Berlin. Im Kino spielt August Zirner mal wieder einen Psychologen. Privat hat er auch schon einen aufgesucht. Und findet, man muss dazu stehen,

August Zirner und die Psycho-Couch, das gehört irgendwie zusammen. Schon zweimal hat der Schauspieler für San­dra Nettelbeck einen Therapeuten gespielt, erstmals in ihrem Erfolgsfilm „Bella Martha“ und dann in „Sergeant Pepper“, aber immer nur als Nebenfigur.

In ihrem dritten gemeinsamen Film „Was uns nicht umbringt“ (aktuell im Kino) darf er die Figur aus „Bella Martha“ nun noch einmal spielen.

Und diesmal dreht sich alles um August Zirner. Der 62-Jährige („Homo Faber“, „Gladbeck“), der als Sohn österreichischer Emigranten in den USA aufwuchs , spricht über Therapien, neurotische Schauspieler und eine Welt, die immer verrückter wird.

Als Therapeut muss man vor allem zuhören. Ist das schwieriger, so was zu spielen?

August Zirner: Schon. Das weiß ich aber erst, seit der Film fertig ist. Danach hatte ich nach Monaten wieder die erste Vorstellung als Nathan der Weise. Da merkte ich plötzlich, dass ich den ganz anders spiele. Ich war erst irritiert, bis mir klar wurde: Ich höre zu! Ich höre besser zu.

Die ersten Drehtage haben wir nur die Therapieszenen gedreht. Also kamen all diese wunderbaren Kollegen zu mir auf die Couch, ich durfte ihnen zusehen bei ihren rollenbedingten Neurosen und war da in einem merkwürdigen Zustand von Glück. Das überträgt sich nicht nur auf meine anderen Rollen, sondern auch auf mich persönlich. Ich rede sonst nämlich leider immer nonstop, wenn man mich nicht unterbricht.

Ach wirklich?

Ich bin eine Quasseltante, zum Leidwesen meiner Familie. Aber der kleine Sprung zum Zuhören ist so simpel. Es ist ein schönes Beiwerk, das gelernt zu haben. Oft wird man ja beschenkt durch eine Arbeit. Und das ist ein absolutes Geschenk.

Alle Ihre Klienten im Film leiden an Schwermut. Das wird ja gern als deutsche Krankheit bezeichnet. Wie sehen Sie das als gebürtiger Amerikaner?

Ach ja, der schwermütige Deutsche, dem der Humor ausgetrieben wurde durch die Nazis. Das stimmt ja alles, da ist dem deutschen Kulturwesen wirklich etwas verloren gegangen, und das muss sich wiederherstellen. Deutscher Humor ist ja oft leider gar nicht komisch. Da ist Heinrich von Kleist entschieden komischer als das, was man heute so in deutschen Komödien zu sehen kriegt. Das rührt meines Erachtens aber gerade daher, dass man versucht, nicht schwermütig zu sein. Man muss sich der Schwermut einfach stellen. Das ist aber nichts genuin Deutsches.

Schauspieler gelten als besonders neurotische Klientel. Würden Sie dem zustimmen?

Aber ja. Wir sind alle ein bisschen neurotisch. Narzissmus gehört notwendigerweise zu dem Beruf dazu. Man muss sich ja ständig mit sich selbst beschäftigen. Wir gieren nach dem Applaus. Und fallen dann in das Loch danach. Wir armen Mimen! Dieses Auf und Ab ist schon extrem.

Nach diversen Woody-Allen-Filmen hat man das Gefühl, Neurosen gehören zum gepflegten Intellektuellen dazu. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Lagen Sie auch schon mal auf der Couch?

Ja. Ich habe mal eine Gesprächstherapie gemacht. Das war vor zehn Jahren, da habe ich gedacht, dass sich etwas in meine Gewohnheiten hineingefressen hat. Das war sehr hilfreich, ich habe sogar eine Familienaufstellung gemacht. Da war ich bei einem Menschen, den ich noch heute ab und zu aufsuche, wenn ich mit einem Pro­blem nicht weiterkomme.

Es ist eben kein Familienmitglied, kein Freund, sondern einer, der neutral und unbefangen zuhören kann. Ich finde, man kann sich durchaus helfen lassen. Und kann auch offen dazu stehen. Ich habe aber nie eine Psychoanalyse gemacht. Ich bin nicht therapiebedürftig oder gar -süchtig. Ein gelegentliches Gespräch hilft.

Wenn man die Nachrichten schaut, hat man das Gefühl, die ganze Welt wird immer verrückter. Ist sie noch therapierbar?

Auf jeden Fall! Nach einer Zeit der Toleranz, Großzügigkeit, Gutmenschlichkeit, vielleicht auch des Zuviels von alldem, machen sich jetzt die bösen Kinder breit. Aber das ist eine Realsatire. Und auch als solche erkennbar. Aber das steht alles unter Beobachtung, es bildet sich auch schon eine Gegenbewegung. Immer mehr Menschen gehen dagegen auf die Straße. Da bin ich ganz optimistisch.