Mendig. Das ist das Ende: „Rock am Ring“ wurde die Genehmigung für die Fortsetzung entzogen. Die Festivalbesucher müssen bis mittags abreisen.

Der große Traum der Rockfans in der Eifel geht doch noch in Erfüllung: Zehntausende von Armpaaren recken sich den „Red Hot Chili Peppers“ entgegen. Bald danach macht die Nachricht vom vorzeitigen Abbruch des Festivals „Rock am Ring“ die Runde. Zu gefährlich klingen die Unwetterwarnungen für Sonntag. Niemand will noch einmal eine Situation wie am Freitagabend riskieren, als Blitze auf dem Gelände des Flugplatzes Mendig einschlagen und über 71 Menschen verletzt werden.

„Vielleicht geht ja noch ein Vulkan hoch“, spottet der 25-jährige Student Robin beim Blick auf die Kuppen der Vulkaneifel. Es ist dann tatsächlich die „Volcano“-Bühne, die am Samstagabend den explosiven Höhepunkt des Festivals erlebt: zuerst mit dem erstaunlich lyrischen Sound der kalifornischen Nu-Metal-Pioniere „Deftones“, dann mit den „Red Hot Chili Peppers“, die ihr Publikum einschließlich zweier Zugaben mit 15 Songs begeistern, darunter das hymnische Klagelied „Dani California“. Die Stimmung steckt an, Bassist Michael „Flea“ Balzary lässt sich zu einer Handstand-Einlage inspirieren.

Die Euphorie kennt keine Grenzen. Crowdsurfer lassen sich über die Köpfe der Menge schieben, ein Bengalo wird gezündet, alle weichen zur Seite und werden in rotes Licht getaucht. Ja, das ist verboten, aber es geht trotzdem besonnen zu in der „Rock am Ring“-Gemeinde. „So ein wundervolles Erlebnis“, ruft die 19-jährige Lisa aus Paderborn auf den Schultern ihres Freundes und küsst ihre ebenfalls in den Hochsitz genommene Freundin.

Wetterlage zwingt zum Abbruch

Da haben sich andere schon auf den Heimweg gemacht. „Wir wollen nach Hause, weil es keinen Sinn und keinen Bock mehr macht hierzubleiben“, sagt der 27-jährige Außendienstvertreter Tobias. „Nach dem zweiten Unwetter war uns klar, dass wir heimfahren.“ Yasmin hingegen macht Party, „weil wir alles haben, um eine gute Zeit zu erleben“. Mit ihren Freunden tanzt sie auf den verschlammten Wegen des Campinggeländes, Musik haben sie selbst dabei.

In mehr als 30 Jahren „Rock am Ring“ hatte Konzertveranstalter Marek Lieberberg das noch nie erlebt: Die katastrophale Wetterlage zwingt ihn zunächst zu einer siebenstündigen Unterbrechung des Spektakels am Samstag, dann zum vorzeitigen Abbruch. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD), der nach den Blitzeinschlägen nach Mendig geeilt war, sagte: „Ich weiß, mit welcher Freude die Besucher hier dabei sind und wie viel ihnen das Festival bedeutet.“ Aber die Sicherheit gehe vor.

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Starkregen zerstörte viele Zelte

Es passierte am Freitagabend beim Auftritt des Comedy-Rocker-Duos „Tenacious D“: Mit dem nahenden Unwetter wurden die Besucher über Lautsprecher aufgerufen, von Metallzäunen zurückzutreten und ihre Zelte aufzusuchen. „Es kam ganz plötzlich, so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Dani. Blitze schlagen ein und verletzen junge Besucher, Krankenwagen brausen heran, Blaulicht zuckt durch die Nacht, ein Rettungshubschrauber landet.

Der Starkregen zerstört auch viele Zelte. Die Rockfans bergen ihre Schlafsäcke und Grills, helfen sich gegenseitig und trösten sich mit in Planschbecken gekühltem Bier. Und sie tanzen – in Gummistiefeln oder barfuß, in kurzen Hosen und Regenjacken. Die Wiesen sind völlig verschlammt, die Füße sinken knöcheltief in den Morast ein, manche Pfützen sind groß wie Teiche.

Ein Wunder: Zweites Unwetter zieht vorbei

Gähnende Leere herrscht am Samstagnachmittag im abgesperrten Bereich vor den Bühnen. Ein zweites Gewitter bricht über das Gelände herein, für kurze Zeit ist der Strom weg. Als Tobias schon unterwegs ist, gibt es erneut Lautsprecherdurchsagen mit der Aufforderung, sich in die Zelte zu begeben. Aber dann geschieht ein kleines Wunder. Das weitere Unwetter zieht vorbei. Die Lautsprecherboxen vor den Bühnen werden hochgehievt, und die Security-Leute geben die Eingänge frei. Zehntausende strömen vor die beiden Bühnen.

Die beiden letzten Bands, die das Festival vorzeitig beenden, gehen auf das Unwetter ein. Benjamin Kowalewicz, Sänger des kanadischen Rock-Quartetts „Billy Talent“, widmet einen Song den Verletzten des Blitzeinschlags. Und die weit nach Mitternacht auftretende Berliner Country-Rock-Band „The BossHoss“ bekundet den im Schlamm stehenden Besuchern ihren Respekt: „Was habt ihr alle durchgemacht, und trotzdem seid ihr noch hier!“

Am Morgen danach hat eine bleierne Stille den „Rock am Ring“ ergriffen. Bei diesigem Wetter packen die Rockfans ihre Rucksäcke, stellen sich an den Haltestellen für die Busse nach Koblenz an. Lisa will nächstes Jahr wiederkommen, dann zum fünften Mal: „Egal ob Regen, Hagel, Sonnenbrand – „Rock am Ring“ forever!“ (dpa)