Leipzig. Hauptdarsteller Thomas Rühmann über 20 Jahre „In aller Freundschaft“, Kritik an medizinischen Details und Probleme mit weißen Kitteln.

Die Ärzte-Saga „In aller Freundschaft“ ist ein TV-Dauerbrenner: Seit 20 Jahren kümmern sich die Ärzte der fiktiven Leipziger Sachsenklinik in der Krankenhausserie um ihre Patienten. Die ARD feiert ihr Erfolgsformat mit dem Spielfilm-Special „In aller Freundschaft – Zwei Herzen“ (26.10., 20.15 Uhr), das auf den Tag genau 20 Jahre nach dem Start im Oktober 1998 läuft und in dem es die Hauptfigur Dr. Roland Heilmann nach Thailand verschlägt. Thomas Rühmann (63) verkörpert den Chirurgen seit der ersten Folge.

Herr Rühmann, seit 20 Jahren spielen Sie in der ARD-Serie „In aller Freundschaft“ den Fernseharzt. Wie oft werden Sie in Ihrem Alltag als Herr Dr. Heilmann angesprochen?

Thomas Rühmann: Oft. Aber nicht weil die Menschen tatsächlich denken, dass sie einen Doktor vor sich hätten, sondern weil ihnen mein echter Name nicht einfällt (lacht). Ich werde aber nie allen Ernstes um Diagnosen gebeten. Die Leute sind ja nicht bekloppt.

Haben Sie als Fernseharzt viel über Medizin gelernt?

Rühmann: Ehrlich gesagt sind meine medizinischen Kenntnisse sehr überschaubar geblieben. Aber meine Hochachtung vor dem Arztberuf ist enorm gestiegen, denn ich habe in vielen schauspielerischen Situationen eine Ahnung davon bekommen, vor welch weitreichenden Entscheidungen ein Mediziner Tag für Tag steht und was für eine große Verantwortung er hat, was auch schiefgehen kann. Hut ab.

Das Team von
Das Team von "In aller Freundschaft" um Schauspielerin Alexa Maria Surholt (Mitte) nach ihrer Auszeichnung mit der "Goldenen Henne" Ende September. © dpa | Hendrik Schmidt

Wie werden Sie selber behandelt, wenn Sie zum Arzt gehen?

Rühmann: Ich komme eher dran, obwohl ich ein Anhänger der gesetzlichen Krankenkassen und deshalb nicht privat versichert bin. Und es wird natürlich viel gewitzelt – die Ärzte sagen „Herr Kollege“ zu mir, und ich grinse dann zurück.

Welche kuriosen Erlebnisse hatten Sie in Ihrer Karriere als Fernseharzt?

Rühmann: Ich weiß noch, dass ich zu Anfang immer ziemlichen Bammel vor den OP-Szenen hatte. Damals waren die auch noch aufwendiger. Da wurde wirklich ganz schön rumgeschnippelt, das Blut floss und die Kamera ging ganz nah ran. Irgendwann, so etwa nach anderthalb Jahren, stand ich in der Kulisse, als ich gerade selber nicht dran war, habe mir angeguckt, was im OP-Saal gerade stattfand, und habe dabei ein belegtes Brötchen gegessen. Da habe ich gemerkt: Okay, das Problem mit dem Anblick des Blutes hast du jetzt gelöst.

Haben Sie als Training für Ihre Rolle bei echten Operationen zugeschaut?

Rühmann: Ganz am Anfang waren wir in einem echten Operationssaal und haben eine Magen-OP verfolgt, aber seitdem haben wir das nicht mehr gemacht und es ist auch nicht nötig. Allerdings werden die Dreharbeiten professionell begleitet, während der Operationen ist immer eine richtige OP-Schwester dabei, die uns die Instrumente zureicht und uns sagt: „Fass das mal anders an, das muss man so oder so machen.“ Das hilft total. Übrigens sind OP-Szenen für uns Schauspieler unergiebig, weil man komplett in Kittel eingehüllt ist, dazu noch einen Mundschutz trägt und nur mit den Augen spielen kann.

Thomas Rühmann mit (von links) Roy Peter Link, Mike Adler, Marijam Agischewa, Andrea Kathrin Loewig und Bernhard Bettermann während der Dreharbeiten zur 800. Folge von „In aller Freundschaft“ im Oktober 2017.
Thomas Rühmann mit (von links) Roy Peter Link, Mike Adler, Marijam Agischewa, Andrea Kathrin Loewig und Bernhard Bettermann während der Dreharbeiten zur 800. Folge von „In aller Freundschaft“ im Oktober 2017. © dpa | arifoto UG

Beschweren sich Zuschauer, wenn mal was nicht ganz korrekt dargestellt ist?

