Berlin . „Der Tod und das Mädchen“ erzählt die Geschichte einer Vergewaltigung. In dem ZDF-Krimi geht es vor allem um die Folgen der Tat.

„Wir haben ihn.“ Diesen Satz sagt der immer etwas mitgenommen wirkende Amsterdamer Kommissar Bruno van Leeuwen (Peter Haber) schon nach wenigen Minuten. Es ist einer der ersten Sätze überhaupt, die in seinem wortkargen dritten Fall „Der Tod und das Mädchen“ gesprochen werden.

Trotzdem kommt die Überführung des Familienvaters Piers Martens (Bruno Cathomas) nicht früh, im Gegenteil. Die Ermittler haben nämlich dank neuester DNA-Technik einen „Cold Case“ aufgeklärt. Vor 30 Jahren hat Martens die damals neunjährige Nachbarstochter Vicky vergewaltigt. Dabei trug er offenbar eine Maske. Trotz der Beweislage kann der Täter nicht verurteilt werden – sein Verbrechen ist knapp verjährt.

Ein Psychogramm der traumatisierten Vicky Jacobs

Regisseur Hans Steinbichler („Gefangen – der Fall K.“) stellt also nicht die klassische Krimifrage „Wer war es?“. Vielmehr zeigt er, welche Wunden ein Verbrechen schlägt, auch in den Familien von Opfer und Täter, selbst über Generationen hinweg. Vor allem beleuchtet er das Psychogramm der traumatisierten Vicky Jacobs, die inzwischen als Lehrerin arbeitet.

Sie ist eine Frau, die sich weigert, Opfer zu sein und lieber zur Täterin wird, als die Machtlosigkeit der Justiz hinzunehmen. Als ihr Peiniger spurlos verschwindet, gehört sie zumindest zu den Hauptverdächtigen. Katharina Lorenz verleiht ihrer Figur jene Stärke, die nur aus einer tiefen Verletzung erwachsen kann. Ihr Spiel wirkt intuitiv, es lässt sich nicht durch seine Methode, sondern einzig durch seine Wirkung beschreiben.

Die Rechtsprechung entspricht nicht immer dem Rechtsempfinden

Sie gehe laufen, jetzt, im Dunkeln?, wird Vicky gefragt. „Ich laufe immer im Dunkeln“, entgegnet sie und meint damit auch ihre Isolation, die Kehrseite ihres schützenden Panzers. Mit einem rigorosen Sportprogramm wappnet sie sich, dabei raucht sie Kette: Vicky ist kämpferisch und selbstzerstörerisch zugleich.

Der Film stellt in einer komplexen Handlung schwierige, hoch moralische Fragen nach Schuld und Mitschuld, nach Sühne und Gerechtigkeit. Er offenbart schonungslos, wie Familien verdrängen, und demonstriert die Grenzen einer Rechtsprechung, die den Gesetzen entspricht, aber nicht immer dem Rechtsempfinden der Menschen – ohne dabei Partei zu ergreifen für die Rächerin.

Ungewöhnliche Schnitte, eine Ästhetik düsterer Videoclips

Weil es für das Unfassbare keine Worte gibt, lässt die Kamera von Bella Halben Bilder sprechen. Sie folgen der Wahrnehmung und den Gedankensprüngen der Figuren, bedienen sich dabei der Ästhetik düsterer Videoclips. Unterlegt mit Musik von Nena über The Cure bis hin zu Chorgesängen wechseln sich in ungewöhnlichen Schnitten Erinnerungsfetzen, Zeitlupen und Rückwärtssequenzen ab.

Manches aber wirkt gekünstelt und dadurch angestrengt – und das in einem Film, dessen heulende, schreiende oder schweigende Figuren dem Zuschauer ohnehin schon einiges abverlangen. Bisweilen bleibt da die Wirkung hinter der Methode zurück. Dann stören noch einige Klischees: Vicky etwa leidet an Duschzwang, die Anwältin des Täters ist ein kaltherziges Biest.

Fazit: Brisanter Stoff, kunstfertig umgesetzt. ;

K ZDF, Montag, 17. September, 20.15 Uhr