Berlin. Im ZDF standen sich Manfred Weber und Frans Timmermans gegenüber. Ihr Problem: Sie waren sich oft einig – und sie sind kaum bekannt.

Als alles vorbei war, wollte ZDF-Chefredakteur Peter Frey noch ein Fazit ziehen. Eine „geballte Ladung Leidenschaft“ sei das gewesen, teilte er den Zuschauern mit.

Die hatten in den 90 Minuten zuvor gesehen, wie sich Manfred Weber von der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP) und der Niederländer Frans Timmermans, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, im TV-Duell gegenüberstanden. Beide Politiker wollen nach den Wahlen zum Europaparlament an die Spitze der EU-Kommission aufsteigen – und damit die Nachfolge von Jean-Claude Juncker antreten. Das sind die wichtigsten Informationen zur Europawahl 2019.

TV-Duell: Oft herrschte Harmonie zwischen Weber und Timmermans

Wer Kommissionspräsident wird, entscheidet maßgeblich mit über die Geschicke Europas. Ein Amt, das eine Fülle an Prestige und Macht bietet. Und um das es sich zu kämpfen lohnt. Die Einschätzung aber, dass die Zuschauer ein mitreißendes Duell gesehen haben, dürfte Frey, der die Sendung zusammen mit der österreichischen ORF-III-Chefredakteurin Ingrid Thurnher moderierte, exklusiv haben.

Zu harmonisch, ja fast freundschaftlich, agierten die beiden Spitzenpolitiker. CSU-Mitglied Weber und der bisherige Vizepräsident der EU-Kommission Timmermans schätzen sich, sind per „Du“, lachten viel – und gaben sich häufig gegenseitig Recht.

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Manfred Weber bietet überraschend wenig Angriffsfläche

Sei es bei der Besteuerung von Internet-Riesen wie Amazon und Google, die beide angehen wollen, ihrer Ablehnung von Atomkraft, der umstrittenen EU-Urheberrechtsreform, für die sie sind, oder der Frage, ob der Islam zu Europa gehört, die beide bejahten: Oft herrschte Einigkeit. Das lag auch an Manfred Weber.

Der CSU-Mann ist kein Hardliner, niemand, der polarisiert. Dass Weber so wenig Angriffsfläche bietet, wurde auch im Einspielfilm zu Beginn als eine Stärke hervorgehoben. Vor allem beim Thema Migration zeigte sich diese Seite: Es kommt selten vor, dass ein CSU-Politiker Kanzlerin Angela Merkel auch heute noch dafür lobt, im Sommer 2015 nicht die Grenze geschlossen zu haben – Weber tat es.

CO2-Steuer: Manfred Weber gegen Belastungen

Timmermans ist zwar der bessere, der leidenschaftlichere Redner. Viele Treffer landete er gegen seinen Konkurrenten trotzdem nicht. Am ehesten gelang ihm das noch bei der Umweltpolitik. Er wolle Nachhaltigkeit zur Chefsache machen, sagte er. Und präsentierte auch gleich konkrete Vorschläge: Eine CO2-Steuer soll helfen, die Klimaziele zu erreichen.

Von dieser Idee hielt Manfred Weber nichts. Er lehnte rigoros jede weitere Belastung ab. Stattdessen setzte er beim Klimaschutz auf „Innovationen“ – und darauf, dass die Sprit- und Heizölpreise nicht weiter steigen.

Kommentar: CO2-Steuer: In der Theorie gut, in der Umsetzung schwierig

Timmermans für europaweiten Mindestlohn

Auch beim Thema soziales Europa gelang es Timmermans, sich von seinem Gegenspieler abzusetzen. Er finde es unerträglich, wenn junge Leute in Europa für zwei oder drei Euro die Stunde arbeiten müssten. Sein Vorschlag: Ein europaweiter Mindestlohn, der in jedem Land bei 60 Prozent des mittleren Einkommens liegen müsse. Und Manfred Weber?

Der CSU-Politiker sang ein Loblied auf die Soziale Marktwirtschaft, lobte die Gewerkschaften. Konkrete Pläne gegen Dumpinglöhne konnte er aber nicht präsentieren. Im Gegenteil: Er sagte, dass er von jungen Menschen in Südeuropa ohnehin nicht auf Mini-Löhne angesprochen werde – sondern auf fehlende Jobs. Weber: „Da müssen wir ran!“.

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Beim Thema EU-Armee scherte Timmermans aus

Auf dem Feld der Außenpolitik herrschte dagegen wieder Einigkeit. Beide wollen ein stärkeres Europa, das souveräner gegenüber US-Präsident Trump auftritt. Sie bedauern den Brexit und argumentierten kompromisslos gegen Populisten wie Italiens Innenminister Matteo Salvini oder den ungarischen Premier Viktor Orban, die Europa von rechts angreifen.

Nur beim Thema gemeinsame EU-Armee scherte Sozialdemokrat Timmermans aus. „Die Armee ist nicht der europäische Traum. Frieden ist der europäische Traum“, sagte er.

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„Geballte Ladung Leidenschaft“? Die hat nur Peter Frey gesehen

Die beiden Spitzenkandidaten haben ein weiteres Problem: Die meisten Bürger kennen sie nicht. In Deutschland weiß gerade mal ein Viertel der Wähler, wer Manfred Weber – immerhin CSU-Vize – ist. Frans Timmermans kommt auf noch schlechtere Werte.

Das TV-Duell wäre also eine gute Gelegenheit gewesen, sich tiefer im Bewusstsein der Deutschen zu verankern. Doch dafür waren beide Kandidaten zu zahm, zu sehr um Konsens bemüht. Die „geballte Ladung Leidenschaft“ hat nur ZDF-Chefredakteur Peter Frey an diesem Abend entdeckt.

• Hier geht es zum TV-Duell in der Mediathek.