Köln . Der Kölner „Tatort“ ist mehr Familiendrama als Krimi – und dennoch ein Film mit hoher Qualität. Kamera und Musik bieten TV-Standard.

Diese halbe Million in der Sporttasche an der Bushaltestelle könnte den Junggesellenabschied so richtig versüßen. Aber es ist Krimizeit, und da geht sowas ja selten gut: Augenblicke später ist der junge Mann tot, der sie nach durchsoffener Nacht früh morgens überrascht aus dem Papierkorb gefischt hatte – überfahren, und es riecht nach Absicht. So beginnt der Kölner „Tatort: Familien“, und man ahnt schon, dass die Geldtasche auf etwas anderes verweist – eine Entführung, mit der sich die Kölner Ermittler Ballauf und Schenk dieses Mal befassen müssen.

Familiendramen waren oft ihr Ding, mehr als der klassische Wer-war’s-denn-Krimi oder der gesellschaftspolitische Zeigefinger auf moralische Abgründe. Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) mussten immer wieder als Seelentröster einspringen und sind auch diesmal als Therapeuten gefordert. Dass der bindungsunfähige Ballauf mit seinen Beziehungstipps ausgerechnet dem Familienmenschen Schenk nebenher die Ehe rettet, ist ein hübsches Bonmot am Rande der ansonsten sehr ernsten Geschichte.

Enkelin eines Wirtschaftsanwaltes entführt

Christoph Wortberg (Buch) und Christine Hartmann (Regie) schicken die Routiniers in ein schwer durchdringbares Dickicht aus Lebenslügen, Verdrängung und Täuschungsmanövern. Die Sporttasche führt sie in eine Prachtvilla zum mächtigen Wirtschaftsanwalt (Hans-Jürgen Hurrig), dessen Enkelin offenbar entführt wurde.

Die schweigsamen Eltern (Harald Schott und Nicole Marischka) führen sich wie Geheimniskrämer auf, Paul, der Bruder der Vermissten (stark: Johannes Franke) ist ein Eigenbrötler, ihr Freund Kaspar (Anton von Lucke) ein patziger Widerständler, der mit seiner alkoholkranken Mutter (Claudia Geisler-Bading) mehr schlecht als recht zusammenlebt. Dass es Verstrickungen der Familien untereinander gibt, darf man verraten, ohne viel vorwegzunehmen.

Spannung entsteht aus der Unberechenbarkeit

Das geht leider nicht ganz ohne Klischees und eine doch arg gewollte Verkorkstheit der Beteiligten ab: der reiche, aufbrausende Patriarch, der den Schwiegersohn für einen Versager hält. Die rotzigen Jungs, die der Polizei die Stirn bieten. Kaspars Mutter mit der Wodkaflasche in der Küche. Das kann man unaufdringlicher inszenieren. Das Ensemble erledigt seine Arbeit gleichwohl mit hoher Qualität, Kamera (Peter Nix) und Musik (Fabian Römer) bieten ordentlichen Fernseh-Standard.

Immerhin zieht der Film die Spannung aus seiner Unberechenbarkeit. Wortberg legt gekonnt Spuren, aber die verlaufen im Sande, ehe man eine ungeheuerliche Auflösung des Dramas erlebt, die für ein paar dahinplätschernde Momente entschädigt.

Regisseurin Christine Hartmann legt den Fokus auf das Miteinander der Figuren. Der Film-Titel ist ihre Verpflichtung: Wohl und Wehe des familiären Zusammenlebens, Hoffnungen und Erwartungen, die erfüllt, die viel öfter aber auch zerstört werden. So wird allein der Besuch von Ballauf und Schenk bei der jungen Frau (Marie Meinzenbach) samt Baby, der sie mitteilen müssen, dass der Mann, den sie in ein paar Tagen heiraten wollte, überfahren wurde, zu einer berührenden Szene, die sich jedes Pathos verkneift. Als sie dem Toten bei der Leichenschau später den Ehering überstreift, ist der schmale Grat zum Kitsch immerhin sichtbar.

Fazit: Familiendrama im Krimigewand mit starken Momenten.

Sendetermin: Sonntag, 6. Mai, 20.15 Uhr, ARD