Essen. Marius Müller-Westernhagen ist schon in jungen Jahren zum Star geworden. Er hat sich immer neu erfunden und zahlreiche Rollen gespielt.

Udo Lindenberg war cooler, Grönemeyer herzlicher, Peter Maffay kumpelhafter. Vielleicht blieb Marius Müller-Westernhagen deshalb in der Herrengarde des Deutschpopgesangs eine Zeitlang nichts anderes übrig als die Rolle des ewigen Springinsfeld, der sich im Laufe der Jahre zum gut aussehenden Rocker mit eisernem Stilwillen wandelte.

Was ausgerechnet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ auf die griffige Wendung vom „Armani-Rocker“ brachte – ein Etikett, das ihm bis heute anhaftet.

Die längste Zeit seiner nun schon über fünf Jahrzehnte währenden Karriere war Müller-Westernhagen tatsächlich immer dann am besten, wenn er Rollen spielte, vor der Kamera wie auf der Konzertbühne.

Doch in diesem Jahr, in dem der Nikolaustag seinen 70. Geburtstag bringt, da hat der Sänger mit dem leicht nölenden Oberton und der kraftkehligen Bauchstimme bewiesen, welches Format er inzwischen erreicht hat: Es war Marius Müller-Westernhagen, der mit der Rückgabe all seiner sieben Echos das Ende eines Preises bewirkt hat, mit dem sich die milliardenschwere Musikindustrie selbst zu feiern und im Glanz ihrer Künstler zu sonnen pflegte.

Westernhagen spielte Kleinganoven und Luden

Das ewige Rollenspiel, wie sollte es einer denn auch vermeiden, dessen Vorname aus einem Theaterstück stammt, in dem sein Vater Hans Müller-Westernhagen unter Gustaf Gründgens am Düsseldorfer Schauspielhaus brillierte. Als der Vater sich mit 44 Jahren zu Tode soff, hatte Marius gerade seine erste Fernsehrolle gespielt.

Ein väterliches Telegramm mit den Worten „Demut und Bescheidenheit“ hat Marius Müller-Westernhagen ewig aufbewahrt – indes ohne sich auch nur eine Sekunde daran zu halten. So konnte ausgerechnet er als Düsseldorfer zum schnoddermäuligen Kleinganoven Theo Gromberg mutieren, der es von Herne aus gegen den Rest der Welt aufnehmen sollte – nachdem er in „Aufforderung zum Tanz“ schon an der Seite der jungen Gudrun Landgrebe einen hochkomischen „Theo“ abgeliefert hatte.

So konnte er, der schon als junger Popstar mit dem Joggen begann und nie rauchte, als geldgeiler Lude „Oh Margarete, gib mir die Knete“ fordern; und als Spargeltarzan, der als schmächtiger Bubi doppelt trainieren musste, um beim Fußball akzeptiert zu werden, eine Vollversammlung aller Vorurteile über Dicke aus sich herausschreien.

„Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ machte ihn zum Rockstar

„Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz“ war das Album, das ihn 1978 mit einem Schlag zum Rockstar machte – und auf Dauer vor die Wahl stellte, Erfolge auf der Leinwand oder in Konzerthallen einzusammeln. 1987 spielte er seine letzte Filmrolle in Hans-Christoph Blumenbergs „Madonna-Mann“.

Auch wenn er nach dem Mega-Erfolg des „Pfefferminz“-Albums fast ein Jahrzehnt lang kämpfen musste, um mit „Westernhagen“ daran anzuschließen: Die Entscheidung für die Musik machte Müller-Westernhagen zum Multimillionär, Ende der 80er- und erst recht in den 90er-Jahren uferten seine Tourneen immer weiter aus, bis am Ende nur noch Stadien groß genug waren für den 1,83-Meter-Mann und seine Musik, die im wesentlichen pure, perfekt gemachte Unterhaltung blieb.

Dabei gerieten ihm nicht nur jene grandiosen Songs zu Hits, in denen er beim Singen zu zwinkern scheint und mit Behagen seinem alten Hang zum Rollenspiel nachgeht: „Sexy“, „Rosi“ oder „Willenlos“. Zu Startrampen für die damals noch verbreitete Feuerzeugseligkeit geriet ein Schlager mit dünner Polit-Tünche wie „Freiheit“, der fast so viel Glück zum Mitgrölen bot wie „Weil ich dich liebe“ oder „Wieder hier“.

Glück muss man ihm vielleicht nicht mehr wünschen

Und dass Müller-Westernhagen, wenn nicht gerade in den Charts, dann doch lange Zeit wenigstens in der deutschen Liga der Konzertkartenpreise an der Spitze lag, hat ihm nicht nur Freunde eingebracht. 1999 erklärte er vor 110.000 Menschen in Hamburg, seit Anfang der 70er-Jahre seine Wahl-Heimatstadt, keine Stadion-Tourneen mehr absolvieren zu wollen.

Ohne Applaus scheint aber auch ein Müller-Westernhagen nicht ganz leben zu können, sein 50-jähriges Bühnenjubiläum feierte er vor zwei Jahren mit einem MTV-Unplugged-Album.

Darauf singt die 30 Jahre jüngere Lindiwe Suttle mit ihm das überaus berührende „Luft um zu atmen“ – mit ihr ist der Vater der britischen Popsängerin Sarah Müller-Westernhagen seit 2017 in zweiter Ehe verheiratet; die mit dem Model Romney Williams ging nach fast 25 Jahren auseinander. Glück muss man ihm vielleicht gar nicht mehr wünschen, aber gratulieren kann man Marius Müller-Westernhagen ganz sicher.