Cannes. Nach ihrem Erfolg bei den Filmfestspielen in Cannes ist Diane Kruger stolz. In einem Film von Fatih Akin mitzuspielen, war ihr Traum.

Lange gab es diesen Minderwertigkeitskomplex der Deutschen in Cannes. Dass Maren Ade 2016 mit „Toni Erdmann“ als großer Favorit gehandelt wurde und dann gänzlich leer ausging, schien noch mal eine Bestätigung. Und dann das: Eine schwedisch-deutsche Coproduktion gewinnt die Goldene Palme.

Und Diane Kruger (40) wird für ihre Darstellung im NSU-Drama „Aus dem Nichts“ von Regisseur Fatih Akin als beste Schauspielerin ausgezeichnet – als erste Deutsche, seit Barbara Sukowa 1985 den Preis für „Rosa Luxemburg“ gewann. Patrick Heidmann hat die Darstellerin, die in Niedersachsen geboren ist und heute überwiegend in den USA und Frankreich lebt, in Cannes getroffen.

Frau Kruger, Gratulation. Wie geht es Ihnen nach diesem Erfolg?

Diane Kruger: Ich bin unheimlich stolz. Und freue mich so, dass ich den Preis für meinen ersten deutschen Film bekommen habe. Diese Rolle ist einfach das Beste, was mir in meinem Leben bislang passiert ist. Mit Fatih zu arbeiten, war lange mein Traum.

Das sind die Gewinner von Cannes

Die 70. Filmfestspiele von Cannes sind mit der Verleihung der Goldenen Palme zu Ende gegangen. Als bester Regisseur wurde der Schwede Ruben Ostlund für seinen Film „The Square“ ausgezeichnet.
Die 70. Filmfestspiele von Cannes sind mit der Verleihung der Goldenen Palme zu Ende gegangen. Als bester Regisseur wurde der Schwede Ruben Ostlund für seinen Film „The Square“ ausgezeichnet. © Pascal Le Segretain
Sein Film ist eine bissige Gesellschaftssatire und handelt von einem Kurator, der Gutes tun will, sich dabei jedoch gerhörig verstrickt.
Sein Film ist eine bissige Gesellschaftssatire und handelt von einem Kurator, der Gutes tun will, sich dabei jedoch gerhörig verstrickt. © Getty Images | Andreas Rentz
Den großen Preis von Cannes gewann Regisseur Robin Campillo für seinen Film „120 Beats Per Minute“ (120 Battements Par Minute).
Den großen Preis von Cannes gewann Regisseur Robin Campillo für seinen Film „120 Beats Per Minute“ (120 Battements Par Minute). © Getty Images | Andreas Rentz
Es geht in seinem Film um Aktivisten in den 1980er Jahren, die sich im Kampf gegen Aids engagieren.
Es geht in seinem Film um Aktivisten in den 1980er Jahren, die sich im Kampf gegen Aids engagieren. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Regisseurin Sofia Coppola ist keine Unbekannte in Cannes. Sie gewinnt jedoch zum ersten Mal als beste Regisseurin für ihre Neuverfilmung „The Beguiled“ (Die Verführten).
Regisseurin Sofia Coppola ist keine Unbekannte in Cannes. Sie gewinnt jedoch zum ersten Mal als beste Regisseurin für ihre Neuverfilmung „The Beguiled“ (Die Verführten). © dpa | Arthur Mola
In dem Film spielen unter anderem Elle Fanning, Nicole Kidman, Colin Farrell und Kirsten Dunst (v.l., mit Coppola 2.v.r.) mit.
In dem Film spielen unter anderem Elle Fanning, Nicole Kidman, Colin Farrell und Kirsten Dunst (v.l., mit Coppola 2.v.r.) mit. © dpa | Thibault Camus
Den Preis für das beste Drehbuch teilen sich die Regisseure Yorgos Lanthimos (Foto) und Efthimis Filippou für „The Killing of a Sacred Deer“.
Den Preis für das beste Drehbuch teilen sich die Regisseure Yorgos Lanthimos (Foto) und Efthimis Filippou für „The Killing of a Sacred Deer“. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Auch in diesem Film spielt Nicole Kidman mit, zusammen mit u.a. Colin Farrell.
Auch in diesem Film spielt Nicole Kidman mit, zusammen mit u.a. Colin Farrell. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Der US-Schauspieler Joaquin Phoenix wurde mit der Goldenen Palme als bester Schauspieler geehrt.
Der US-Schauspieler Joaquin Phoenix wurde mit der Goldenen Palme als bester Schauspieler geehrt. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Sein Film „You Were Never Really Here“ kam bei der Kritik nicht gut an, dennoch wurde auch die Drehbuchautorin des Filmes, Lynne Ramsey, überraschend ausgezeichnet.
Sein Film „You Were Never Really Here“ kam bei der Kritik nicht gut an, dennoch wurde auch die Drehbuchautorin des Filmes, Lynne Ramsey, überraschend ausgezeichnet. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Der Preis für die beste Schauspielerin geht an Diane Kruger. Die Deutsche, die schon lange in Hollywood lebt, wurde für ihre Leistung in Fatih Akins NSU-Drama „Aus dem Nichts“ geehrt.
Der Preis für die beste Schauspielerin geht an Diane Kruger. Die Deutsche, die schon lange in Hollywood lebt, wurde für ihre Leistung in Fatih Akins NSU-Drama „Aus dem Nichts“ geehrt. © dpa | Arthur Mola
Als beste Newcomerin wurde die Regisseurin Leonor Serraille für ihren Film „Jeune femme“ geehrt.
Als beste Newcomerin wurde die Regisseurin Leonor Serraille für ihren Film „Jeune femme“ geehrt. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Stolze Gewinner: Yorgos Lanthimos, Ruben Ostlund, Diane Kruger, Jury-Präsidentin Sandrine Kiberlain, Leonor Serraille und die Schauspielerin Laetitia Dosch.
Stolze Gewinner: Yorgos Lanthimos, Ruben Ostlund, Diane Kruger, Jury-Präsidentin Sandrine Kiberlain, Leonor Serraille und die Schauspielerin Laetitia Dosch. © Pascal Le Segretain
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Sie arbeiten in der Tat seit 15 Jahren als Schauspielerin. Aber „Aus dem Nichts“ ist Ihr erster Film, den Sie in Ihrer deutschen Heimat gedreht haben. Warum hat das eigentlich so lange gedauert?

