Berlin. Nach ihrer Nominierung zur grünen Kanzlerkandidatin gibt Annalena Baerbock ihr erstes großes Live-Interview bei ProSieben. So war es.

  • Annalena Baerbock ist frisch-gebackene Kanzlerkandidatin der Grünen
  • Anstatt ARD oder ZDF gibt sie ihr erstes großes Interview dem Privatsender ProSieben
  • Sie haben das Interview mit Baerbock verpasst? Unten finden Sie den Link zur ProSieben-Mediathek, um das Interview in ganzer Länge anzuschauen

Für ProSieben ist es ein Coup vor der heißen Phase des Superwahljahres: Die neue Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, schaut wenige Stunden nach ihrer Nominierung beim Privatsender vorbei – ARD und ZDF sind erst später am Abend dran.

Den ersten Gag von Moderatorin Katrin Bauerfeind kriegt die 40-Jährige nicht richtig mit. Für das Live-Interview wurde die populäre US-Serie „Chernobyl“ verschoben. Atomkatastrophe vor 35 Jahren, Tschernobyl, DNA der Ökopartei, da müsste doch bei einer Grünen was klingeln? Ging bei Baerbock in der Aufregung nach einem langen Jubeltag vielleicht unter.

Annalena Baerbock bei ProSieben: „War kein einfacher Schritt für uns“

In den ersten Minuten darf Baerbock noch mal erzählen, wie das mit Habeck und ihr bei der Entscheidung lief. Für ihn war es schmerzhaft, das verrät die Gewinnerin des Grünen-internen Castings. „War kein einfacher Schritt für uns.“ Aber was sollte er machen? Bei den Grünen ist die Frau der Star Lesen Sie auch: Kanzlerkandidatin der Grünen: Das ist Annalena Baerbock

Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, im Live-Interview mit ProSieben.
Annalena Baerbock, die Kanzlerkandidatin der Grünen, im Live-Interview mit ProSieben. © Screenshot ProSieben

Dann dreht Bauerfeind das Megafon ein bisschen lauter. Ob Baerbock beim Gedanken „der Arsch auf Grundeis geht“, im Kanzleramt künftig den Jumbo fliegen zu wollen, wenn sie doch bislang als Parteichefin in der Opposition in der Holzklasse Tomatensaft ausgeschenkt habe? Da klappt der Abgeordneten aus Potsdam kurz die Kinnlade runter. Solche Fragen gibt’s bei „Anne Will“ nicht. Sie habe „wahnsinnigen Respekt und Demut“ vor dem Amt, aber Habeck und die ganze Partei würden sie mit tragen. „Ich trete nicht alleine an!“

Bauerfeinds Sidekick Thilo Mischke (der ziemlich blass unterwegs ist) will von Baerbock wissen, wie die mit den Statussymbolen der Macht umgeht. Mit der Limousine zur Kita? Die mit einem Kommunikationsmanager verheiratete zweifache Mutter Baerbock bleibt da cool. Es gibt in Berlin kaum jemanden, der so viel Bodenhaftung hat wie sie. Abends schwingt sie sich am Hauptbahnhof in die Regionalbahn, um abends ihren Töchtern noch was vorzulesen.

Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock: "Wir können Veränderung"

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    Auf Baerbock passt jetzt das Bundeskriminalamt auf

    Immerhin verrät sie ein neues Detail. Baerbock hat jetzt Personenschutz. Das BKA passt auf die grüne Kanzlerkandidatin auf. Nicht schön in einer freien Gesellschaft, aber in einer Zeit, wo Rechtsextreme und Querdenker sich weiter radikalisieren, leider nicht zu ändern. SPD-Corona-Guru Karl Lauterbach kippten Unbekannte gerade einen Farbeimer über sein Auto. Kommentar: Was für Annalena Baerbock als Bundeskanzlerin spricht

    Dann geht es einmal quer durch den ProSieben-Gemüsegarten. Hartz IV, mehr Geld für Pflegekräfte, das dürfte viele Zuschauerinnen und Zuschauer des Privatsenders mehr interessieren als die letzte Umdrehung beim Klimaschutz oder der von den Grünen geplanten Reform der Schuldenbremse.

    Baerbock geißelt den Vor-Pandemie-Sparkurs in Kliniken. Applaus für Corona-Heldinnen? „Klatschen reicht nicht aus.“ Mehr Lohn müsse her, dafür die Tarifbindung gestärkt werden. Manche Kliniken zahlten aber „sehr gute“ Löhne, behauptet Baerbock, um sich sofort selbst in „bessere“ zu korrigieren.

