Die ARD zeigt den Zweiteiler „Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“. Ein gelungenes Porträt einer außergewöhnlichen Unternehmerin.

Es gibt sie noch, die Schnittmuster. Nur verkauft Burda statt monatlich 1,5 Millionen wie 1968 heute 93.000 Stück, und die Zeitschrift dazu heißt inzwischen nicht mehr „Burda Moden“, sondern „Burda Style“. Sich die eigene Kleidung zu nähen, ist längst kein ökonomisches Muss und vor allem keine handwerkliche Selbstverständlichkeit mehr, sondern das bewunderte Können von Wenigen. Umso interessanter ist der Perspektivwechsel, den das Erste mit dem Zweiteiler „Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ anbietet. Er erinnert daran, dass das vermeintlich Angestaubte einst eine geniale Idee war. Und daran, dass die 2005 gestorbene Aenne Burda vieles tat, das bis dahin undenkbar gewesen war.

Die Zeit, in der sie noch Frau Doktor genannt wird, weil ihr Mann promoviert ist, ist auch die Zeit, in der dieser Mann sie als Teil seines Besitzes ansieht. Noch ist sein Weltbild intakt. Bis sie herausfindet, dass er schon seit zehn Jahren mit seiner früheren Sekretärin eine Zweitfamilie hat. So steigt der Film in die Geschichte ein. Er erzählt damit anhand der Person Aenne Burda eine Geschichte über uns alle. Männer wie Frauen. Wie wir waren, wie wir uns verändert haben.

Fritz Karl als konsternierter Gatte

Sätze wie „Du hast doch alles“ sollen sie von ihrem Vorhaben abbringen, nun endlich ihre alte Idee mit der Schnittmuster-Modezeitschrift zu realisieren. Als sie sich auch mit dem Hinweis auf Haus, Kinder und Reputation nicht beruhigen lässt, zündet Herr Doktor (Fritz Karl) die zweite Stufe: „Du bist meine Frau, du bleibst daheim.“ Und natürlich dies: „Als ob es nicht reicht, was ich nach Hause bringe.“ Seine Angst vor dem Bedeutungsverlust beeindruckt sie bloß nicht. Auch nicht der Tratsch, den sie in Offenburg auslöst.

Etwas an dieser Frau, die ihr Leben mittendrin neu erfindet, ist anders. Sie ist mutiger, freier als andere. Genau die richtige Figur für diese Art von Heldinnengeschichte. Vor allem, wenn eine strahlende Katharina Wackernagel sie spielt. Idee und Drehbuch stammen von Regine Bielefeldt, Regie führte Francis Meletzky, Kamerafrau war Bella Halben. So viele Frauen an Schlüsselstellen eines Films – das ist keine Selbstverständlichkeit.

Zur Frauenbewegung wollte Aenne Burda nie gehören

Eine besonders schöne Szene erzählt dieses Team, als Aenne Burda für ihr neues Modemagazin die Frauen von Lahr und Offenburg messen lässt – was für Kleidergrößen werden eigentlich gebraucht? Ganz alltägliche Frauen aller Größen, Staturen und Generationen versammeln sich aufgeregt, weil sich jemand für sie interessiert.

Viel ist seit den ersten Nachkriegsjahren passiert. Zur Frauenbewegung wollte Aenne Burda – übrigens Mutter des Verlegers Hubert Burda – nie gehören. „Ich ändere, was ich ändern kann – mich“, sagt ihre Filmversion. Keine Frage aber, dass sie nicht nur ihr Leben und wie nebenher die Beziehung zu ihrem Mann, sondern auch die Welt ein Stück verändert hat.

Fazit: Obwohl von vornherein klar ist, dass es sich hier um eine Erfolgsgeschichte handelt, bleibt es bis zum Schluss unterhaltsam. Gelungenes Porträt einer außergewöhnlichen Unternehmerin. Zweiter Teil in einer Woche.

ARD, Mittwoch 5. Dezember, 20.15 Uhr