Essen. Hanne wird aus ihrer perfekten Welt gerissen: Hat sie Blutkrebs? Ein Wochenende lang zittert sie der endgültigen Diagnose entgegen.

Man kann die Filme des Regisseurs Dominik Graf einfach nicht einordnen. Zeitweise wähnte man den neunfachen Grimme-Preisträger auf der sicheren Krimischiene. Aber dann tauchen da plötzlich auch Beziehungsdramen („Die Freunde der Freunde“) und sogar historische Stoffe („Die geliebten Schwestern“) auf. Und jetzt auch noch so etwas wie „Hanne“ (ARD, 20:15 Uhr), das Portrait einer Frau im Zeitraum von nur zweieinhalb Tagen. Es ist eine Zeitspanne, in der es für sie um Leben oder Tod geht.

Hanne (Iris Berben) war immer die rechte Hand der Geschäftsleitung, jetzt feiert sie ihren Ausstand und weiß mit dem Begriff „Pensionärin“ so gar nichts anzufangen. Als Erstes begibt sie sich ins Krankenhaus, um sich dort ihre Krampfadern entfernen zu lassen. Doch der Arzt spricht plötzlich von „Auffälligkeiten“ im Blutbild und überhäuft sie mit Medizinerausdrücken. Endlich fällt das Wort „Blutkrebs“ und hebt diese perfekte Frau zum ersten Mal völlig aus der Bahn. Dabei ist noch gar nichts konkret, Endgültiges wird sie erst am Montag erfahren.

Iris Berben überzeugt als Hanne

Grafs Film zeigt eine Frau, die nun Zeit totschlagen muss, während so etwas wie ein Damoklesschwert über ihr hängt. Iris Berben spielt diese Hanne mit einer Wahrhaftigkeit, als sei sie selbst die Betroffene und liefert damit ihre bisher sicher beste Leistung. Man muss sie nur betrachten, wie sie dem starken Drehbuch von Beate Langmaack Gestalt verleiht. „Sie sollten versuchen, sich abzulenken“, hatte ihr der Arzt empfohlen.

Die perfekte Hanne hat das nie gelernt, tut aber ihr Bestes. Sie checkt in einem Hotel ein, versucht im Schwimmbad mal wieder zu kraulen. Sie besucht ein Restaurant und freundet sich mit einer Dessous-Verkäuferin (Petra Kleinert) an, der sie ihre ganze Situation offenbart. Sie verbringt sogar eine Nacht mit einem alten Schwarm (Herbert Knaup) aus der Studentenzeit.

Nichts weiter als ein Lächeln

Der Regisseur ist bekannt dafür, dass er zwischen Kino- und Fernsehfilm keinen Unterschied macht, dass für ihn nur der Stoff von Wichtigkeit ist. In diesem TV-Film jedoch merkt man deutlich, dass er Kinobilder benutzt hat. Wie Hanne hier bei starkem Regen und Wind über ein Feld stapft und dabei einen glühend roten Mantel trägt, ist diese Farbe auf der Leinwand gewöhnlich ein Symbol für den Tod.

Und beinahe surreal mutet die anschließende Begegnung mit einer sehr speziellen Großfamilie an, die ihr ein frisch geschlachtetes Huhn mit auf den Weg gibt. Aus dem sie dann auch prompt in der Küche des Hotels, mit Hilfe des weiblichen Nachtportiers, eine Suppe kocht. Für ihren Sohn, der bald Vater wird.

Wann immer es sich ergibt, dann mag es Regisseur Dominik Graf sehr gern, wenn er sprachlich in seinen Filmen vorkommt. Bei „Hanne“ ist das gut möglich, denn der Film ist in Episoden eingeteilt, die vom Regisseur mit ein wenig Ironie (Beispiel: „Die Suppe auslöffeln“) angekündigt werden. Und Hanne? Die sitzt am Montag pünktlich in der Klinik und harrt ihres Schicksals. Der Arzt kommt, ihr letztes Bild ist ein vorsichtiges Lächeln. Damit müssen wir leben.