Kruger: Ich war 15 Jahre alt, als ich aus Deutschland weggezogen bin. Damals war ich noch lange keine Schauspielerin. Ich hatte nie irgendwelche Verbindungen in die deutsche Filmszene. Ich habe dort nicht einmal einen Agenten. Doch dann war ich vor Jahren Jury-Mitglied in Cannes und bin eines Abends zur Party von Fatih Akins Film „Müll im Garten Eden“ gegangen. Dort habe ich ihm gesagt, dass ich gerne mal mit ihm arbeiten würde.

Warum gerade Fatih Akin?

Kruger: Fatih und seine Filme waren mir ein Begriff, lange bevor ich Schauspielerin wurde. Seine Filme haben meiner Generation ihren Stempel aufgedrückt.

Ursprünglich hatte Akin die Rolle in „Aus dem Nichts“ für einen Mann geschrieben.

Kruger: Das stimmt, aber nachdem das Projekt eine Weile auf Eis lag, hat er das Drehbuch umgeschrieben und hatte dann wohl mich im Sinn. Ich finde das fantastisch, denn daran zeigt sich, was für ein Frauen-Fan Fatih ist. Er ist Familienmensch durch und durch und hat den größten Respekt für seine Frau, die ganz eindeutig der Anker seines Lebens ist. Für Fatih sind alle Mütter Superheldinnen. Es wundert mich kein bisschen, dass es ihm gelungen ist, eine solch komplexe, abgründige Frauenfigur zu kreieren. Das schafft nicht jeder Mann.

