Berlin. Frank Plasberg diskutierte über Müllberge und Energiewende. Ein Schüler beeindruckte die Runde – und ein Kolumnist polemisierte.
Wenn es um sein Herzensthema Umwelt geht, kann der Schauspieler Hannes Jaenicke sehr emotional werden. Dann schimpft er lautstark über Mikroplastik, das noch immer in den Ozeanen schwimmt.
Er attackiert den Bundesverkehrsminister, der von Fahrverboten nichts wissen will. Und er ärgert sich über die Autoindustrie, die nach wie vor auf PS setze – und nicht auf Umweltschutz. „Es passiert einfach nichts“, schimpfte Jaenicke. Zum Verrücktwerden sei das.
„Hart aber fair“ – das waren die Gäste
- Svenja Schulze (SPD), Umweltministerin
- Hannes Jaenicke, Schauspielerin und Umweltaktivist
- Holger Lösch, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie
- Heike Holdinghausen, taz-Redakteurin
- Jan Fleischhauer, „Spiegel“-Journalist
Jaenickes Anklage passte gut zum Thema der „Hart aber fair“-Sendung, das Frank Plasberg am Montagabend mit seinen Gästen diskutierte: „Gefühltes Öko-Vorbild, gelebter Klimasünder: Lügt sich Deutschland grün?“.
Ein harter Vorwurf an ein Land, das Müll doch so vorbildlich trennt, aus der Kernenergie aussteigt und auch Kohle abwickeln will. Andererseits:
1,2 Millionen Tonnen Abfälle aus Kunststoff exportierte die Bundesrepublik in 2017 – ein Großteil davon nach Asien. Dort wird er wiederverwertet. Oder auch nicht. „Was man nicht verwerten kann, lässt man liegen oder verbrennt es“, sagte die „taz“-Umweltjournalistin Heike Holdinghausen.
Gelber Sack: Der Großteil wird verbrannt
Gerade Plastik ist ein Riesen-Thema. Was in Deutschland im Gelben Sack landet, wird nur zu 40 Prozent aufbereitet und wieder genutzt. Der Großteil wird einfach verbrannt. „Wir müssen Plastik vermeiden“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), die als Lösung auch gleich ihr neues Verpackungsgesetz anpries.
Das soll dazu führen, dass Hersteller unnötige Verpackungen vermeiden oder stattdessen wiederverwendbares Material einsetzen. Zuletzt hatte Rewe bekannt gegeben, die Plastikverpackung bei Bio-Gurken abzuschaffen. Im vergangenen Jahr hatte die EU ein Plastikverbot beschlossen – was alles verboten ist.
Warum sich die Ministerin nicht gleich für eine wirksame Plastiksteuer einsetze, fragte Moderator Plasberg. Doch von der Idee hält Schulze wenig. Denn: „Plastik ist oft vernünftig eingesetzt. Im Krankenhaus will niemand Glasspritzen“, sagte sie.
Und dass im Supermarkt nahezu alles in Plastik eingeschweißt ist, fanden auch nicht alle in der Runde schlecht: „Nicht jeder möchte Lebensmittel kaufen, die vorher schon zehn Kunden angefasst haben“, sagte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). „Wäre Waschen eine Alternative?“, fragte Plasberg spitzfindig – und erhielt keine Antwort.
Die Runde präsentierte einige unbequeme Wahrheiten
Als Zuschauer und Verbraucher wurde man in den 75 Minuten mit einigen unbequemen Wahrheiten konfrontiert. Wer im Supermarkt unbedacht zum Shampoo in der schwarzen Flasche greift, tut der Umwelt keinen Gefallen.
Denn: Schwarzes Plastik wird in Sortieranlagen oft nicht erkannt. Und wer Plastik mit angetackertem Papier kauft, erhält gleich ein Produkt, das sich nicht wiederverwerten lässt. „Wir können nicht erwarten, dass Verbraucher vorher einen Grundkurs in Verpackungsdesign machen“, sagte die Journalistin Heike Holdinghausen.
Soviel Plastik verbraucht eine Familie
Doch was dann? Zumindest einer in der Runde wollte sich den Konsum nicht vermiesen lassen. Der „Spiegel“-Kolumnist Jan Fleischhauer bekannte zwar, privat das Fahrrad viel zu nutzen und auch darauf zu achten, was er so einkaufe. Aber er sei auch privilegiert.
Fleischhauer spottete über Porsche-Fahrer, die zum Bio-Markt fahren und kritisierte Leute, die „viel fliegen und dann über Plastiktüten reden“. Die Spitze richtete sich gegen Hannes Jaenicke, der in den USA und München lebt. Jaenicke sagte, dass er CO2 ausgleiche. Was er aber tun solle, wenn er eine Doku im Regenwald drehen wolle, fragte er.
„Vielleicht lassen Sie die Doku sein“, sagte Fleischhauer kühl.
Muss man sich nachhaltigen Konsum leisten können?
Und der „Spiegel“-Autor drehte weiter auf: Er habe im „Ohne“-Laden, also einem Geschäft ohne Verpackungen, immer wieder Frauen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren beobachtet. Die hätten ihr Kind zur Kita gebracht und hätten vor dem Pilates-Kurs noch Zeit. Was wohl so viel heißen sollte wie: Nachhaltigen Konsum muss man sich leisten können.
„Ich habe gerade überlegt“, sagte Frank Plasberg. „War das jetzt mehr frauendfeindlich oder mehr umweltfeindlich?“ Doch der „Spiegel“-Kolumnist lächelte nur. Fleischhauer gefiel sich erkennbar in der Rolle des Provokateurs. Seine Polemiken werden wohl trotzdem nicht in Erinnerung bleiben.
Das lag an dem Gast, den Moderator Plasberg erst ganz am Schluss in die Runde bat: den 18-jährigen Schüler Jakob Blasel. Der angehende Abiturient ist Mitorganisator der „Fridays for Future“-Proteste. Tausende Schüler gingen dabei deutschlandweit für Klimaschutz auf die Straße.
Ein Abiturient kämpft für Klimaschutz
Blasel argumentierte so leidenschaftlich, so reflektiert, dass man nicht merkte, dass hier ein Schüler in der Runde saß. „Der einzige, der wirklich die Dinge beim Namen nennt, ist ein 18-jähriger Abiturient“, staunte Schauspieler Jaenicke.
Blasel sagte, dass es um seine Zukunft ginge. Die Pariser Klimaziele seien „eine rote Linie“. Wenn jetzt Jobs – etwa im Bergbau – durch den Kohleausstieg bedroht seien, sei das dem Versagen der Politik geschuldet – und nicht dem Klimaschutz. Er spüre eine „große Wut“, das bisher so wenig getan wurde, sagte er.
„Leben heißt Risiko“
Und auch zum Zoff-Thema Tempolimit äußerte sich der Schüler: Das tue keinem weh. Und 130 km/h sei immer noch ganz schön schnell. Ganz anders „Spiegel“-Autor Fleischhauer. Der Journalist sagte: „Leben heißt Risiko“.
200 Tote gebe es jährlich, weil es kein Tempolimit auf der Autobahn gebe, so Fleischhauer. „Ist jetzt auch nicht die riesige Zahl“. Er jedenfalls freue sich darüber, wenn ein Volk noch eine irrationale Seite habe.
„Wird ja immer besser hier“, murmelte Umweltaktivist Hannes Jaenicke. Und nicht nur er wird sich in diesem Moment gedacht haben: Vernunft ist eben doch keine Frage des Alters.