Berlin. Die „New York Times“ nennt ihn ein „unwahrscheinliches Sex-Symbol“. Franz Rogowski zählt zu großen Schauspielhoffnungen in Deutschland.
Da ist dieses zweideutige Lächeln bei Franz Rogowski, bei dem man sich nie sicher sein kann, ob er Fragen ernsthaft beantwortet. Wenn man fragt, wie es ihm geht, sagt er: „Ich trinke mittags schon Schampus.“ Wenn man ihn nach seiner Kindheit fragt, sagt er: „Meine Geburt war eine einzige Party!“ Und über seine Jugend: „Mein Leben ist wie ein iPhone, so glatt, da rutscht alles einfach ab.“
Diese Sprüche wollen nicht so recht zu dem ansonsten so zurückhaltend wirkenden Menschen passen. Aber sie zeigen zumindest: Franz Rogowski ist gerade gut gelaunt. Und er darf sich derzeit so ziemlich alles erlauben.
Der 32 Jahre alte Schauspieler gilt als die große deutsche Hoffnung dieser Zeit. Er wurde gerade von US-Regisseur Terrence Malick („Der schmale Grat“) für dessen Projekt „Radegund“ gecastet. Auf der Berlinale gewann er den Titel „European Shootingstar“ und vor wenigen Wochen den Deutschen Filmpreis.
Die Verleihung des Goldenen Bären
„Ein unwahrscheinliches Sex-Symbol“
In kurzer Zeit sind derartig viele Filme von ihm ins Kino gekommen, dass man sich schon fragt, wie er die Drehs gleichzeitig geschafft hat: „Fikkefuchs“ und „Lux – Krieger des Lichts“ Ende 2017 und jetzt im Frühjahr „Transit“ (seit April im Kino) und „In den Gängen“ (seit Donnerstag in den Kinos) – für den er die „Lola“ bekam.
Das liegt auch an ihm: Er hat einen ernsten Blick auf die Welt, der nie leer ist und „in dem man sich verlieren kann“, wie kürzlich in einem Porträt der „New York Times“ stand. Die Überschrift lautete: „Ein unwahrscheinliches Sex-Symbol“. Unwahrscheinlich, weil er immer leise spricht und lispelt.
Er hat seit der Geburt eine Gaumen-Lippenspalte, schon deshalb waren Kindheit und Jugend eben auch schwierig – die Operation als Baby und später Hänseleien in der Schule. „Na klar war ich immer der mit dem ‚Schlitzer‘, dem Lispeln und der krummen Nase“, sagt er. Er habe deshalb nie zu den „Coolen“ in der Klasse gehört. „Das entsteht jetzt so langsam, aber das liegt am Erfolg und ist mir nicht so ganz geheuer, wenn ich ehrlich sein soll.“
Plötzlich konnte er sich vor Angeboten kaum retten
Dabei hat er das Schauspielen nie offiziell gelernt. Nach der Schule machte Rogowski eine Tanzausbildung in Stuttgart und besuchte eine Clownschule in der Schweiz. Den gestählten Körper hat er heute noch. Als er mit „Love Steaks“ 2014 für den Deutschen Filmpreis nominiert war und im Kulthit „Victoria“ ebenfalls auftrat, erfuhr der Österreicher Filmemacher Michael Haneke von ihm und engagierte Rogowski für „Happy End“. Von da an, ging es schnell: Er wurde zu den Filmfestspielen nach Cannes eingeladen – und konnte sich vor Angeboten kaum retten.
„Natürlich ist das mega“, sagt Franz Rogowski darüber, „aber ich bin froh, dass ich noch Freunde aus der Schulzeit habe, die mir auch sagen würden, wenn mir irgendetwas zu Kopf steigt.“ Er meint, dass er gerade in seiner nicht immer leichten Jugend echte Freunde zu schätzen lernte. Aber es sei schon komisch, manchmal keine Zeit zu haben. „Zum Beispiel kam meine Oma zur Premiere von Transit, aber dann hatte ich in all dem Trubel kaum Zeit für sie.“
In „In den Gängen“ zeigt Franz Rogowski sich einmal mehr als der Zurückhaltende, der schwer Zugang findet zu Menschen. Er spielt den schüchternen Fahrer eines Gabelstaplers in einem Großmarkt, der sich in die Frau von der Süßwarenabteilung (Sandra Hüller) verliebt. Der Film spielt in Sachsen, wo auch der Autor der Vorlage, Clemens Meyer, lebt.
Der Schauspieler sieht sich als „sprechenden Tänzer“
Rogowski hat sich zur Vorbereitung in Fitnessstudios umgehört und dort vor allem seinen Text gelernt. „Aber eine Gesellschaftsschicht kann man nicht spielen“, sagt er, „es geht immer um Menschen, die eine bestimmte Erfahrung in ihrem Leben gemacht haben.“ Er würde sich nie anmaßen zu verstehen, wie sich eine fiktionale Figur fühle.
„Deshalb ist es für mich viel praktischer, dass die Figur in diesem Film mit so vielen realen Dingen zu tun hat: Ein Gabelstapler, den ich fahre, oder eine Tasse, die ich in der Hand halte.“ Seine Handlungen seien weniger psychisch als viel mehr physisch motiviert. „Ich sehe mich als sprechenden Tänzer.“ Dieses Körperliche habe er noch aus der Tanzausbildung mitgebracht.
In den kommenden Monaten will er vor allem Theater spielen, zum Beispiel in dem Stück „No Sex“ an den Münchner Kammerspielen. Auch da werden sicher einmal seine Eltern im Publikum sitzen. Der Sohn einer Hebamme und eines Kinderarztes sagt, dass er ihnen viel zu verdanken habe. „Ohne tolle Eltern ist das Leben um so viel schwerer.“