher in ihrer Politikerinnenkarriere immer wieder, so zum Beispiel, als sich die FDP 1982 auf die Seite der Union schlägt, so dass Helmut Kohl (CDU) nach einem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Schmidt (SPD) als Kanzler ablösen kann. Sie gehört zu jenen FDP-Abgeordneten, die nicht mitmachen.

Parteiaustritt wegen antiisraelischer Aussagen Möllemanns

Oder, als sie nach 50 Jahren in der FDP 2002 ihr Parteibuch abgibt – wegen antiisraelischer Äußerungen des damaligen Parteivizes Jürgen Möllemann.

Die FDP im Jahr 2016 – war das wieder ihre Partei? „Nein, das kann ich noch nicht sagen.“ Zuerst müsse sich die Partei „ein bisschen bewähren“. Zudem fehlten konkrete politische Vorschläge, fand Hamm-Brücher im Frühjahr diesen Jahres. Parteichef Christian Lindner kannte sie nicht persönlich, schätzte ihn jedoch. Zwei Briefe habe er ihr geschrieben.

„Mein Leben hatte nichts zu wünschen übrig“

Mehr noch schätzte Hamm-Brücher aber einen, den sie „Hoffnungsträger“ nannte: Winfried Kretschmann, den Grünen-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der bald eine grün-schwarze Koalition anführen sollte. „Wenn der in ein paar Wochen die alten Streithammel zu einer Koalition zusammenkriegt, dann wird Baden-Württemberg vernünftig regiert, da bin ich mir sicher.“

Hildegard Hamm-Brüchers Lebensbilanz? „Mein Leben hatte nichts zu wünschen übrig.“

(dpa/aba)