Berlin. Bund und Länder haben sich auf Lockerungen der Corona-Maßnahmen geeinigt. Wird jetzt alles gut? Bei Lanz wurden Bedenken angemeldet.

Wolfgang Kubicki möchte Klarheit. Der FDP-Vize will wissen, wann die Menschen in Deutschland – trotz Corona-Krise – ihr Leben wieder planen können. „Die psychologischen Folgen sind gravierend, wenn die Leute keine Wegmarken bekommen“, sagte der Bundestagsvizepräsident am Mittwochabend bei Markus Lanz.

Geschäfte mit einer Größe bis 800 Quadratmeter dürfen ab Montag wieder öffnen, der Schulbetrieb beginnt ab dem 4. Mai – eingeschränkt. Darauf haben sich Bund und Länder geeinigt. Man könnte auch sagen: Es sind kleine Schritte auf dem Weg zurück in die Normalität.

Markus Lanz – das waren die Gäste:

  • Peter Altmaier (CDU), Politiker und Bundeswirtschaftsminister
  • Peter Tschentscher (SPD), Politiker, Arzt und Hamburger Bürgermeister
  • Wolfgang Kubicki (FDP), Poltiker, stellvertretender Parteivorsitzender und Jurist
  • Karl Lauterbach (SPD), Politiker, Epidemiologe und Gesundheits-Experte
  • Prof. Melanie Brinkmann, Virologin

Doch vieles bleibt unklar: Wie genau soll Unterricht im Einklang mit strengen Hygienevorschriften ablaufen? Warum dürfen große Händler, die im Zweifel mehr Platz für Abstand zwischen Kunden gewährleisten können, nicht auch öffnen? Und welche Perspektive gibt es für den Tourismus, Hotels, Gastronomie?

Corona-Maßnahmen: Zwei Sichtweisen prallen aufeinander

In der Debatte bei Markus Lanz prallten zwei Sichtweisen aufeinander. Auf der einen Seite stand FDP-Mann Wolfgang Kubicki, der vor allem politisch argumentierte. Grundrechte müssten gewahrt bleiben, eine Perspektive, ein klarer Fahrplan seien wichtig, um die Akzeptanz der Bevölkerung nicht zu verlieren.

Eine gegenläufige Position nahm der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach ein, der – unterstützt von der Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum – vor allem medizinisch argumentierte.

Wo Kubicki drängelte, trat Lauterbach auf die Bremse. Wie schon der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), die per Video im TV-Studio zugeschaltet waren, legte auch Lauterbach den Fokus auf die Macht der Zahlen – und damit auf Statistik.

Coronavirus: Reproduktionszahl darf nicht auf über 1 steigen

Aktuell liege R0, also die Reproduktionszahl, die angibt, wie viele Menschen ein Corona-Erkrankter ansteckt, bei 1. „Das ist auf Kante genäht“, sagte Lauterbach. Steige R0 nur leicht – also auf 1,1 oder 1,2 oder gar 1,3 – stehe das Gesundheitssystem schon bald vor großen Problemen.

Das exponentielle Wachstum beginnt erneut. Jede Lockerungsmaßnahme gehe mit der Gefahr einher, dass R0 steigt – und die Epidemie außer Kontrolle gerate. „Wir müssen die jetzige Rate halten, bis es eine Impfung gibt“, sagte Lauterbach.

Virologin bei Lanz: Erneuter Lockdown wäre auch psychologisch schlimm

Ähnlich äußerte sich Virologin Brinkmann, die eine Reproduktionszahl von 1 als „nah am Abgrund“ bezeichnete. Es wäre fatal, wenn Fehlentscheidungen getroffen würden, die Infektionszahlen wieder steigen und ein erneuter Lockdown notwendig wäre.

„Auch psychologisch ist es schlimm, wenn Freiheiten erst gewährt und dann wieder genommen werden“, sagte die Wissenschaftlerin. Sie hätte es daher bevorzugt, die Rückkehr zur Normalität noch etwas hinauszuzögern, R0 also weiter zu senken – um hinterher mehr Spielraum zu haben. „Ich denke, da reden wir über einige Wochen zusätzlich“, sagte Brinkmann.

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Die Sicht der Wissenschaft ist in diesem Punkt klar, umsetzen aber muss es die Politik – mit allen Konsequenzen. Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher, ebenfalls Arzt, warnte davor, zu schnell zu viel zu wollen.

Corona-Krise in Deutschland: Es mangelt an Masken und an Testkapazität

„Wir dürfen nicht riskieren, dass Erfolge aufs Spiel gesetzt werden“, sagte der SPD-Politiker. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen, die ersten Lockerungen, seien „ein kleiner Schritt, der es schon in sich hat“ – eine Aussage, die verdeutlicht, wie fragil die Lage aus epidemiologischer Sicht noch immer ist.

Im Gegensatz zu Südkorea, das das Coronavirus gut im Griff hat, fehlt es in Deutschland aktuell an vielen Dingen: Millionen Atemschutzmasken, die die Regierung inzwischen dringend empfiehlt, sind nicht vorhanden. Eine App, die Kontakt zu Infizierten zeigt, fehlt ebenso. Und die Testkapazitäten reichen noch immer nicht aus, um die Bevölkerung flächendeckend zu scannen. „So lange es all das nicht gibt, muss man bei Lockerungen konservativ vorgehen“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach.

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Eine Hoffnung aber bleibt: der Impfstoff, der das Problem endgültig lösen soll. „Ich bin überzeugt, dass wir einen Impfstoff bekommen werden“, sagte die Virologin Melanie Brinkmann. Möglicherweise in einem Jahr. „Das wäre Wahnsinn, das wäre toll.“

So lange aber muss die Gesellschaft mit dem Virus leben. Und Wolfgang Kubicki mit der Unklarheit.

So wurde die Corona-Krise bisher bei „Markus Lanz“ diskutiert: