„Ich bin nicht euer Boris“: ARD zeigt neuen Blick auf Becker
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Von Bastian Angenendt
Berlin. Wimbledon-Held? Pleitegeier? Wer ist Boris Becker? Die ARD ist dieser Frage vor dem 50. Geburtstag des Tennis-Helden nachgegangen.
Boris Becker sitzt im Sommer 2017 auf Ibiza, Frau Lily und Sohn Amadeus in seiner Nähe, die Sonne scheint, das Meer funkelt, und die deutsche Tennis-Ikone scheint beinahe so, als hätte er nicht seine kaputten Knochen unter Schmerzen herschleppen müssen, als hätte es die Monate zuvor kaum gegeben.
„Es hat uns wahrscheinlich näher zusammengebracht“, sagt Becker über sich und seine Frau. Er hat dabei das Jahr 2017 im Blick, das ihm bis dato wohl so viele harte Schlagzeilen eingebracht hatte wie nie zuvor. Becker wirkt dabei nicht naiv oder gekünstelt, sondern aufgeräumt und aufrichtig. Und spätestens jetzt dürfte sich so mancher Zuschauer wünschen, er könne eine Entschuldigung in den Fernseher brüllen.
Eine Entschuldigung dafür, dass man in den letzten Wochen und Monaten kaum noch den Menschen, kaum noch den Weltklasse-Sportler Boris Becker gesehen hat, sondern nur noch den Pleitegeier, der irgendwo zwischen Besenkammer und Pochers TV-Bühne falsch abgebogen war.
Das ist die Karriere von Boris Becker
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„Mir geht’s gut, ich bin erwachsen“
Es ist die wohl größte Leistung der Doku „Boris Becker – Der Spieler“, die die ARD zum 50. Geburtstag des deutschen Tennis-Helden ausstrahlt, dass man sich am Ende fragt: Wer ist überhaupt dieser Boris Becker? Warum konnte es mit ihm so weit kommen? Und abgesehen davon: Hat mich das überhaupt etwas anzugehen?
Für Becker ist die Antwort klar: „Ich war noch nie euer Boris, ich war immer bei mir.“ 30 Jahre eine öffentliche Person zu sein, dafür habe er seinen Preis gezahlt. Aber die Vereinnahmung durch Medien, Fans, stellenweise sogar durch fast ganz Deutschland, das sei „das große Missverständnis“, sagt Becker. Es klingt nicht nach Vorwurf, nicht nach Resignation. Auch nicht, wenn er sagt: „Ihr müsst euch um mich keine Sorgen zu machen. Mir geht’s gut, ich bin erwachsen.“
Autoren durften sogar Geheimtraining mit Djokovic filmen
Es sind nicht nur diese Momente, die den Film so sehenswert machen. Die Momente, in denen die Autoren ganz nah dran sind an Beckers heutigem Leben – im Urlaub, bei Beckers zu Hause, auf dem großen Tennis-Zirkus oder sogar beim Geheimtraining mit Novak Djokovic und im OP-Saal.
Hans-Bruno Kammertöns und Michael Welch erzählen auch spannend vom rasendem Tempo, mit dem die Marke Boris Becker entstand, wie er auf die Empore des Nationalhelden und Weltstars gehoben wurde, die den vermeintlichen Fall der jüngeren Vergangenheit erst ermöglichte.
Die Anfänge in Leimen als Bub, der Umzug nach Monte Carlo mit 15 (!) Jahren, der unglaubliche Wimbledon-Sieg im Alter von 17 im Jahr 1985. Der Weg eines Ehrgeizlings, der sich selbst und seinen Körper auf dem Weg an die Spitze der Weltrangliste nicht schont.
Heikle Episoden wie die Affäre mit Angela Ermakova und eben die viel thematisierten Finanzprobleme werden nicht ausgeklammert – das große Drama gibt es aber nicht. Man sieht einen Mann, der privat und geschäftlich nicht das Händchen zu haben scheint, das er am Racket hatte. Und den Ex-Frau Barbara Becker trotz allem als „wahnsinnig verlässlich“ beschreibt.
Freunde, Familie und Weggefährten kommen zu Wort
Ehemalige Mentoren wie der frühere Trainer Günther Bosch und Ex-Manager Ion Tiriac kommen genauso zu Wort wie Mutter, Schwester, Freunde und frühere Konkurrenten. Allesamt zeichnen das Bild eines willensstarken und fairen Sportsmannes, der Teamplayer sein kann, der für seinen Sport lebt und dafür in vielen Teilen der Welt geschätzt wird. Nicht mehr, nicht weniger. „Im Tennis kenne ich mich richtig gut aus“, sagt Becker. Immer klingt ein wenig der Wunsch mit, dass er mehr gar nicht sein will, als mehr auch nicht gesehen werden will.
Dass man diese Facetten des bald 50-Jährigen kennenlernen kann, zumal nach all dem medialen Verriss dieses Jahres, könnte man auch als Geschenk für Becker ansehen. Und der Zuschauer kann sich mitfreuen.