Berlin. Aus dem Überhipster ist ein geschätzter Künstler geworden: Malakoff Kowalski hat ein gefeiertes Album mit Klaviermusik veröffentlicht.

Der einzige Ort, den er in Berlin wirklich mögen würde, sei der Potsdamer Platz. Am liebsten würde er im Hotel Ritz-Carlton leben, hoch oben über der Stadt. Malakoff Kowalski ist so merkwürdig und wahrscheinlich der einzige Berliner, für den der Potsdamer Platz, dieses graue Ungetüm, ein Sehnsuchtsort geworden ist. Wir treffen uns trotzdem auf den Friedhöfen in Kreuzberg. Dieses Areal mitten in der Stadt ist das Gegenteil von Geradlinigkeit.

Dieser Ordnungsmensch ist der Künstler der Stunde. Sein im April erschienenes Album wird in den Feuilletons gefeiert, bald tritt er in Köln, sogar in der Hamburger Elbphilharmonie auf. Dabei hat er sich seinen Erfolg erarbeitet. Mit Filmmusik für Regisseur Klaus Lemke, als Vorprogramm von Bands wie 2Raumwohung und Seeed, mit Theatermusik.

Diese Friedhöfe bedeuten ihm viel, weil hier zwei seiner Lieblingskünstler begraben liegen, der Musiker Mendelssohn Bartholdy und der Literat E.T.A. Hoffmann. Mal ist alles, was er sagt, von nobler Großzügigkeit, mal getrieben von dem Verlangen nach Ruhe. „Wenn mehr Leute darauf achten würden, sehe es in unserer schönen Stadt viel besser aus. Ich hasse das alles.“ Sich selbst kleidet er in einer Art Uniform, immer schwarze Hose, meist weißes Hemd, so sei er für jeden Anlass angezogen.

Malakoff Kowalski hat drei Pässe

Als er über Durchschnittstypen spricht, die glauben, sie müssten nur gut kopieren, wird er elitär, geradezu unbarmherzig: „Angela Merkel ist ein bisschen wie Erik Satie und Philip Glass. Nicht jeder kann so großen Erfolg haben wie sie, auch wenn sie sich ihrer Strategien bedienen.“ Das sei in der Politik genauso wie in der Musik. Die Komponisten Satie und Glass hätten für zeitgenössische Ohren zunächst einmal sehr merkwürdige Musik gemacht, „aber sie waren speziell und eigen, und dadurch ist ihre Musik etwas Universelles geworden. Kunst.“

Auf diesen Weg hat sich der Musiker Malakoff Kowalski ebenfalls gemacht. Auf seinem neuen Album finden sich zehn Klavierstücke, zarte Melodien mit hohem Wiedererkennungswert, zwischen Klassik und Pop.

Malakoff Kowalski im März 2018 in der Berliner Philharmonie.
Malakoff Kowalski im März 2018 in der Berliner Philharmonie. © imago/Future Image | Frederic Kern

Malakoff Kowalski heißt mit bürgerlichem Namen Aram Pirmoradi, und er ist mit einem seltenen Geschenk gesegnet. Er hat drei Pässe, den iranischen durch seine Eltern, den amerikanischen, weil er am 21. Juni 1979 in Boston geboren wurde, und den deutschen. Seine Mutter, eine persische Konzertpianistin, ist mit dem Vater, einem Bauingenieur aus Teheran, in den Revolutionsmonaten der Jahre 1978/79 nach Boston in die USA gezogen. Sie dachten, nur ein paar Monate zu bleiben, kehrten aber nie mehr in den Iran zurück, stattdessen zogen sie 1980 nach Hamburg, wo Kowalski auch aufwuchs. Nur in den Ferien besuchen sie künftig ihre Verwandten in den USA. „Wenn ich nach Amerika fliege, die Türen des Flughafens aufgehen, und mir diese schwüle, heiße Luft entgegenschlägt, dann raubt es mir fast den Atem. Ich liebe das.“

Eingespielt hat Malakoff Kowalski die neuen Stücke seines Albums auf seinem ersten Klavier. Und so heißt sein Album auch „My First Piano“. Die Geschichte dahinter ist filmreif: Der Musiker entdeckte kürzlich ein altes Kinderfoto von sich. Auf diesem Bild sitzt er als Junge in weißem Strampelanzug, mit wuscheligem schwarzen Haar und einem zuckersüßen Grinsen, auf einem Stuhl vor einem Klavier. Der 38-Jährige begibt sich auf die Suche nach dem Instrument, einem amerikanischen Wurlitzer, und findet es bei Freunden der Eltern in der Nähe von Hamburg.

Für eine Beziehung ist Malakoff Kowalski „nicht geeignet“

Als 2005 sein Vater starb, zog die Familie aus Hamburg weg. Das Klavier geriet in Vergessenheit. Die Mutter ging mit Malakoffs jüngerer Schwester wieder in die USA, nach Los Angeles, der Sohn brach auf nach Berlin, Kreuzberg. Er fand mit seiner damaligen Freundin eine Wohnung, in der er heute noch lebt. Die Freundin ist längst weg, aber als enge Vertraute geblieben.

Das Klavier aus der Kindheit schafft er nach seiner Entdeckung nach Berlin, zuerst in seine Wohnung, dann in ein Studio. Inspiriert von der Erinnerung, als kleiner Junge der Mutter bei ihren Übungen zuzuhören, komponiert Malakoff Kowalski. Die Mutter spielte Brahms für ihn, Schostakowitsch, Rachmaninow, Schubert, Schumann, Bach. Und Mendelssohn Bartholdy.

Bei Malakoff Kowalski hängt alles zusammen. Und es ist, als ob sich mit dem Klavier aus Hamburg ein Kreis bei ihm geschlossen hat. Herkunft, Familie, Geborgenheit, das Glück der frühen Kindheit, Abschied von der Heimat Hamburg, Verlust des Vaters. Er begegnet mit dem Instrument seinen Wurzeln, seinem frühen Ich: dem Kind Aram Pirmoradi, und so klingen seine neuen Melodien auch süß und schmerzlich zugleich.

Für eine Beziehung ist Malakoff Kowalski „nicht geeignet“

Malakoff Kowalski liest eine Grabinschrift vor: „Die Liebe höret nimmer auf.“ Wie es da bei ihm aussieht? Kinder hat er nicht, aber eine Beziehung? „Ich bin raus aus dem Geschäft“, antwortet er. Ein Kind gehe nur mit der richtigen Frau. „Und das Leben mit einer Frau kann ich mir nicht vorstellen.“ Drei feste Beziehungen zwischen drei und sechs Jahren habe er gehabt. „Ich dachte immer, es wäre ernst. Aber ich habe in den letzten zwei Jahren verstanden, dass ich dafür nicht geeignet bin.“

Liebe habe er ja trotzdem in seinem Leben – für seine Mutter, seine Schwester, seine zwei Neffen, für seine Freunde. Und für die Arbeit. „Das, was andere für einen Partner empfinden, Verantwortung, Hingabe, Neugier, Verletzlichkeit, die ganzen Dinge, die zur Liebe gehören, die fühle ich bei der Musik, und da wirklich uneingeschränkt.“