Staraufgebot beim Filmfestival in Cannes

Zum 70. Mai findet das Internationale Filmfestival in Cannes statt. Vom 17. bis 28. Mai  zeigt sich das „Who is Who“ der Filmbranche an der Côte d’Azur und buhlt um die Goldene Palme. Auch Michelle Williams geht mit ihrem neuen Film  „Wonderstruck“ in den Wettbewerb.
Zum 70. Mai findet das Internationale Filmfestival in Cannes statt. Vom 17. bis 28. Mai zeigt sich das „Who is Who“ der Filmbranche an der Côte d’Azur und buhlt um die Goldene Palme. Auch Michelle Williams geht mit ihrem neuen Film „Wonderstruck“ in den Wettbewerb. © REUTERS | STEPHANE MAHE
Das Filmfestival in Südfrankreich ist am Mittwochabend offiziell eröffnet worden. Julianne Moore zeigte sich am zweiten Tag auf dem roten Teppich.
Das Filmfestival in Südfrankreich ist am Mittwochabend offiziell eröffnet worden. Julianne Moore zeigte sich am zweiten Tag auf dem roten Teppich. © REUTERS | STEPHANE MAHE
Uma Thurman kam, um sich den Eröffnungsfilm „Les Fantômes d’Ismaël“ (Ismaels Geister) mit ...
Uma Thurman kam, um sich den Eröffnungsfilm „Les Fantômes d’Ismaël“ (Ismaels Geister) mit ... © Getty Images | Pascal Le Segretain
.. der  französischen Schauspielerin Marion Cotillard (l.) und Charlotte Gainsbourg anzusehen.
.. der französischen Schauspielerin Marion Cotillard (l.) und Charlotte Gainsbourg anzusehen. © dpa | Thibault Camus
Eine Chance auf einen der Hauptpreise hat „Ismael’s Ghosts“, so der englische Titel, aber sowieso nicht: Das Werk läuft außer Konkurrenz.
Eine Chance auf einen der Hauptpreise hat „Ismael’s Ghosts“, so der englische Titel, aber sowieso nicht: Das Werk läuft außer Konkurrenz. © Getty Images | Matthias Nareyek
Im Wettbewerb stehen in den kommenden Tagen stattdessen 19 andere Filme auf dem Programm. Auch Will Smith gab sich die Ehre.
Im Wettbewerb stehen in den kommenden Tagen stattdessen 19 andere Filme auf dem Programm. Auch Will Smith gab sich die Ehre. © Getty Images | Francois Durand
Wer von ihnen schließlich tatsächlich die Hauptpreise gewinnt, das wird die neunköpfige Jury um den spanischen Regisseur Pedro Almodóvar entscheiden. „Wir werden jeden Film für sich betrachten“, kündigte der 67-jährige Oscarpreisträger („Sprich mit ihr“) an.
Wer von ihnen schließlich tatsächlich die Hauptpreise gewinnt, das wird die neunköpfige Jury um den spanischen Regisseur Pedro Almodóvar entscheiden. „Wir werden jeden Film für sich betrachten“, kündigte der 67-jährige Oscarpreisträger („Sprich mit ihr“) an. © REUTERS | ERIC GAILLARD
Auch Will Smith und die US-Schauspielerin Jessica Chastain gehören zur Jury.
Auch Will Smith und die US-Schauspielerin Jessica Chastain gehören zur Jury. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Das tschechische Model Eva Herzigová ist auch als Schauspielerin tätig. Sie  präsentierte sich in einem goldenen Kleid auf dem roten Teppich.
Das tschechische Model Eva Herzigová ist auch als Schauspielerin tätig. Sie präsentierte sich in einem goldenen Kleid auf dem roten Teppich. © Getty Images | Francois Durand
„Germany`s Next Topmodel“- Siegerin (2007) Barbara Meier lässt sich das Spektakel auch nicht entgehen.
„Germany`s Next Topmodel“- Siegerin (2007) Barbara Meier lässt sich das Spektakel auch nicht entgehen. © Getty Images | Andreas Rentz
Bella Hadid zog es ebenfalls an die Côte d’Azur.
Bella Hadid zog es ebenfalls an die Côte d’Azur. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Lässig: Susan Sarandon (70).
Lässig: Susan Sarandon (70). © Getty Images | Matthias Nareyek
Einen leidenschaftlichen Eröffnungstanz lieferten die italienische Schauspielerin Monica Bellucci und Kollege Alex Lutz  – und dann ...
Einen leidenschaftlichen Eröffnungstanz lieferten die italienische Schauspielerin Monica Bellucci und Kollege Alex Lutz – und dann ... © REUTERS | STEPHANE MAHE
... wurde geknutscht.
... wurde geknutscht. © REUTERS | STEPHANE MAHE
Die spanische Tänzerin Blanca Li bot einen spektakulären Auftritt während der Eröffnungsgala am Mittwochabend.
Die spanische Tänzerin Blanca Li bot einen spektakulären Auftritt während der Eröffnungsgala am Mittwochabend. © REUTERS | STEPHANE MAHE
Sicherheit wird während des Festivals größer geschrieben denn je. Seit dem Lkw-Anschlag im wenige Kilometer entfernten Nizza sind die Sicherheitskräfte alarmiert.
Sicherheit wird während des Festivals größer geschrieben denn je. Seit dem Lkw-Anschlag im wenige Kilometer entfernten Nizza sind die Sicherheitskräfte alarmiert. © REUTERS | REGIS DUVIGNAU
Die französische Schauspielerin Élodie Bouchez und ...
Die französische Schauspielerin Élodie Bouchez und ... © Getty Images | Pascal Le Segretain
... Lily Rose Depp (Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis) warfen sich in Schale.
... Lily Rose Depp (Tochter von Johnny Depp und Vanessa Paradis) warfen sich in Schale. © Getty Images | Pascal Le Segretain
Eine strahlende Robin Wright („House of Cards“). „Trump hat all unsere Ideen für die sechste Staffel gestohlen“, sagte die US-Schauspielerin dem Magazin „Variety“ in Cannes. „Ich weiß nicht, was wir machen sollen, wirklich“, erklärte sie sichtlich belustigt.
Eine strahlende Robin Wright („House of Cards“). „Trump hat all unsere Ideen für die sechste Staffel gestohlen“, sagte die US-Schauspielerin dem Magazin „Variety“ in Cannes. „Ich weiß nicht, was wir machen sollen, wirklich“, erklärte sie sichtlich belustigt. © Getty Images | Neilson Barnard
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Glauben Sie, dass Filme wie dieser ein Zeichen dafür sind, dass die Zeiten langsam vorbei sind, in denen gute Rollen für Frauen Mangelware sind?

