Calais. Der „Dschungel von Calais“ wurde abgerissen. Dennoch sind noch immer Dutzende Migranten vor Ort. Darunter auch viele Minderjährige.

In der Nähe des abgebrannten Flüchtlingslagers von Calais haben sich erneut Migranten versammelt. Darunter seien viele Jugendliche, berichteten Augenzeugen am Donnerstag. Nachdem Hütten und Zelte am Mittwoch in Flammen aufgegangen waren, hatte die Präfektin des Départements Pas-de-Calais, Fabienne Buccio, Frankreichs größte Slum-Siedlung am Mittwoch offiziell für leer erklärt.

Präfektin: Räumung in Calais beendet

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    Der französische Nachrichtensender BFMTV berichtete mit Verweis auf Hilfsorganisationen, dass rund 2000 Menschen nicht den vom Staat vorgezeichneten Weg einer Verlegung in andere französischen Regionen einschlugen. Stattdessen wollten sie in Calais oder Umgebung bleiben. Viele Flüchtlinge waren in die Hafenstadt am Ärmelkanal gekommen, um das nahegelegene Großbritannien zu erreichen.

    Minderjährige sind weiterhin im Camp

    „Die Menschen, die da sind, sind nicht die Menschen, die in dem Camp gelebt haben“, sagte Buccio mit Blick auf die unmittelbare Umgebung des niedergebrannten Lagers. Augenzeugen bot sich ein anderes Bild: Eine dpa-Reporterin sprach mit mehreren Jugendlichen, die nach eigenen Angaben mehrere Monate lang im sogenannten Dschungel verbrachten. Sie ließen sich bisher nicht für eine Aufnahme registrieren.

    Die Hilfsorganisation Save the Children Deutschland teilte mit, Dutzende Mädchen und Jungen hätten nach dem Brand unter freiem Himmel, unter Brücken oder im verlassenen Camp übernachtet, weil ihnen sichere Schlafplätze verwehrt wurden.

    Für unbegleitete Minderjährige gibt es spezielle Regeln, nach denen sie einfacher Asyl in Großbritannien bekommen können. Wer altersmäßig für dieses Verfahren in Betracht kommt, entschieden die Behörden vor Ort aber nur mit einem Gesichtscheck, wie Hilfsorganisationen kritisierten.

    Brände im Flüchtlingslager von Calais

    Erneut sind Brände im Flüchtlingslager von Calais ausgebrochen. Offenbar sind explodierte Gasflaschen die Ursache.
    Erneut sind Brände im Flüchtlingslager von Calais ausgebrochen. Offenbar sind explodierte Gasflaschen die Ursache. © Getty Images | Christopher Furlong
    Über dem Lager stiegen Rauchwolken auf.
    Über dem Lager stiegen Rauchwolken auf. © dpa | Etienne Laurent
    Freiwillige Helfer und Feuerwehrleute versuchen die Brände in dem Camp zu löschen, das seit Montag geräumt wird.
    Freiwillige Helfer und Feuerwehrleute versuchen die Brände in dem Camp zu löschen, das seit Montag geräumt wird. © dpa | Etienne Laurent
    Knapp zwei Drittel der Bewohner verließen bisher freiwillig das Elendslager. Viele Zelte und Behelfsunterkünfte stehen bereits leer.
    Knapp zwei Drittel der Bewohner verließen bisher freiwillig das Elendslager. Viele Zelte und Behelfsunterkünfte stehen bereits leer. © Getty Images | Christopher Furlong
    Bereits Mittwochnacht waren leere Hütten in Flammen aufgegangen.
    Bereits Mittwochnacht waren leere Hütten in Flammen aufgegangen. © Getty Images | Christopher Furlong
    Ein Flüchtling wurde leicht verletzt, wie der Radiosender France Inter berichtete.
    Ein Flüchtling wurde leicht verletzt, wie der Radiosender France Inter berichtete. © REUTERS | PHILIPPE WOJAZER
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    Bis zu 10.000 Flüchtlinge sollen im Camp gelebt haben

    Buccio sagte, seit Wochenbeginn seien 6000 Menschen in sichere Unterkünfte gebracht worden. Sie habe keine Kenntnis von neuen Flüchtlingscamps in Calais oder in der Umgebung. Vor der Räumung hatte der „Dschungel“ nach offiziellen Angaben 6500 Bewohner. Hilfsorganisationen sprachen hingegen von bis zu 10.000 Menschen in dem Elendslager.

    Flüchtlinge, die versuchten, in das Camp mit vielen verbrannten Hütten und Zelten zu gelangen, wurden von Polizisten in schwerer Schutzkleidung zurückgedrängt. Rund um das Gelände standen Polizeiwagen. Die Reste des Lagers sollen bis Montagabend abgebrochen werden. Dazu werden auch Bulldozer eingesetzt.

