Berlin. Arte präsentiert mit „El Hierro – Mord auf den Kanaren“ eine neue Krimiserie. Der Achtteiler bietet weit mehr als malerische Motive.

Wo bleibt der Bräutigam? Die Braut wartet vor der Kirche und verflucht ihn, die Gäste sind schon drinnen, und nun muss ihn wohl die Dorfpolizistin daheim abholen. Doch die findet nur seinen Hochzeitsanzug sauber gefaltet auf dem Bett. Kurz darauf wird seine Leiche aus dem Meer gezogen; ein Taucher hat sie in einer Höhle unter Wasser entdeckt.

Es mangelt ja im deutschen Fernsehen nicht gerade an Krimis in vermeintlich exotischer Umgebung. In der Regel müssen sich deutsche Schauspieler dann in portugiesische, türkische oder italienische Ermittler verwandeln, was sie so authentisch erscheinen lässt wie die Jodler beim Oktoberfest in Memphis, Tennessee.

„Mord auf den Kanaren“: Kamera feiert die spröde Schönheit

Nun erlebt die kleinste kanarische Insel ihre Krimiserien-Premiere mit dem zugegebenermaßen wenig originellen Titel „El Hierro – Mord auf den Kanaren“. Sie kommt mit hier wohl überwiegend unbekannten Gesichtern aus Spanien in acht Teilen zu uns und findet bei Arte einen würdigen Gastgeber: keine Werbung, Start mit drei Teilen zur Hauptsendezeit.

Natürlich lässt es sich Regisseur Jorge Coira nicht nehmen, die spröde Schönheit der Insel mit ihren steilen grünen Hängen, den schroffen Klippen und in die Landschaft gekleckerten Häuschen zu feiern, oft aus der Vogelperspektive – beim Tourismusverband werden sie Freudentränen vergießen.

Nichts bleibt geheim auf der Insel

Aber El Hierro, das ist hier weit mehr als die Suche nach ein paar Postkartenmotiven, mit denen sich eine Geschichte malerisch garnieren ließe. Coira und seine vier Drehbuchautoren spüren den Eigenheiten der wenigen Bewohner nach, ohne sie mit plakativer Schrulligkeit auszustatten.

Jeder kennt jeden, nichts bleibt geheim, und mit dieser für Fremde beinahe ablehnend wirkenden Geschlossenheit konfrontiert die Serie die Richterin Candela Montes (Candela Peña), frisch auf die Insel versetzt, strotzend vor Selbstbewusstsein und Entscheidungsfreude.

Spannungen bestimmen das Miteinander

Selbst die alteingesessene Sekretärin macht ihr ungeniert klar, wie wenig sie von der Neuen hält. Elegant belässt Coira diese Spannungen stets knapp unter der Oberfläche, sie sind der allgegenwärtige Grundton im alltäglichen Miteinander.

Candela Montes will mit der Polizei den Mörder finden. Schnell wird ihr immerhin ein Hauptverdächtiger präsentiert: Brautvater Diaz (Darío Grandinetti), der heimlich Drogen verschiebt, fand den angehenden Schwiegersohn fürchterlich und hat kein Alibi. Nun beginnt er selbst zu ermitteln, seine Nachbarn behandeln ihn wie einen Ausgestoßenen.

Darstellerischer Minimalismus

Coira nimmt den ruhigen Grundton der Insel auf, sein Erzähltempo fließt eher gemächlich, aber nie langweilend dahin. Seine Schauspieler, allen voran Grandinetti, pflegen einen darstellerischen Minimalismus, der sich wunderbar ins Gesamtgebilde einfügt. Wer hysterische Zuspitzungen und Action sucht, wird umstellen müssen.

Es braucht eine Weile, sich hineinzufinden in diese verschlossen wirkende Welt, das kennt man im Übrigen auch von den ungleich größeren Netflix-Serien. Darum ist es gut, dass Arte gleich drei Teile am Stück serviert. Es lohnt sich.