Berlin. Das „Team Wallfraff“ ist für spektakuläre Enthüllungen bekannt und berüchtigt. Jetzt musste Billigflug-Anbieter Ryanair dran glauben.

Eine Reporterin des Enthüllungsjournalisten-Teams um Günter Wallraff hat sich unter dem Namen Alicia in ein sechswöchiges Ausbildungsprogramm für Flugbegleiter bei Ryanair geschlichen. Was die Undercover-Journalistin dabei auf- und entdeckt, ist erschreckend.

Im Flugzeug will man sich als Passagier darauf verlassen können, dass man sicher ist und Piloten und Kabinencrew im Notfall handlungsfähig sind. Aber in der Ausbildung bei Ryanair steht der Fokus offenbar weniger auf Sicherheit, sondern mehr auf dem Verkauf von Artikeln während des Fluges.

„Team Wallraff“-Reporterin erlebt bei Ryanair Klima der Angst

Die sechswöchige Ausbildung wird nicht von Billigflieger Ryanair selbst ausgeführt, sondern von der Firma Crewlink. Bei der Schulung im Kasernenhofton erlebt die junge Journalistin ein Klima der Angst und Einschüchterung.

Eine Ausbilderin kontrolliert das Aussehen der angehenden Flugbegleiter und keift rum. Eine andere Ausbilderin stellt sich mit den Worten vor: „Ich bin die Person, die ihr in den nächsten sechs Wochen am meisten hassen werdet.“

Viele Auszubildende sind überfordert

Erschreckend: Das Thema medizinische Versorgung wird in anderthalb Tagen behandelt. Insgesamt werden 40 verschiedene Notfall-Szenarien vorgestellt – Evakuierung inklusive. Aber davon werden nur sieben geübt. Und jeder Auszubildende spielt jeweils ein Szenario durch – genau einmal. Sicher ist anders, denn nach bestandener Prüfung sind diese Menschen für die Sicherheit und die Not-Evakuierung ihrer Passagiere verantwortlich.

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Viele Auszubildende sind unsicher und räumen gegenüber der RTL-Reporterin ein, dass sie in einer kritischen Situation überfordert wären. „Alle unsere Kabinenpersonalschulungen sind von der irischen Luftfahrtbehörde gemäß den EASA-Bestimmungen genehmigt“, teilte die Firma Crewlink dazu auf Nachfrage lediglich mit.

Vertrag verstößt gegen deutsches Arbeitsrecht

Mit fast einer Woche nimmt der Verkauf an Bord einen großen Raum in der Ausbildung ein – anders als die Themen Sicherheit und Erste Hilfe. Klare Ansage der Ausbilderin: „Sie denken immer in Zahlen. Sie sind ein Investement.“ Heißt: Wir zahlen ihr Gehalt, also holen sie das Geld wieder rein.

Nach bestandener Prüfung staunt Alicia nicht schlecht, als sie ihren Arbeitsvertrag von Crewlink erhält, die für Ryanair Personal stellt. Das Arbeitspapier sieht unter anderem nur 18 Urlaubstage vor. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 28 Tagen.

Hintergrund: Umweltfreundliches Fliegen – dieser Plan wäre gut fürs Klima

Auch die Kündigungsfrist in der 13-wöchigen Probezeit verstößt gegen deutsches Arbeitsrecht: null Tage. Normalerweise gilt in einer sechsmonatigen Probezeit eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Ryanair dazu lapidar: „Crewlink hält sich voll und ganz an das deutsche Arbeitsrecht.“

Ab November bietet Ryanair keine innerdeutschen Flüge mehr an. Einer der Gründe sind wohl die erheblichen Gewinneinbußen, die der Billigflug-Anbieter im ersten Quartal 2019 zu verzeichnen hatte.

(guhe)