Berlin. Ein Szenario zeigt, wie die Polizei ermitteln könnte. Bei „Markus Lanz“ ging der Plan von Minister Buschmann einigen nicht weit genug.

Man stelle sich vor, Markus Lanz würde sich – vermutlich auf zwielichtige Art und Weise – ein paar Kilo Dynamit besorgen. „Da könnte man auf die Idee kommen, dass Sie damit etwas Kriminelles tun möchten“, meint Marco Buschmann. Zurecht. Immerhin haben schon ein paar Kilo Dynamit eine ziemliche Sprengkraft.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Marco Buschmann, FDP-Politiker
  • Henrike Roßbach, Journalistin
  • Dirk Peglow, Polizist
  • Anette Dowideit, Journalistin

Buschmann bei „Lanz“: Daten bei schweren Straftaten einfrieren

Natürlich alles nur ein Gedankenspiel, mit dem der Justizminister die Vorteile seines Quick-Freeze-Verfahrens erläutern will. Nachdem ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs 2022 bestätigte, dass die bis dato geltende Vorratsdatenspeicherung, also das verdachtsunabhängige Speichern von Telefon- und Internetverbindungsdaten, nicht mit dem Europarecht vereinbar ist, muss nämlich ein neues Verfahren her.

Und das soll, wenn es nach Buschmann geht, so funktionieren: Sobald ein Anfangsverdacht besteht, sind Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Daten zu einzelnen Nutzerinnen und Nutzern für einen bestimmten Zeitraum zu speichern – sozusagen „einzufrieren“. Werden die Daten dann tatsächlich für die Ermittlungen gebraucht, können sie den dafür zuständigen Behörden übermittelt werden.

So könnten die Ermittelnden zum Beispiel überprüfen, ob sich das Handy einer Verdachtsperson zum Tatzeitpunkt in eine bestimmte Funkzelle rund um den Tatort eingeloggt hat oder sie könnten die Standortdaten der Mobiltelefone von nahen Angehörigen eines Opfers beziehen. Möglich soll dies allerdings nur bei schweren Straftaten wie etwa Totschlag, Erpressung oder Kindesmissbrauch sein. Oder falls Markus Lanz haufenweise Dynamit kauft.

„Markus Lanz“: Datenschutz eine deutsche Spezialität?

Doch so überzeugt Marco Buschmann von seinem Entwurf ist, sein Vorschlag erntet auch Kritik. Zum Beispiel von Dirk Peglow. „Straftaten verlegen sich vom analogen in den digitalen Bereich“, erläutert der Vorsitzende des Bund Deutscher Kriminalbeamter am Mittwochabend. Deshalb sei es für die Polizei umso wichtiger, neue Kompetenzen aufzubauen und die Möglichkeit zu haben, Daten langfristig zu erheben. Durch das Quick-Freeze-Verfahren, sei dies nicht gewährleistet. „Datenschutz ist manchmal auch Täterschutz“, betont Peglow.

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Den Datenschutz so hochzuhalten, sei eine äußerst deutsche Spezialität, meint auch SZ-Redakteurin Henrike Roßbach, die an anderer Stelle sogar von einem „Datenfetisch“ gesprochen hatte. Sie stört vor allem eins: Auf der einen Seite werde der Datenschutz in Deutschland extrem hochgehalten, doch die deutschen Behörden hätten auch „keine Hemmungen, die Daten von anderen Geheimdiensten zu nehmen.“ So geschehen bei Anis Amri, der vor sieben Jahren zwölf Menschen am Berliner Breitscheidplatz ermordete hatte. Damals soll den deutschen Behörden kurz vor der Tat von einem ausländischen Dienst ein Video zugespielt worden sein.

„Lanz“: Datenschutz mit ökologischen Folgen

Doch nicht nur bei der Strafverfolgung, auch ökologisch habe der strenge Datenschutz Konsequenzen für Deutschland. Zum Beispiel gab das Pharmaunternehmen Biontech Anfang Januar bekannt, sein neues Zentrum für die Erforschung und Entwicklung von neuartigen Krebsmedikamenten nicht in Deutschland, sondern in Großbritannien aufzubauen. Groß angelegte Studien durchzuführen, sei für das Unternehmen in England einfacher, weil sie dort auf Gesundheitsdaten zugreifen können, meint Roßbach.

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Marco Buschmann will das so nicht gelten lassen. „Ich lasse mir nicht einreden, dass es etwas Schlechtes ist, Datensouveränität zu behalten“, meint der FDP-Politiker. Zwar sehe auch er den Bedarf an einer elektronischen Patientenakte, um Datenverluste durch die Arbeit mit Karteikärtchen auszumerzen und bessere Forschung betreiben zu können. Dies sei für ihn allerdings „kein Widerspruch zu Souveränität“. Immerhin habe Deutschland bereits unter zwei Diktaturen gelitten, so Buschmann. Deshalb mache es nur Sinn, besonders sensibel mit personenbezogenen Daten umzugehen.

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