    Flüchtlingslager in Calais wird geräumt

    Frankreich hat das Flüchtlingslager in Calais aufgelöst. Die Migranten werden auf Aufnahmezentren im ganzen Land verteilt. Am Mittwoch verließen mehr als 1600 Minderjährige das Lager.
    Frankreich hat das Flüchtlingslager in Calais aufgelöst. Die Migranten werden auf Aufnahmezentren im ganzen Land verteilt. Am Mittwoch verließen mehr als 1600 Minderjährige das Lager. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Die erwachsenen Flüchtlinge hatten vor den Jugendlichen das Lager verlassen.
    Die erwachsenen Flüchtlinge hatten vor den Jugendlichen das Lager verlassen. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Ein Notizbuch, das mit englischen Personalpronomen und der entsprechenden arabischen Übersetzung beschrieben ist, wurde im Lager zurückgelassen. Viele Migranten wollen von Calais aus weiter nach Großbritannien.
    Ein Notizbuch, das mit englischen Personalpronomen und der entsprechenden arabischen Übersetzung beschrieben ist, wurde im Lager zurückgelassen. Viele Migranten wollen von Calais aus weiter nach Großbritannien. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Ein Bulldozer reißt die zum Teil selbstgebauten Hütten der Migranten weg.
    Ein Bulldozer reißt die zum Teil selbstgebauten Hütten der Migranten weg. © REUTERS | PASCAL ROSSIGNOL
    Seit der Räumung ist die Zahl der Zelte, in denen Flüchtlinge leben, im etwa 700 Kilometer von Calais entfernten Paris wieder stark angestiegen.
    Seit der Räumung ist die Zahl der Zelte, in denen Flüchtlinge leben, im etwa 700 Kilometer von Calais entfernten Paris wieder stark angestiegen. © dpa | Ian Langsdon
    Die Räumung des sogenannten Dschungel von Calais hatte am 24. Oktober begonnen.
    Die Räumung des sogenannten Dschungel von Calais hatte am 24. Oktober begonnen. © REUTERS | NEIL HALL
    Zum Auftakt der Räumung hatten über 2000 Menschen das Camp freiwillig verlassen.
    Zum Auftakt der Räumung hatten über 2000 Menschen das Camp freiwillig verlassen. © dpa | Etienne Laurent
    Zuletzt lebten im „Dschungel“ nach Behördenangaben etwa 6500 Menschen.
    Zuletzt lebten im „Dschungel“ nach Behördenangaben etwa 6500 Menschen. © dpa | Thibault Vandermersch
    Die meisten kommen aus Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Eritrea und dem Sudan.
    Die meisten kommen aus Ländern wie Afghanistan, Äthiopien, Eritrea und dem Sudan. © Getty Images | Christopher Furlong
    Calais ist eine Stadt im Norden Frankreichs. Sie liegt direkt am Ärmelkanal, einem breiten Meeresarm zwischen Atlantik und Nordsee.
    Calais ist eine Stadt im Norden Frankreichs. Sie liegt direkt am Ärmelkanal, einem breiten Meeresarm zwischen Atlantik und Nordsee. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH
    Das Lager bestand aus Zelten, Hütten und Containern, mitten in einem Industriegebiet zwischen Chemie-Fabriken.
    Das Lager bestand aus Zelten, Hütten und Containern, mitten in einem Industriegebiet zwischen Chemie-Fabriken. © dpa | Etienne Laurent
    Immer wieder kam es im Camp zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und Polizei.
    Immer wieder kam es im Camp zu Zusammenstößen zwischen Flüchtlingen und Polizei. © dpa | Etienne Laurent
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    Räumung wirkt sich auf Paris aus

    Die Auswirkungen der Räumung sind auch in der französischen Hauptstadt zu spüren. In Paris leben immer mehr Flüchtlinge auf der Straße. In den vergangenen zwei Tagen sei die Zahl um ein Drittel gestiegen, sagte die Mitarbeiterin einer Hilfsorganisation dem Sender BFMTV. Mittlerweile schliefen etwa 3000 Menschen in Zelten und auf Matratzen auf dem Bürgersteig.

    Nach Angaben des Pariser Rathauses leben etwa 1000 Flüchtlinge im Nordosten der Stadt auf der Straße. Bereits vor der Räumung in Calais seien 50 bis 70 Migranten pro Tag in Paris angekommen. Geplant ist die Eröffnung eines temporären Aufnahmezentrums, um die Situation zu entspannen. (dpa)