Kruger: Vorbei sind die noch lange nicht. Es gibt immer noch so viel weniger starke, komplexe Frauenfiguren, als es geben sollte. Da liegt noch ein langer Weg vor uns.

Sie selbst haben auf jeden Fall lange gewartet auf eine Rolle, die Ihnen schauspielerisch so viel abverlangt, nicht wahr?

Kruger: Definitiv. In diesem Fall kam wirklich ganz viel zusammen. Der Film ist für mich wirklich eine sehr persönliche Angelegenheit, er bedeutet mir unglaublich viel. Ich bin sehr dankbar, dass Fatih das Risiko eingegangen ist, mich zu besetzen, und mir die Gelegenheit gegeben hat, meine Komfortzone zu verlassen. Genauso dankbar bin ich dafür, dass wir nach Cannes in den Wettbewerb eingeladen wurden, denn das ist für einen Film wie diesen keine Selbstverständlichkeit. Eine solche Geschichte wird natürlich immer kontrovers aufgenommen. Einen besseren Einstand hätte ich mir für meinen ersten deutschen Film nicht wünschen können.

Apropos Kontroversen: Grundlage des Films sind die NSU-Morde und der noch immer laufende Prozess. Wie vertraut waren Sie damit, wo Sie doch gar nicht in Deutschland leben?

Kruger: Ich verfolge natürlich auch Nachrichten aus Deutschland, aber vertraut wäre in diesem Fall sicher das falsche Wort. Denn tatsächlich ist der Fall in den USA oder Frankreich, wo ich lebe, nicht annähernd so präsent. Aber was mich so interessierte an diesem Film, war die Tatsache, dass der wahre Fall eigentlich Nebensache ist. Die Geschichte wäre kaum eine andere, wenn sie in Amerika oder Frankreich spielen würde und der Bombenanschlag nicht einen Neonazi-, sondern einen dschihadistischen Hintergrund hätte. Die Geschichte selbst ist universell und handelt von den Menschen, die nach einem Terrorakt zurückbleiben.

Fragen Sie sich bei einer Rolle wie dieser, ob Sie in einer ähnlichen Situation genauso handeln würden?

Kruger: Puh ... Natürlich habe ich drüber nachgedacht, aber das ist für mich unmöglich zu beantworten. Ich habe ja keine Kinder und noch nicht einmal einen Ehemann.

Machte Ihnen der Film Angst?

Kruger: Ohne Frage. Aber dann habe ich einige der Opfer der NSU-Anschläge persönlich getroffen – und das hat alles geändert. Ich habe gemerkt, dass ich genug Empathie habe, um zumindest ein kleines bisschen diesen niemals endenden Schmerz nachempfinden zu können.

In Ihrem Alltag sprechen Sie kaum Deutsch. Wie groß war die Umstellung, jetzt in dieser Sprache zu arbeiten?

Kruger: Na ja, in der ersten Woche zurück in Deutschland hat Fatih ab und zu mal geschimpft, weil mir mal wieder das richtige Wort nicht einfiel. Aber trotzdem ist Deutsch ja meine Muttersprache, und die kommt immer wieder zurück. Französisch ist letztlich viel schwieriger für mich.

Tatsächlich? Es ist die Sprache, in der Sie die meisten Filme gedreht haben?

Kruger: Ja, einfach weil ich es nie in der Schule gelernt habe. Sondern nur in der Praxis, vor Ort in Paris. Es gibt bis heute noch französische Worte, die ich irgendwie nicht wirklich über die Lippen bringe.