Berlin. Lars Eidinger spielt in „Mackie Messer“ den Dramatiker Bertolt Brecht. Ein Gespräch über die Angst vor der Rolle und Konkurrenzdruck.

Er kommt mit seiner grellen, vom Künstler John Bock entworfenen Jacke, die er gern beim Plattenauflegen trägt, stellt sich auch gleich in den Fensterrahmen des Berliner Sofitel Hotels und zeigt keck Bein. Lars Eidinger (42) fällt gern auf.

Und in diesem Herbst ist er ohnehin gefühlt überall. Im Wochentakt starten Filme wie „Mackie Messer – Der Dreigroschenfilm“, Florian Henckel von Donnersmarcks „Werk ohne Autor“, die Buddy-Komödie „25 km/h“, der Thriller „Abgeschnitten“ und nicht zuletzt die Serie „Babylon Berlin“. In allen spielt er mit.

Herr Eidinger, all diese Filme in den nächsten Wochen. Ist der Herbst ein Lars-Eidinger-Festival?

Lars Eidinger: Die Leute sagen immer: Du machst zu viel, mach mal ein bisschen weniger. Aber das ist doch mein Beruf! Zu jemandem, der auf dem Bau arbeitet, würde man das auch nicht sagen. Ich arbeite einfach gern. Auch, um Geld zu verdienen.

Ich denke jedenfalls nicht in Kriterien wie: „Ich mach mich jetzt rar und damit interessanter.“ Solch karrieristisches Denken liegt mir fern. Dass sich das jetzt so ballt, ist eher Zufall. Die Filme waren mal alle übers Jahr verteilt. Wenn man das als Festspiele sieht, ist es aber interessant zu sehen, welche Bandbreite ich zeigen kann.

Die größte Herausforderung war sicher, Bertolt Brecht zu spielen. Vor den Dreharbeiten haben Sie noch Ihre Bedenken geäußert und gesagt, Sie würden sich vor Angst in die Hosen machen.

Eidinger: Ich wollte nicht an meinem Idol kratzen. Für mich ist Brecht ein Vorbild, der ist mir heilig. Ich habe auch kein Talent zur Imitation, ich kann niemanden nachspielen. Aber darum ging es auch nicht. Sonst hätte mich der Regisseur Joachim A. Lang auch nicht besetzt.

Ich sehe Brecht ja offenkundig gar nicht ähnlich. Aber vielleicht ist es interessant zu sehen, wie ich mich an ihm abarbeite. Und dass einem im Lauf der Arbeit immer mehr Brecht-Ideen zuspielen. „Zeigt, dass Ihr zeigt“, sagte Brecht. Ich hab mir also gesagt, Lars, zeig, dass du ihn zeigst. Das ist der Schlüssel.

Wie war das, als Sie sich das erste Mal als Brecht im Spiegel sahen? Mit der Lederjacke, der Brille und der Zigarre im Mund?

Eidinger: Ehrlich gesagt: schrecklich. Der Ledermantel hat mir gefallen. Der ist ja wie ein Schlüssel. Der hat was von einer Pose, war auch eine Rüstung. Aber wenn man ihn anhat, verschwindet man darin.

Und dann war das auch ein Frauenmantel, die Knöpfe sind andersrum geknöpft. Der war ja so klein, wahrscheinlich hat er seine Größe sonst nie gekriegt. Aber dann wurden mir die Haare raspelkurz geschnitten, die Seiten abrasiert. Ich habe diese Brille aufgesetzt und die Zigarre genommen. Die Kollegen haben schon eine Woche gedreht, als ich ans Set kam. Ich spürte einen totalen Druck, die wollten alle mal sehen, wie der den Brecht spielt.

Die erste Szene war sicher nicht die beste, ich habe danach einiges anders gemacht. Aber wenn man sich äußerlich nähert, dann folgt das Innere. Ich musste nur so schauen wie er. Brecht hat selten den direkten Blick gesucht. Der Blick ist seltsam nach innen gewandt und nach unten, selten konfrontativ.

Sie spielen im Film in einem Spitzen-Ensemble. Mit lauter Stars, die gekonnt gegen den Strich besetzt sind. War das ein einziger Spaß – oder kam es eventuell auch zu einem großen Konkurrenzdruck untereinander?

Eidinger: Konkurrenz? Das wäre eigentlich total normal und die hätten wir auch ausgehalten. Aber das hat nicht stattgefunden. Das war ein sehr lustvolles Zusammentreffen. Joachim Król hat anfangs zugegeben, er habe immer Brecht spielen wollen und er sehe ihm ja auch ähnlich. Aber dann kam er am Ende zu mir und hat mich bestätigt. Ich habe da keinerlei Missgunst gespürt.

Brechts Idee, sich als Kollektiv zu verstehen, dass man Paläste nur gemeinsam und allein nur einsame Hütten erschaffen kann, das ging voll auf. Das ist auch wahnsinnig inspirierend, wenn man als Gruppe funktioniert. Wie ein großer Kopf.