    Verbotspartei Grüne? „Nein, überhaupt nicht“, versichert Baerbock

    Jetzt ist sie auf Betriebstemperatur. Die in unzähligen Interviews gestählte Grüne, seit 2018 Parteichefin, spürt, dass von den beiden Moderatoren nicht mehr viel zu befürchten ist. Da würde eine Anne Will oder eine Sandra Maischberger doch härter nachfassen. Mischke versucht es noch mal. Müssten die Klima-Grünen nicht Inlandsflüge verbieten? „Nein, überhaupt nicht“, erwidert der Gast. Baerbock ist da auf der Hut. Fleischloser Veggie-Day in Kantinen und andere geplante Vorschriften brachen den Grünen in früheren Wahlkämpfen das Genick.

    Ab 2030 dürften aber keine neuen Autos mit Verbrenner mehr zugelassen werden, fordert sie. Damit auf dem Land die ProSieben-Zuschauer mit Golf GTI in der Garage jetzt nicht vom Sofa springen, legt Baerbock nach, dafür müsse es dann mehr Bahnverbindungen geben: „Ich komm‘ selber vom Dorf!“, sagt sie herzerfrischend. Und beim Bäcker hat sie in der Jugend gejobbt, um Geld für den ersten Urlaub ohne die Eltern zu verdienen.

    Putin, ein Mörder? Da ist der Grünen-Star auf der Hut

    Bauerfeind wechselt noch mal vom Dorf in die Weltpolitik. Putin, Biden, Erdogan, Lukaschenko, wären die für eine Kanzlerin Baerbock nicht eine Nummer zu groß? „Braucht man da Eier beziehungsweise Eierstöcke?“ „Klare Haltung!“, ruft die Völkerrechtlerin und schaut grimmig. Dafür gibt’s von der Gastgeberin gleich ein Lob für die harte Tonlage.

    US-Präsident Biden hat Russlands Staatschef Putin als Mörder bezeichnet, sagt Baerbock das auch? Ein kniffliger Moment für die Bundestagsabgeordnete. Sagt sie jetzt Ja, produziert sie als frischgebackene Kanzlerkandidatin gleich den ersten Mega-Aufreger. Baerbock umschifft die Klippe. Putin stehe an der Spitze, lasse zu, dass der erst vergiftete, dann weggesperrte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in Lagerhaft in Lebensgefahr schwebe. Nawalny müsse sofort behandelt werden.

    Parteichefin, Abgeordnete, Mutter - Annalena Baerbock im Porträt

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      Und die Mörder-Frage? Könne sie von außen so nicht sagen. Jedenfalls sei Putin für ein Regime verantwortlich, dessen Akteure versucht hätten, Nawalny zu ermorden. Falls Kanzlerin Angela Merkel zugeschaut hat, dürfte sie mit ihrer möglichen Nachfolgerin an dem Punkt übereinstimmen. Klare Kante gegenüber Putin, aber diplomatisch auch nicht überzogen, dass morgen Botschafter einbestellt werden.

      Das Fazit des ProSieben-Talks mit Baerbock

      Dann sind die 45 Minuten schon vorbei. Fazit: Ex-Trampolinspringerin Baerbock musste keine Salti vorturnen, um die recht zahmen ProSieben-Moderatoren zu überzeugen. Die klatschen am Ende stellvertretend für das nicht anwesende Saalpublikum artig Applaus.

      Ein Stefan Raab hätte sicher härter zugelangt. Denn das Baerbock-Interview ist nicht das erste Mal, dass der Sender in der politischen Arena von sich reden macht. 2013 mischte der damalige Pro7-Star-Raab das TV-Duell zwischen Angela Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf. Raab wollte Steinbrück vor der Wahl ein Bekenntnis zu einer großen Koalition (die ja später auch kam, aber ohne Steinbrück) abzuringen: „Das ist doch keine Haltung zu sagen: Ich will nur gestalten, wenn ich 'King of Kotelett' bin.“ Mit zu viel Fleisch stehen die Grünen ja auf Kriegsfuß. Vielleicht bekommt Baerbock woanders noch mal eine saftige Kotelett-Frage serviert. Auch interessant: Bislang wurde kein CSU-Kandidat auch Kanzler

      Interview mit Baerbock in der ProSieben-Mediathek anschauen

      Wenn Sie das Interview mit Baerbock verpasst haben, können Sie es sich hier in der Mediathek von ProSieben anschauen.