Rühmann: Ich war neulich mal im Urlaub, und da saß ein berühmter ehemaliger Herzchirurg am Nebentisch, der war auch aus Leipzig und kannte mich natürlich. Wir haben uns unterhalten, und da sagte der: „Wenn Sie im OP-Saal stehen und die desinfizierten Hände so nach oben halten – das macht man nicht.“ Zurück in Leipzig habe ich sofort mit der Fachberaterin gesprochen, die meinte, das macht jeder anders.

Was hat sich seit dem Start der Serie 1998 geändert? Werden Wunden und Operationen heute realistischer inszeniert?

Rühmann: Die Arztkittel sind heute weiß. Früher wurden sie vor dem Dreh durch Tee gezogen, weil das strenge Weiß zu hart für die Kameras war. Das ist heute dank der modernen Kameras nicht mehr nötig. Außerdem wird viel schneller erzählt, das muss heutzutage sein. Wir laufen zur Hauptsendezeit, wenn wir das nicht machen würden, wären wir schon längst weg vom Fenster. Zu Anfang hatten wir Szenen, da hat man sich dreieinhalb Minuten über ein Problem unterhalten, das ist heute undenkbar. Die Folgen werden viel schneller geschnitten, die Bildsprache ist eine andere, es wird moderner erzählt – auch wenn manche jetzt sagen würden, dass „In aller Freundschaft“ doch eher eine konventionelle Serie ist.

Wie stehen Sie zu Kritik an der Serie?

Rühmann: Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass uns manchmal die Seifenoper vorgeworfen wird. Interessant ist allerdings, dass wir vor zwei Jahren eine komplette Staffel gedreht haben, in der die Sachsenklinik privatisiert worden ist – auf einmal brach in diese scheinbar heile Welt die Wirklichkeit ein. Das war für uns Schauspieler total interessant zu spielen, es hat großen Spaß gemacht, aber die Zuschauer haben es nicht goutiert. Die Leute haben weniger geguckt, und deshalb wurde das rückgängig gemacht. Als wir wieder die alte Sachsenklinik waren, schalteten die Leute wieder ein.

Mit ihnen ging „In aller Freundschaft“ 1998 an den Start: (von links) Stephen Dürr, Hendrikje Fitz, Joachim Kretzer, Jutta Kammann, Ina Rudolph, Thomas Rühmann, Ursula Karusseit und Dieter Bellmann.
Mit ihnen ging „In aller Freundschaft“ 1998 an den Start: (von links) Stephen Dürr, Hendrikje Fitz, Joachim Kretzer, Jutta Kammann, Ina Rudolph, Thomas Rühmann, Ursula Karusseit und Dieter Bellmann. © imago/teutopress | imago stock&people

Das Publikum will sich sein Heile-Welt-Refugium nicht kaputt machen lassen?

Rühmann: Der deutsche Fernsehzuschauer möchte zufrieden ins Bett gehen, also zumindest ein großer Teil. Deshalb gehen die Geschichten bei uns auch oft gut aus. Und ich glaube, dass die Leute uns deshalb zugucken, weil sie sich manchmal eine andere Welt wünschen, einen anderen Gesundheitsbetrieb.

Wie lange wollen Sie den Dr. Heilmann noch spielen?

Rühmann: So lange es mir Spaß macht. Und es macht mir noch großen Spaß, weil Heilmann eine oft sehr widersprüchliche Figur ist – ich glaube, die Zuschauer merken das manchmal gar nicht richtig (lacht).

Man sieht Sie selten in anderen TV-Rollen. Bekommen Sie wegen des Jobs in „In aller Freundschaft“ keine anderen Angebote?

Rühmann: Daran liegt es nicht – ich habe einfach wenig Zeit, etwas anderes zu machen. Ich spiele ja nicht nur „In aller Freundschaft“, ich führe außerdem gemeinsam mit Tobias Morgenstern das Theater am Rand im Oderbruch, das dieses Jahr ebenfalls 20. Geburtstag hat, und ich bin mit meinen musikalischen Projekten unterwegs.

• „In aller Freundschaft – Zwei Herzen“, Freitag, 26. Oktober, 20.15 Uhr, Das Erste