Berlin. In einer TV-Serie schildern Frauen massiven Missbrauch durch R&B-Sänger R. Kelly. Es hat lange gedauert, bis die Opfer Gehör fanden.

Der unangenehme Besuch, den R. Kelly am Wochenende bekam, zeigt, dass etwas passiert – endlich. Seine Folgenlosigkeit zeigt aber auch, wie komplex der Fall ist und wie schwierig seine juristische Aufarbeitung wird.

Eine Gruppe von Polizisten hat das Penthouse des R&B-Superstars („I Believe I Can Fly“, 50 Millionen verkaufte Alben) im Trump Tower in Chicago durchsucht.

Jemand hatte den Hinweis gegeben, der 52-Jährige halte dort zwei junge Frauen gegen ihren Willen fest. Tatsächlich fanden die Beamten in der Wohnung zwei Frauen vor. Doch die behaupteten, freiwillig bei dem Sänger zu sein. Die Polizisten mussten wieder abziehen.

Immer wieder gab es Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs

Dabei hatten die Eltern genau jener zwei Frauen in der TV-Doku-Serie „Surviving R. Kelly“ beteuert, ihre Töchter seien von dem Musiker einer Gehirnwäsche unterzogen worden.

Die Serie, die der Sender „Lifetime“ bis zur vergangenen Woche ausgestrahlt hatte, hat geschafft, was der Justiz in den letzten 25 Jahren nicht gelungen war: Es wird eng für Kelly.

Immer wieder hatte es massive Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs gegen ihn gegeben, seit er 1994 die damals 15-jährige Sängerin Aaliyah heiratete – eine Ehe, die später annulliert wurde.

Schon in seiner Jugend soll er sich eine Art Harem gehalten haben

Die Interviews in der Doku sind verstörend. Tränenreich berichten Frauen von Misshandlungen; Scham und Ekel stehen ihnen im Gesicht.

Kelly soll sie teilweise schon als Teenager in eine Art Harem aufgenommen haben, sie in entlegenen Anwesen festgehalten haben, ihnen verboten haben, zu telefonieren oder ohne Erlaubnis auch nur auf die Toilette zu gehen, und sie immer wieder zum Sex gezwungen haben.

Seine Ex-Frau berichtet von jahrelangen Misshandlungen

„Er nutzte sein Talent, um uns zu erbeuten“, beschreibt es Asante McGee – denn Kelly habe ihnen Karrieren versprochen, um sie dann als Gefangene zu halten: „Er hat mir verboten, das Schlafzimmer zu verlassen.“

Auch seine Ex-Frau Andrea Kelly kommt zu Wort, berichtet von jahrelangen Misshandlungen: „Er fesselte meine Hände am Rücken. So musste ich nachts schlafen.“

Außergerichtliche Einigung bei vier Gerichtsverfahren

Vier Gerichtsverfahren wegen Sex mit minderjährigen Mädchen legte Kelly im Laufe der Jahre außergerichtlich bei. Ein Video, das ihn mit einer 14-Jährigen zeigt, wurde ihm ebenfalls nicht zum Verhängnis.

Kellys Karriere ging unbeschadet weiter. Jetzt diskutieren Zeitungen wie die „Washington Post“ die Frage, ob den Frauen deswegen nicht geglaubt wurde, weil sie schwarz und arm waren.

„Lasst R. Kelly verstummen“, fordern Demonstranten in dessen Heimatstadt Chicago.
„Lasst R. Kelly verstummen“, fordern Demonstranten in dessen Heimatstadt Chicago. © Reuters | Joshua LOTT

Anwältin: R. Kelly wollte Opfer zum Schweigen bringen

Inzwischen ermitteln auch Staatsanwaltschaften verschiedener US-Bundesstaaten gegen Kelly, der die Vorwürfe bestreitet. Erste Streamingdienste streichen seine Songs aus Musiklisten. „Lasst R. Kelly verstummen“, fordern Demonstranten.

Die prominente Anwältin Gloria Allred erklärte am Montag in New York, Kelly habe eines seiner mutmaßlichen Missbrauchsopfer bedroht, um die Klage der Frau gegen ihn abzuwenden. Sie vertritt derzeit drei Frauen, die Kelly sexuellen oder andere Formen von Missbrauch vorwerfen. „Er kann und wird seine mutmaßlichen Opfer nicht einschüchtern“, sagte Allred.

Kelly soll gedroht haben, private Fotos hochzuladen

Klägerin ist die 21 Jahre alte Faith Rodgers, die den Musiker im Alter von 19 Jahren kennenlernte. Allred zufolge drohte Kelly im Fall einer Klage, Details aus ihrem Sexleben öffentlich zu machen. Er habe auch private Fotos von ihr im Internet hochgeladen.

Zuvor war eine Facebook-Seite aufgetaucht, auf der Kellys Kritiker angegriffen wurden. Die Seite wurde nach wenigen Stunden wegen Verstößen gegen die Richtlinien des sozialen Netzwerks wieder gelöscht.

Anwältin vergleicht R. Kelly mit Donald Trump

„Es scheint, als schaue Herr Kelly sich die Spielzüge von Donald Trump ab, der denjenigen Frauen mit Klagen drohte, die im Wahlkampf über sein Verhalten ihnen gegenüber gesprochen hatten“, sagte Allred. Diese „widerliche Taktik“ werde nicht funktionieren.

Zusätzlich zu ihrer Zivilklage in New York soll Rodgers auch von der Polizei befragt werden. Erst wenn alle Beweise gesammelt sind, dürfte die Staatsanwaltschaft über eine mögliche Klage gegen den 52-jährigen Sänger entscheiden. Rodgers Mutter rief mutmaßliche Opfer Kellys auf, sich zu melden. „Ihr seid nicht allein und eure Stimme zählt. Zusammen sind wir stärker.“