Berlin. Schon diese Woche droht ein harter Brexit. Frank Plasbergs Gäste sprachen sich dafür aus, den Briten mehr Zeit zu geben – mit einer Ausnahme.

Eigentlich hätte es diese Sendung nie geben dürfen. Wäre alles so gelaufen, wie es sich die glücklose britische Premierministerin Theresa May vorgestellt hatte, wäre ihr Land schon seit Ende März kein Mitglied der EU mehr. Der Brexit wäre vollzogen – und Frank Plasberg hätte sich wieder anderen Themen zuwenden können.

Zum Beispiel dem Protest gegen steigende Mieten. Der Zukunft des Sozialstaats. Oder auch der Europawahl im Mai. Ein Leben im Konjunktiv. Die Realität indes sieht anders aus.

Brexit-Debatte bei „Hart aber fair“ – das waren die Gäste:

• Norbert Röttgen, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses

• Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos

• Anthony Glees, Britischer Historiker

• Nikolaus Doll, Wirtschafstkorrespondent der „Welt“

• Petra Braun, betreibt als Deutsche eine Bäckerei in London

Das Brexit-Drama geht in die Nachspielzeit. An diesem Freitag schon, dem 12. April, könnte das Land die EU verlassen – ohne Deal. Ebenso ist eine weitere Verschiebung nach hinten denkbar. Wohin die Reise geht? Völlig offen.

Also hieß es bei „Hart aber fair“ einmal mehr: Brexit-Talk. Nach Maybrit Illner und Anne Will letzte Woche widmete sich auch Frank Plasberg dem Austritts-Hickhack. „Sorry, liebe Briten: Wer nimmt Euch jetzt noch ernst?“, fragte die Redaktion passenderweise.

„Welt“-Journalist: Briten sind keine guten Europäer

Und die Debatte nahm gleich Fahrt auf. Weil die Runde sich eben nicht nur gegenseitig bestätigte, wie schade es doch sei, dass die Briten gehen. „Welt“-Wirtschaftsredakteur Nikolaus Doll – von Moderator Plasberg flapsig als „Wüterich“ tituliert – war es, der aus seinem Frust keinen Hehl machte.

Das Verhalten der Briten erinnerte Doll an eine Beziehung, in der es nicht mehr läuft – und die man dann fallen lasse. „Das ist nicht fair und solidarisch. Das enttäuscht mich sehr“, sagte der Journalist.

Die Briten seien halt einfach keine guten Europäer. Auch wenn sie jetzt merkten, wie teuer sie ein Brexit zustehen kommt, würde sie das nicht plötzlich zu überzeugten Europäern machen.

Da half es auch wenig, dass der englische Historiker und Politologe Anthony Glees beinahe darum flehte, den Briten doch mehr Zeit zu geben. Er verwies auf die geografische Lage, die Bedeutung für Europa und die Notwendigkeit eines versöhnlichen Ausstieges. Eine Frist-Verlängerung sei nötig – je länger, desto besser. Ein bisschen Brexit gibt es aber schon: Die EU fehlt bereits auf den neuen Pässen.

Brexit – Wer ist Schuld an der verzwickten Lage?

„Wer nicht unbedingt dabei sein will, der möge gehen“, meinte Nikolaus Doll dagegen nur. Der „Welt“-Reporter plädierte für eine schnelle Trennung – am besten noch vor der Europawahl. Chaotisch sei das, was er im Unterhaus und auf den Straßen Londons sehe. Dolls Prognose: Das wird sich nicht ändern. Also sollte man jetzt den Ausstieg suchen.

Kommentar: Brexit-Chaos und die EU: May soll gehen, die Briten nicht

Dass es überhaupt so weit kommen konnte, dass Großbritannien und die EU in dieser verzwickten Lage stecken, sei einzig und allein Schuld der konservativen Torys. Das jedenfalls meinte der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert.

Aus parteitaktischen Gründen habe der frühere Premier David Cameron das Referendum über den EU-Verbleib angezettelt. „Diese Partei hat das Land da reingeritten und findet jetzt keinen Weg raus“, so Kühnert. Was der Nachwuchspolitiker nicht sagte: Auch bei Labour – der Schwesterpartei der SPD – hielt sich die Begeisterung für Europa traditionell in Grenzen.

CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen für zweites Referendum

Gelingt es Premierministerin Theresa May nicht, doch noch irgendwie einen Brexit mit Abkommen zu organisieren, nehmen die Briten an den EU-Wahlen im Mai teil. Eine Horror-Vorstellung für die Europa-Hasser auf der Insel. „Wenn Großbritannien dann noch Mitglied der EU ist, haben die britischen Bürger auch das Recht, an den Wahlen teilzunehmen“, sagte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Es gebe keine Bürger zweiter Klasse. So teuer wird der Brexit für die Deutschen.

Gleichzeitig brachte der Unions-Mann auch die Idee eines zweiten Referendums ins Spiel. Die Befragung sei schon beim ersten Mal rechtlich nicht bindend gewesen – und erst recht „kein Gottesurteil“. „Die Briten sind nicht dazu verurteilt, bei ihrer Entscheidung zu bleiben“, sagte Röttgen mit Blick auf eine weitere Abstimmung.

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Das wiederum löste bei Nikolaus Doll heftigen Widerspruch aus. „Auf Zeit zu spielen, wäre das Schlimmste, was man machen kann“, sagte er. Damit sende man das Signal, dass die Politik nicht in der Lage sei, den Wählerwillen umzusetzen. Man könne nicht immer weiter abstimmen lassen. „Das ist kein Zeichen von Demokratie. Das ist Politikversagen“, so Doll.

Es gebe nun mal auf der Insel eine Mehrheit, die aus der EU rauswolle. „Dann sollen sie gehen“, meinte der Wirtschaftsjournalist.

Talkshow-Thema Brexit

• Anne Will: Tory-Abgeordneter gibt der EU die Schuld am Brexit-Drama

• Maybrit Illner: Brexit-Debatte bei Illner: Hilft jetzt nur ein Münzwurf?

• Maybrit Illner: So hart rüffelt Graf Lambsdorff Mays Brexit-Chaos bei Illner

Am Ende war es die in London lebende Bäckerei-Betreiberin Petra Braun, die das eigentliche Dilemma auf den Punkt brachte. Für einen Befreiungsschlag sei es längst zu spät. Die Probleme der Briten hätten wenig mit der EU zu tun. Sie sind hausgemacht – und liegen im Land selber. Da nickten ausnahmsweise mal alle in der Runde. (Fabian Hartmann)

„Hart aber fair“ in der ARD-Mediathek anschauen

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