Hamburg. Mit seinen Gags brachte Otto Millionen Menschen zum Lachen. Am Sonntag wird der Komiker 70 Jahre. Eine Begegnung mit dem Ostfriesen.

Vielleicht ist die Erwähnung Udo Lindenbergs doch zu viel. Oder eben genau richtig. Otto Waalkes kann jetzt jedenfalls endlich aufstehen und gehen, wie nur er geht. Na ja, der Otto-Gang ist eher ein Hopsen als ein Gehen, Känguru-Style halt. Dynamisch und beweglich, das will er unbedingt sein. Denn er muss klarstellen: Der alte Rocker-Recke Lindenberg – 72 Jahre ist er alt – mag sich im soundsovielten Frühling befinden.

Aber ist das wirklich so beeindruckend, was der auf der Bühne macht? Immer nur von vorne nach hinten staksen, von links nach rechts? Dabei mit den Armen irgendwie ekstatisch ins Publikum deutend. Oder die Arme einfach nur im Beat schüttelnd. „Da sieht man höchstens, dass er mal Schlagzeuger war“, sagt Otto. Dabei grinst er wie der Schelm, der er ist.

Waalkes und Lindenberg haben in Hamburg zusammengewohnt

Es wird schon nicht böse gemeint sein. Wie denn auch? Waalkes und Lindenberg? Ganz alte Bekannte. Haben in der sogenannten Villa Kunterbunt in Hamburg auch mal zusammengewohnt. Lange her, die wilden Siebziger. Jetzt ist Waalkes, den wir im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe treffen, dort, wo sie die legendäre „Spiegel“-Kantine wieder aufgebaut haben, also selbst schon in seinen Siebzigern.

„Worum soll es eigentlich gehen?“, fragt er zu Beginn des Interviews. Tja, worum soll es wohl gehen? Um Otto, das Phänomen, um den 70. Geburtstag am Sonntag, um mehr als 50 Jahre Dienst auf der Bühne.

Mittelmäßiger Musiker wird zum grandiosen Komödianten

Es gibt eine Regel, die man befolgen sollte, wenn man Waalkes interviewt. Man sollte nicht versuchen, selbst lustig zu sein. Otto, der mit voller Absicht vieles nur daher­nuschelt, spricht später von humoristisch allzu bemühten Fernsehmoderatoren und der Schwierigkeit, einen Dialog zustande zu bringen, wenn das journalistische Gegenüber nur am Witzeln ist. „Da geht dann jeglicher Charme so eines Gesprächs verloren.“

Waalkes, der Mann, der einst die Dänen besang, die nie lügen, und mit seinen auf Wortwitz und Sprachspielen beruhenden Gags Millionen zum Lachen brachte, war immer lustiger als sein Publikum. Er war derjenige, der einer notorisch als humorlos verschrieenen Nation Jux und Blödelei einbimste. Er habe die Leute nicht mit seinen Liedern unterhalten, sondern damit, dass er ständig den Mikrofonständer fallen ließ. So wurde aus dem mittelmäßigen Musiker Waalkes der grandiose Komödiant Otto. So wurde aus dem Sohn eines Malermeisters am nordwestlichen Ende Deutschlands der berühmteste Ostfriese der Welt.

Glückwunsch: Otto kurz vor seinem 70. Geburtstag.
Glückwunsch: Otto kurz vor seinem 70. Geburtstag. © dpa | Carmen Jaspersen

Der Vater hatte ein ausgeprägtes Harmoniebedürfnis, etwas, was sich auf den Sohn übertrug. Harmlos ist Otto sicher nie gewesen (aber manchmal kann ihm kein Witz flach genug sein), sondern von hintenrum durchaus auch subversiv. Aber ein Provokateur war er halt nie, obwohl sein Hang zum sexuell konnotierten Gag zumindest in eine Richtung voll nach vorne und mutig war. Die Mutter des Otto Waalkes war sehr religiös und musste gewahren, dass ihr Spross nicht nur den Beruf des Unterhalters ergriff, sondern als solcher auch eine spezielle Meisterschaft in der Disziplin „Pimmelwitze“ erlangte. Sind Sie eigentlich stolz auf den von Ihnen erfundenen Begriff „Schniedelwutz“, Herr Waalkes?

Heinz Erhardt war Ottos Vorbild für die Blödeleien

Zumindest, sagt dieser, „müssen wir den Duden mal darauf hinweisen, dass ,Herkunft ungeklärt’ keineswegs stimmt“. Geistiges Urheberrecht und so – da kennt auch der Humorist kein Pardon. Wobei man, um auf den Unterschied zwischen ulkendem und ernsthaftem Sprechen zurückzukommen, im Otto-Fall aufpassen muss, weder in die Ernsthaftigkeits- noch in die Lachfalle zu tappen. Man ist zwar einerseits in seiner Gegenwart sowieso automatisch immer lachbereit, muss jedoch andererseits anerkennen, dass auch Kalauer-Giganten ein Recht auf todernste Aussagen haben. Darauf ein Holladihiti.

Was den eigenen Erfindungsreichtum angeht, hat Waalkes übrigens erst kürzlich einen umfassenden Bericht abgelegt. Als solchen kann man seine zur „Ottobiografie“ (natürlich!) umgewidmete Autobiografie auch beschreiben. In der nimmt sich dieser Bühnenpraktiker, der bislang nicht unbedingt als großer Theoretiker auffällig geworden ist, viel Zeit dafür, das Erbe zu erläutern, das er mit seiner Unterhaltungskunst angetreten hat. Da wäre vor allem Heinz Erhardt zu nennen, dessen verdrehte Wortkombinationen und aufgebrochene Redewendungen die Vorbilder für Ottos Nonsense-Attacke waren, mit der er in den 70er-Jahren die Schallplatten-Charts anführte.

Alte Witze in der immer gleichen Otto-Show

Otto Waalkes – der Chaplin- und Valentin-Verehrer, der Groucho-Marx-Fan – beschreibt in „Kleinhirn an alle“ ausführlich, wie er bereits früh dem Schwarmwitz der Satiriker Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Pit Knorr vertraute. Er hat also nie alles selbst geschrieben.

Es wird oft moniert, er mache stets dieselben alten Witze. Dazu sei angemerkt: Bei Otto Waalkes haben wir immer nicht nur darüber gelacht, was er sagte, sondern wie er es sagte. Wollen wir das nicht exakt so haben: Otto, wie er immer wieder total bekloppten Sprachunterricht gibt („I am hungry – ich bin Ungar! And I am thirsty – ich bin Donnerstag!“), und Otto, wie er keiner Verballhornung aus dem Wege geht. ­Otto Waalkes ist heute, wie jeder Entertainer, der seit Jahrzehnten die Leute unterhält, eine Nostalgie-Fachkraft. Man bekommt in einer Otto-Show genau das, was man bestellt hat. Currywurst schmeckt ja auch immer gut.

Otto hat seine „Schnauze“ nie gehalten

Er muss dann gleich mal los. Vorher berichtet er noch kurz von der berühmten Künstler-WG. Lindenberg, Westernhagen, Waalkes – drei ganz Große der Unterhaltungsbranche. Es ist nicht selten vorgekommen, dass Lindenberg und Westernhagen nachts noch Musik gemacht hätten. Und ihm, Waalkes, nichts anderes einfiel, als laut „Schnauze!“ zu rufen. Er hat seine Schnauze auf der Bühne nie gehalten: ein Glück – für ein Land, das bis heute mit ihm und über ihn lacht. Danke für die lustigen Stunden, Otto Waalkes! Und alles Gute zum 70.!