Hamburg. Im neuen „Tatort“ aus Hamburg geht es vor allem um die Ermittler. Das Ergebnis: gute Unterhaltung für die, die nicht auf Action stehen.
Es geht an diesem Sonntagabend ums Personal – nicht ums Verbrechen: Die neue „Tatort“-Folge vom NDR mit Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Julia Grosz (Franziska Weisz) ist eine klassische Nabelschau-Episode. Sie wirft einen Blick auf den Polizei-Apparat selbst – vor allem aber auf die Binnendynamik des Kommissar-Duos.
Der Fall sei kurz skizziert: Falke und Grosz sollen die Identität eines Migranten (Youssef Maghrebi) in Lüneburg überprüfen. Er steht im Verdacht, ein syrischer Kriegsverbrecher zu sein, und entkräftet diesen nicht unbedingt, als er direkt zur nächsten Flucht ansetzt – diesmal aus dem Klassenzimmer. Vorerst entwischt er.
Atmosphäre des Verdachts und des Misstrauens
Als die Ermittler den Flüchtigen endlich schnappen, gibt es eine Tote, und die Schüsse wurden aus Falkes Pistole abgefeuert. Was gleichbedeutend ist mit internen Ermittlungen. Und durch sie erhält der zwar recht konstruiert wirkende, aber dennoch gelungene Krimi (Regie: Özgür Yildirim, Drehbuch: Arne Nolting, Jan Martin Scharf) seine Struktur: Die katastrophal verlaufene Festnahme wird gleich am Anfang gezeigt. Fast alles, was danach kommt, sind Rückblenden. Mit ihnen wird auf geschickte Weise eine Atmosphäre des Verdachts und des Misstrauens in Szene gesetzt.
So sieht der neue Hamburg-„Tatort“ aus
Falke und Grosz, die in diesem mindestens ungelenk „Alles was Sie sagen“ betitelten Film zum vierten Mal gemeinsam ermitteln, haben mehr miteinander zu tun als mit der Verbrechensbekämpfung.
Drogenbosse zwingen Flüchtlinge zum Pillen-Verkaufen
Deswegen ist das hier kein Krimi über die Flüchtlingsthematik geworden, kein Gesellschaftsstück über die Schwierigkeiten der Integration und der Willkommenskultur. Die sieht in Lüneburg übrigens scheinbar vor allem so aus, dass örtliche Drogenbosse die in Deutschland Gestrandeten zum Pillen-Verkaufen zwingen.
Wobei Drogenkriminalität um einiges harmloser ist als ein Terroranschlag in Deutschland, den die Bundespolizei anfänglich im Visier hat. In diesem Fall ist, wie sich herausstellt, aber ohnehin nur wichtig, dass die Unterwelt in Lüneburg mit der hiesigen Polizei im Bunde ist.
Maulwurf in den eigenen Reihen
Falke, der auch in dieser Folge wieder herrlich schnell auf der Zinne ist und impulsiv durch die Szenerie blökt, vermutet einen Maulwurf in den Reihen der Gesetzeshüter. Richtig gut in den Kram passen würde ihm, wenn der bärtige Ex seiner Co-Ermittlerin der korrupte Faktor in der provinziellen Gleichung wäre.
All das entblättert sich vor dem Zuschauer aus den beiden unterschiedlichen Perspektiven des Ermittler-Duos. Es wird getrennt voneinander verhört, und während der Leiter der Lüneburger Polizei (Jörn Knebel) sie in Widersprüche verstrickt, glaubt man bald wirklich oder ahnt es zumindest: Das kann nicht gut gehen mit dem Maskulinbolzen Falke, der gern überall sein Revier abstecken würde, und der dauerspröden Grosz.
Fazit: Gute Unterhaltung für Zuschauer, die nicht auf Action stehen und die es mögen, dass der Fall Nebensache ist.
Sonntag, 22. April, ARD, 20.15 Uhr