Berlin. Christian Berkel über das Serien-Aus von „Der Kriminalist“, sein verfilmtes Romandebüt und warum ihm Antisemitismus an die Nieren geht.

Seit 13 Jahren ermittelt Christian Berkel in der Serie „Der Kriminalist“ nun schon als Kommissar Bruno Schumann in Berlin, doch damit ist bald Schluss: Der neuerdings auch als Romanautor erfolgreiche Schauspieler will sich künftig auf andere Rollen und aufs Schreiben konzentrieren.

Ab 11. Oktober zeigt das ZDF die vorletzte Staffel des Dauerbrenners mit sechs neuen Folgen (immer freitags um 20.15 Uhr), nächstes Jahr wird die Serie nach 109 Folgen eingestellt.

Herr Berkel, kürzlich wurde bekannt, dass die Krimireihe „Der Kriminalist“ eingestellt wird. Welches Ende wird es mit Kommissar Bruno Schumann nehmen?

Christian Berkel: Im klassischen Sinne gar keines. Ich wollte nicht, dass wir uns ein besonderes Ende ausdenken, weil so etwas bis auf seltene Ausnahmen immer misslingt. Mir als Zuschauer kommt es oft sehr aufgesetzt und platt vor, wenn der Kommissar im Dienst erschossen oder versetzt wird.

Ist der Abschied von Ihnen ausgegangen?

Berkel: Ja. Ich wollte nicht erst Schluss machen, wenn Bruno Schumann an Altersschwäche stirbt. Man kann an Politikern oft genug sehen, was passiert, wenn jemand zu lange an seinem Stuhl klebt. Ich wollte den richtigen Augenblick nicht verpassen. Und natürlich hatte es auch mit der Arbeit an meinem Buch zu tun.

Sie sprechen von Ihrem Debütroman „Der Apfelbaum“…

Berkel: Ich habe eine extrem intensive Zeit hinter mir. Durch die gleichzeitige Arbeit am Buch und die Dreharbeiten hatte ich permanent Sieben-Tage-Wochen, das ging an meine Grenzen. Ich will aber künftig sowohl weiter schreiben als auch drehen, und da nimmt der Kriminalist mit seinen 100 Drehtagen im Jahr einfach zu viel Raum ein, ich könnte auf Dauer gar keine anderen Rollen mehr spielen.

Hätten Sie mit den enormen Erfolg des Buchs gerechnet, das zum Bestseller wurde?

Berkel: Damit habe ich natürlich nicht gerechnet, das wäre ja vermessen.

In dem Roman schildern Sie eine fiktionalisierte Form Ihrer deutsch-jüdischen Familiengeschichte. Sind Sie seit dieser intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema dünnhäutiger geworden, was den wieder aufkeimenden Antisemitismus angeht?

Berkel: Ja. Früher gab es Phasen, in denen ich dachte, dass da womöglich auch etwas herbeigeredet wird. Aber mittlerweile muss man den Tatsachen ins Auge sehen: In den letzten Jahren sind in einem irrwitzigen Tempo nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa und darüber hinaus, Dinge passiert, die man nicht für möglich gehalten hätte. Dieser extreme Rechtsruck, der vielleicht eine Reaktion auf die Ratlosigkeit der Politik ist, wird immer gefährlicher.

Sind Sie persönlich auch betroffen?

Berkel: Ich habe mich zu meinem Entsetzen auf einer Liste wiedergefunden, in der sogenannte „Verräter an der weißen Rasse“ aufgelistet werden. Das ist eine internationale Liste, die Urheber sind unbekannt, aus Deutschland sind etwa 300 Namen darauf – das geht von Angela Merkel quer durch Politik, Kultur und Wissenschaft. Der Gipfel ist, dass bei allen Juden noch ein Davidstern abgebildet ist.

Gab es auch konkrete Drohungen?

Berkel: Nein, zum Glück nicht. Ich weiß nicht genau, was mit der Liste bezweckt wird und was passieren kann, aber es reicht ja schon, wenn mit dem Finger auf die Personen auf der Liste gezeigt wird. Wenn man mir vor ein paar Jahren gesagt hätte, dass ich mal auf so einer Liste lande, hätte ich wohl gelacht und das für übertrieben gehalten.

Aber von solchen Erfahrungen wollen Sie sich nicht davon abhalten lassen, eine Fortsetzung Ihres Buches zu schreiben?

Berkel: Nein, da bin ich auch schon eine Weile dran. Ich möchte Teile meiner Familie in die 60er-Jahre begleiten, die Geschichte wird dann noch stärker fiktionalisiert als im ersten Teil. Ich habe gelesen, wie stark das Wirtschaftswunder der 50er-Jahre von hochrangigen Alt-Nazis ermöglicht wurde, und wie lange diese Leute in der Bundesrepublik in hohen politischen Positionen fungierten, zum Beispiel Hans Globke als rechte Hand von Adenauer. Das finde ich schockierend, und vor dieser Folie wird die Fortsetzung spielen.

Aus „Der Apfelbaum“ soll eine Miniserie werden. Werden Sie oder Ihre Frau, Andrea Sawatzki, mitspielen?

Berkel: Wir stehen noch ganz am Anfang und entwickeln gerade erst ein Konzept, wie wir die Geschichte filmisch erzählen. Wenn die Macher wollen, dass ich mitspiele, werde ich mich nicht verweigern, aber ich will mich nicht aufdrängen. Für meine Frau bietet sich keine Rolle an, und wir wollen ja auch nicht, dass das unsere Privatgeschichte wird.

Was sind Ihre nächsten künstlerischen Ziele?

Berkel: Ich möchte im Spielen neue Wege gehen. Deshalb habe ich ja auch mit „Der Kriminalist“ aufgehört, weil mir zu wenig Raum für anderes blieb. Das wollte ich in einer Lebensphase ändern, in der ich noch die Energie habe – irgendwann bin ich vielleicht zu alt.

Sie werden bald 62. Macht Ihnen das Älterwerden Angst?

Berkel: Mich erschreckt es nicht. Noch verspüre ich keine fürchterlichen körperlichen Einschränkungen. Ich fühle mich eigentlich sogar befreit, denn in der Jugend macht einem jeder Misserfolg Angst, heute weiß ich, dass jede Krise auch mal vorüber ist. Was ich wirklich absurd finde ist, dass man es in unserer Branche und unserer Welt als älter werdender Mann leichter hat. Ich finde das Altern bei Frauen genauso spannend und interessant wie bei Männern. Ein gesunder Wald hat doch nicht nur junge, sondern auch alte und mittelalte Bäume.