Berlin. Krisenchat.de, ein Portal, bei dem Kinder Hilfe bekommen, ist wegen Corona überlastet. Der Gründer appelliert bei Lanz an die Politik.

Drohte da etwa ein zweites Ischgl? Wieder schien ein Tiroler Ski-Gebiet „lieber noch die Winterferien mitzunehmen“, statt eine Quarantäne zu verhängen, wie es bei der hohen Corona-Inzidenz angemessen wäre: „Es gibt da offenbar einen Zusammenhang zwischen Seilbahnwirtschaft und Pandemie-Management“, mutmaßte die österreichische Journalistin Corinna Milborn bei „Markus Lanz“. Man wollte sich und den „vielen deutschen Gästen“ die Ski-Saison nicht verderben.

Dabei war gerade die Lage im Zillertal sehr ernst, berichtete sie weiter: 435 Fälle der südafrikanische Corona-Mutante wurden in der Region gezählt, ein Großteil konzentrierte sich auf den Skiort Schwaz, wo alle Pisten offenblieben, als wenn nichts wäre. Nun habe Bundeskanzler Sebastian Kurz das Bundesheer an die innerösterreichische Grenze zur Sicherung geschickt. „Hoffentlich nicht zu spät“.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Markus Söder: Der Bayerische Ministerpräsident und CSU-Politiker nimmt Stellung zu den Beschlüssen des Corona-Gipfels sowie zur Frage nach möglichen Grenzschließungen zu Tschechien und Österreich.
  • Corinna Milborn, Journalistin: Sie informiert direkt aus Wien über die Situation in Österreich, wo der Lockdown beendet wurde und nun u.a. mit Selbsttests bei Schülern versucht wird, die Pandemie in Schach zu halten.
  • Simone Lange, Politikerin: Aufgrund hoher Infektionszahlen musste die Oberbürgermeisterin Flensburgs (SPD) die Corona-Regeln verschärfen.
  • Prof. Gérard Krause, Epidemiologe: Er äußert sich zur Wirksamkeit der geltenden Lockdown-Maßnahmen sowie zu Konzepten für die Wiederaufnahme des Schulbetriebes.
  • Kai Lanz, Gründer: Der 19-Jährige spricht über die Herausforderungen der Jugend im Lockdown sowie über sein kostenloses Online-Seelsorge-Angebot, das schon über 15.000 Hilfesuchende genutzt haben.

Söder kritisiert Corona-Öffnungen in Österreich - will aber nicht kritisieren

Direkt zugeschaltet von dem menschenleeren Wiener Stephansplatz, wo ab 20 Uhr weiterhin eine Ausgangssperre galt, informierte die österreichische Fernsehjournalistin dann weiter über die Lockerungen im Nachbarland, die bei deutschen „Lanz“-Zuschauern nur Neid- und Sehnsuchtsgefühle wecken konnten: Trotz einer Inzidenz von über 100, war seit letzten Montag schon wieder alles offen – Friseure, Geschäfte und Schulen „im Schichtbetrieb“.

Allerdings könnten sich jeden Morgen Kinder ab 10 Jahren mit einem „Nasenbohrer-Test“ selbst testen, erklärte sie: Das sei ein neuer Schnelltest, bei dem das Stäbchen eben nur noch fingertief eingeführt werden müsste, statt bis weit hinunter zum Gaumen. 500.000 Kinder waren auf diese Weise in den drei Tagen getestet worden, 200 infizierte wurden rausgefischt. So sollte die Pandemie in Schach gehalten werden.

Markus Söder, ebenfalls zugeschaltet, aber aus München, gab sich nicht überzeugt: „Wenn die Infektionszahl hoch ist, bleibt das Risiko hoch“, entgegnete er. „Auch Kinder tragen zur Verbreitung bei“. Deshalb öffnete in Bayern am 25. Februar erst einmal nur die Grundschulen für einen Wechselunterricht mit Maske: „Weil bei den Kleinsten die Schäden am größten sind“.

Einreise nur mit Negativ-Test

Überhaupt sei er nicht glücklich über das „ständige hin und her, auf und zu“ der österreichischen Lockdowns. Das schwächte nur die Akzeptanz für die Maßnahmen, befürchtete der bayerische Ministerpräsident, beeilte sich aber zu versichern, dass er den österreichischen Bundeskanzler für seine Entscheidung nicht kritisieren wollte.

Markus Lanz war nicht wirklich zufrieden mit den Antworten und hakte immer wieder nach.

Trotz vieler Details schleppte sich sein Lanz-Talk an diesem Donnerstag über die Runden: Je länger die Diskussion andauerte, desto mehr verlor sie sich im Klein-Klein der politischen Finessen. Da musste man genau zuhören, um Widersprüche herauszuhören.

Wie ist denn der Plan für die deutschen Grenzen? Wieder dicht, wollte Markus Lanz wissen. Werde dadurch nicht wieder einmal der europäische Gedanke ad absurdum geführt?

Nein, antwortete Markus Söder und differenzierte aus: Anders als im Frühjahrslockdown blieben die Grenzen zu den Nachbarländern offen, erklärte er. Nur würden jetzt strikte Sicherheitskontrollen – sowohl an den Grenzen zu Österreich wie auch zu Tschechien – durchgeführt: Nur wer einen negativen Corona-Test vorweisen könne, komme noch ins Land. „Sonst werden unsere ganzen Entbehrungen konterkariert.“

Mehr Schnelltests, noch mehr aber eine „richtige nationale Teststrategie wie in Dänemark“, wünschte sich Simone Lange (SPD), Oberbürgermeisterin von Flensburg. „Dort kann man sich einfach an der Autobahnabfahrt kostenlos testen lassen“, erklärte sie. Und präventiv, nicht erst, wenn Symptome da waren.

Auch die nördlichste Stadt Deutschlands liege in einem Grenzgebiet mit täglich 12.000 Pendlern, erläuterte sie. Und leide derzeit an einer hohen Fallzahl der britischen Corona-Mutante. Bei einer Inzidenz von 115, der höchsten in ganz Schleswig-Holstein, war sie gezwungen, die Maßnahmen in ihrer Stadt aktuell sogar zu verschärfen: Nun dürfte nur noch eine Person pro Haushalt einkaufen gehen. „Wir müssen von Woche zu Woche gucken, wie die Zahlen sich entwickeln“, setzte sie hinzu.

Krisenchat.de: 1.500 Anfragen allein am letzten Wochenende

Gérard Krause, der als Epidemiologe schon viele Epidemien auf der ganzen Welt begleitet hat, warnte davor, sich immer nur auf einen Messparameter, wie zum Beispiel die Fallzahl, zu fokussieren. Stattdessen sollten bei den politischen Entscheidungen mehrere Indikatoren bedacht werden. Und alle Maßnahmen dem Leitgedanken folgen: „Was schadet unserer Gesellschaft?“

„Es ist schwer, die verschiedenen Faktoren in Beziehung zu bringen“, gab er zu. „Man sollte die Schwerkranken im Blick zu behalten, aber gleichermaßen auch die schweren Folgen für unser Leben.“

Das spätestens war das Stichwort für Kai Lanz, trotz der Namensgleichheit nicht verwandt mit dem Moderator: Erst vor wenigen Monaten hatte der 19-Jährige den kostenlosen Krisenchat.de für Kinder und Jugendliche eingerichtet und schon mehr als 15.000 Krisen-Beratungsgespräche vermittelt.

Der Bedarf wäre überwältigend, berichtete er. Die Hilfesuchenden litten an Einsamkeit, aber zunehmend auch unter häusliche Gewalt und Missbrauch. Typische Szenarien wären zudem Panikattacken oder Selbstverletzungen. „Jedes dritte Kind“, so hätte eine Hamburger Studie erst vor wenigen Tagen herausgefunden, „ist belastet“, erklärte er.

Rund um die Uhr standen bei Krisenchat.de 200 ehrenamtliche Psychologen bereit, um die Teenager bei ihren Sorgen zu beraten. Die Hälfte gab an, noch nie zuvor mit jemanden über das Problem gesprochen zu haben. „In dieser Altersgruppe ist nicht das Telefon, sondern der Chat die bevorzugte Kommunikationsform.“

Mit 1.500 Anfragen allein am letzten Wochenende, „sind wir an der Belastungsgrenze angekommen“, sagte Kai Lanz und es klang wie ein verzweifelter Hilferuf seinerseits: „Ich wünsche mir, dass morgen früh ein Anruf vom Familienministerium kommt oder wenigstens von einem privaten Förderer, der uns unterstützen will.“ Bisher habe das BMFSFJ auf seine Anfragen noch nicht reagiert, leider.

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen