Berlin. Bjarne Mädel versucht nicht nur, seine Figuren zu spielen. Er will bei den Dreharbeiten die Person sein.

Äußerlich ist Bjarne Mädel schon wieder auf dem Weg zum „Tatortreiniger“. Die Haare kann er sich fast zum Zopf zusammenbinden, der Bart wächst. Im April, wenn es losgeht mit den Dreharbeiten zur neuen Staffel, wird daraus ein Schnäuzer. Einfach ankleben, das wäre für den Schauspieler nichts. „Ich versuche ja, die andere Figur zu sein in der Zeit, und da erinnert einen so ein Kleber mitten im Gesicht immer daran, dass man nicht echt ist“, sagt er beim Gespräch in einem lederbesesselten Berliner Hotel. Er hätte außerdem beim Spielen Angst, der Bart könne abgehen.

Mädel hat eindeutig einen Hang zu Fernsehserien, die bei Fans einen ganz bestimmten Status erreichten: Kultstatus. Er war Ernie in „Stromberg“, Dorfpolizist Dietmar in „Mord mit Aussicht“, ist Schotty in „Der Tatortreiniger“. Trotzdem: Der Kultkomiker vom Dienst möchte er nicht sein. Er möchte gar nichts ausschließlich sein, und nichts für immer. „Ich versuche mich so breit zu machen, wie’s geht“, sagt er. Filme. Serien. Ernst, etwa das Drama „24 Wochen“, das am 26. März im ZDF zu sehen ist. Komisch. Lesungen und Theater. Alles soll drin sein.

Zum ernsten Filmfach hat er es geschafft, weil die Regisseurin von „24 Wochen“, Anne Zohra Berrached, ihn unbedingt wollte. „Ich wusste, dass ich ernst sein kann. Aber die anderen mussten es auch noch erfahren“, sagt er.

Bjarne Mädel glaubt, dass Druck auf jenge Menschen gewachsen ist

Sein neuester Film: „1000 Arten, den Regen zu beschreiben“ (ab 29. März im Kino). In diesem Debüt von Regisseurin Isa Prahl darf er wieder ernst sein. An der Seite von Bibiana Beglau und Emma Bading glänzt er als Vater in der Krise: Der Sohn kommt nicht mehr aus seinem Zimmer. Verweigert sich. Hukkimori heißt das Phänomen in Japan: völliger Rückzug als Protest gegen den Erfolgsdruck der Gesellschaft.

Mädel, der selbst keine Kinder hat, zeigt Verständnis für den Filmsohn: „Es gibt so Tage, wo man sich der Welt nicht gewachsen fühlt. Ich kann verstehen, dass man mal im Bett bleiben und die Decke über den Kopf ziehen möchte.“ Im Film geht es aber monatelang so – eine Prüfung für die Familie.

Der gebürtige Hamburger glaubt, dass der Druck auf junge Menschen gewachsen ist. „Vielleicht nicht so sehr der Druck darauf, was man können muss, sondern auf das, was man vorweisen muss.“ Einser-Zeugnisse, zehn Praktika, Auslandssemester – was da alles verlangt werde. Er selbst hatte diesen Druck nicht. Hat sich Zeit gelassen. „Ich war überhaupt nicht so zielstrebig.“

„Ich bereue nicht so viel in meinem Leben“

Und seine Eltern haben ihn machen lassen. Erst zwei Jahre Amerika. Da wollte er noch Schriftsteller werden, „das war aber sehr unkonkret und ein bisschen naiv. Ich hab gar nichts dafür gemacht.“ Dann studierte Mädel Theaterwissenschaften in Erlangen. Spielte auch schon – mit lauter Leuten, die alle später das Theater zu ihrem Beruf gemacht hätten. Und irgendwann habe er gewusst: „Ich will Schauspieler werden.“

Da seien die Eltern doch sehr erleichtert gewesen – vor allem, als er auch noch an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam angenommen wurde. „Meine Eltern haben meine Leidenschaft für den Beruf gespürt“, sagt Mädel. Die sei ihm übrigens geblieben, bis heute.

Gerade ist er 50 geworden. Und tut gar nicht erst so, als wäre ihm das egal. „Ich finde das schon unfassbar alt.“ Innerlich habe sich ab 34 nichts groß geändert. „Wo sind denn diese 16 Jahre plötzlich hin?“, das frage er sich manchmal. Stellt fest: „Das Harte ist, dass man bei 50 nicht mehr sagen kann: Das ist die Hälfte. Das wäre zu optimistisch.“ Zumal er 29 Jahre geraucht habe. Das tut er heute nicht mehr.

„Ich bereue nicht so viel in meinem Leben“, sagt er. Höchstens, überhaupt mit dem Rauchen angefangen zu haben. Gibt es etwas, das er seinem jüngeren Ich mit jetzigem Wissen heute raten würde, wenn er könnte? „Ich würde sagen: Versuche, den Moment zu genießen. Das schafft man nicht so leicht. Nicht zu viel nachdenken darüber, was früher war oder was einmal sein könnte. Einfach das, was da ist, genießen. Das ist meine Lebensaufgabe.“