Essen. Die neue Scifi-Serie „Ad Vitam“ entwirft eine beklemmende Zukunftsvision. Die Figuren müssen mit dem Fluch der Unsterblichkeit leben.

Die älteste Frau der Welt ist gerade 169 Jahre alt geworden, und das Tollste daran: Sie sieht keinen Tag älter aus als mit Mitte 20. Darüber freut sich auch Kommissar Darius Asram (Yvan Attal), der seinerseits den 100. Geburtstag schon vor einigen Jahren gefeiert hat und mit seinem vollen dunklen Haarschopf und der sportlichen Figur gleich ein paar Jahrzehnte jünger wirkt. In der Science-Fiction-Serie „Ad Vitam“ lässt sich der natürliche Alterungsprozess dank Einsatz eines medizinischen Verfahrens künstlich aufhalten, der Tod scheint besiegt.

Der erfüllte Traum von der ewigen Jugend sorgt in der Gesellschaft aber auch für neue Probleme: So verschlechtern sich die Perspektiven für junge Leute, weil die unsterblichen Alten einfach nicht mehr Platz machen. Dazu kommt der alles entscheidende Punkt: Macht das Leben überhaupt noch Sinn, wenn der Tod es nicht irgendwann beendet? Um diese zentrale philosophische Frage kreist die neue sechsteilige Serie aus Frankreich, die Arte donnerstags in Doppelfolgen zeigt.

Wiedersehen mit Fassbinder-Muse Hanna Schygulla

Als eines Tages die Leichen von sieben jungen Menschen am Strand gefunden werden, sind die Behörden alarmiert. Der Freitod gilt gerade in der jüngeren Generation als politischer Protest gegen die von oben verordnete Unsterblichkeitspolitik. Die Staatsgewalt sieht ihn als Terrorakt, der entschieden bekämpft werden muss, und deshalb wird Kommissar Darius Asram auf den Fall angesetzt.

Christa (Garance Marillier) beobachtet, wie ein alter Friedhof zugeschüttet wird, weil er überflüssig geworden ist.
Christa (Garance Marillier) beobachtet, wie ein alter Friedhof zugeschüttet wird, weil er überflüssig geworden ist. © © Ivan Mathie | Arte

Der melancholische Zyniker, der es mit den Regenerationsbädern in der Apotheke, die den Körper ewig jung halten, selber nicht so genau nimmt, gelangt schnell an seine Grenzen. Um mit seinen Ermittlungen voranzukommen, wendet er sich an Christa Novak (Garance Marillier), eine renitente junge Frau, die selber einmal zu einer Widerstandsgruppe gehört hat und sich in der Freitodszene bestens auskennt.

Unaufgeregter aber spannender Krimiplot

Die Spur führt schließlich zu einer charismatischen alten Dame, die eine Glaubensgemeinschaft Sterbewilliger anführt – die 74-jährige Hanna Schygulla, bekannt aus den Filmen der Regie-Legende Rainer Werner Fassbinder, stellt auch in dieser vergleichsweise kleinen Rolle ihre schauspielerische Klasse unter Beweis.

Die preisgekrönte Serie „Ad Vitam“ verzichtet auf überbordende Spezialeffekte und Science-Fiction-Schnickschnack, die Zukunft sieht hier fast aus wie die Gegenwart. Dafür überzeugt sie mit einem unaufgeregten aber spannenden Krimiplot. Wohldosiert aber stimmig ist die Symbolik – wie etwa die Qualle, die für Unsterblichkeit steht: Es gibt eine Art, die sich selbst reproduzieren kann. Vor allem aber fasziniert die Serie mit ihrer originellen Grundidee und ihrer Kernfrage: Wäre Unsterblichkeit überhaupt ein wünschenswerter Zustand? Die Serie verneint dies entschieden und vertritt eine Ansicht, die eine Figur so formuliert: „Nur wer stirbt, fühlt sich lebendig.“

Fazit: Sterben als Rebellion – die intelligente Serie entwirft eine beklemmende Zukunftsvision.

• Donnerstag, 8. November, 20.15 Uhr, Arte: „Ad Vitam“