Berlin. Bei Lanz berichtet ein Gast, wie sich China durch die Pandemie verändert hat – und warum Corona ein Geschenk für die Diktatur ist.

Während in Deutschland nach und nach das öffentliche Leben wieder seinen gewohnten Gang zu gehen scheint, sieht die Situation im Ausland anders aus: In den USA liegen die Corona-Todeszahlen mittlerweile bei über 100.000, im Iran beobachtet man eine zweite Infektionswelle und in China gibt es neue Lockdowns, wie Ostasien-Korrespondent Ulf Röller und Grünen-Politiker Omid Nouripour bei „Markus Lanz“ berichteten.

„Es gibt Großstädte, die wieder abgeriegelt werden. Diesmal nur mit einer ganz anderen Informationspolitik – es wird einfach nicht darüber geredet, mit einer neuen Härte und Systematik“, erklärte Nouripour in der Talkshow. Röller, der das ZDF-Auslandsstudio in Peking leitet und per Video der Sendung zugeschaltet war, teilte ähnliche Erfahrungen.

Markus Lanz – das waren die Gäste:

  • Gerhart Baum, Ex-Bundesinnenminister und FDP-Politiker
  • Christiane Hoffmann, „Spiegel“-Redakteurin
  • Ulf Röller, ZDF-Studioleiter Ostasien
  • Omid Nouripour, Bundestagsabgeordneter, außenpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen
  • Ralf Dümmel, Unternehmer, bekannt aus „Die Höhle der Löwen“

China-Korrespondent bei Lanz: Corona ein Geschenk für die Diktatur

Die Freizügigkeit in China sei so sehr eingeschränkt, dass man sich selbst als Reporter gar kein eigenes Bild von den vermeintlichen neuen Lockdown-Zonen machen könne, erklärte Röller. Viele Informationen wisse er nur durch vielfaches Hörensagen. Offizielle Angaben zu den betroffenen Städten gebe es ebenfalls nicht: „Die Politik ist sehr rigide. Der Staat hat es wirklich geschafft, die Pressepolitik komplett zu kontrollieren“, so Ulf Röller.

Generell überwache der autoritäre Staat seine Bürger jetzt noch massiver als zuvor: „Jeder muss diese Gesundheits-App haben und wenn das eigene Bild nicht grün ist, dann kann man sich eigentlich gar nicht draußen bewegen“, erzählte der Korrespondent. Das Coronavirus sei, zynisch formuliert, quasi ein Geschenk für die Diktatur, meinte Röller: „Denn sie können Journalisten mit sehr guten Gründen isolieren und festnageln – und das ist das Ende von Journalismus.“

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Gerhart Baum bei „Markus Lanz“: China nutzt Corona für totale Überwachung

Gerhart Baum, FDP-Politiker und ehemaliger Bundesinnenminister, empörte sich über diese Zustände: „Im Grunde nutzen die Chinesen jetzt Corona, um ihr Volk weiter in einen Unterdrückungsstaat, in die totale Überwachung ihres sozialen Verhaltens zu bringen. Die haben nicht nur die Meinungsfreiheit im Griff, die haben ihr ganzes Volk im Griff.“

Für Staatschef Xi Jinping und seine Kommunistische Partei gehe es laut Ulf Röller auch längst nicht mehr um die Bekämpfung des Virus, sondern vor allem um einen Wettkampf gegen die USA. „Xi Jinping kann gerade, wahrscheinlich mit Recht, den Eindruck erwecken, dass sie es besser gemacht haben als die Amerikaner“, so der ZDF-Korrespondent. Es besser zu machen als die andere Weltmacht – das sei mittlerweile das Maß der Dinge für die chinesische Regierung.

„Markus Lanz“: Pandemie als Wettkampf zwischen den USA und China

Omid Nouripour sah das ähnlich: „China hat in dieser Pandemie den Systemwettbewerb laut und klar ausgerufen“, so der Bundestagsabgeordnete der Grünen. Es sei daher umso wichtiger, jetzt Missstände in dem Land zu thematisieren, fand Nouripour. Nur so könne man diesen Kampf bestehen – und zeigen, welche Vorteile eine Demokratie gegenüber einem autoritären Staat mit sich bringe.

Seit das Reisen in China wieder erlaubt ist, machte sich Ulf Röller für eine Dokumentation ein Bild davon, wie die Corona-Pandemie das Land verändert hat. Tatsächlich leiden die Menschen in der „sozialistischen Marktwirtschaft“ besonders unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. „Die meisten Chinesen haben eine kleine oder große Aufsteigerbiografie und die ist jetzt unterbrochen“, erklärte Röller.

Der chinesische Päsident Xi Jinping bei einer Übertragung des Nationalen Volkskongresses: Bei „Markus Lanz“ äußerten die Gäste Sorgen um die politische Entwicklung des Landes nach der Corona-Krise.
Der chinesische Päsident Xi Jinping bei einer Übertragung des Nationalen Volkskongresses: Bei „Markus Lanz“ äußerten die Gäste Sorgen um die politische Entwicklung des Landes nach der Corona-Krise. © Getty Images | Kevin Frayer

Journalist bei Lanz: China will Social-Credit-System einführen

Menschen, die bis vor kurzem noch in Touristenhochburgen gearbeitet hätten, wären nun zurück aufs Land gezogen und ernteten Reis. Diese Rückentwicklung sah der China-Experte als das größte Problem für die Staatsführung um Xi Jinping: „Die Mehrheit der chinesischen Gesellschaft ist, trotz großer Unterdrückungsmechanismen, der Kommunistischen Partei gegenüber bisher sehr loyal gewesen, weil eben dieses Aufstiegsversprechen über Jahre erfüllt worden ist.“

Zu einem Umsturz oder zumindest einer Veränderung des Systems führe das zwar noch lange nicht, sagte Röller. Aber den entstandenen Frust und den Unmut fürchte die Kommunistische Partei trotzdem. Auch deshalb würden Pläne für ein Social-Credit-System und andere neue staatliche Kontrollmechanismen nun aus der Schublade gezaubert: „Man darf sich keinen Illusionen hingeben: Corona wird irgendwann vorbei sein, aber die Kontrolle wird bleiben.“

So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: