Essen. Im Film „Das deutsche Kind“ soll eine Waise bei muslimischen Eltern aufwachsen. Es kommt zu schweren Konflikten mit den Großeltern.

Die alleinerziehende Natalie lebt Tür an Tür mit den türkischstämmigen Baltas. Sehra, ihre beste Freundin und Vertraute, springt regelmäßig als Babysitterin ein, die Kinder verstehen sich prächtig. Eines Tages kommt Natalie von einer Verabredung nicht zurück. Sie hatte einen tödlichen Unfall mit dem Fahrrad. Sehra Balta und ihr Mann Cem (Murathan Muslu), der nach dem Studium statt einer Hochschullaufbahn eine Stelle als Imam anstrebt, sind erschüttert vom Tod der Freundin.

Der nächste Schock ist noch größer. Natalie hat in ihrem Testament verfügt, dass ihre Tochter Pia keinesfalls bei den Großeltern (Katrin Sass, Lutz Blochberger) aufwachsen soll, sondern bei den Baltas und deren Tochter. Trotz großer Bedenken, ein christliches Kind aufzunehmen, willigt Cem schließlich ein. Doch Pias Großeltern wollen sich nicht damit abfinden, dass ihre Enkelin in einer muslimischen Familie aufwächst. Es kommt zum Sorgerechtsstreit.

Es geht um universelle ethische Werte

Es ist ein in mehrfacher Hinsicht außergewöhnlicher Fernsehfilm, den Paul Salisbury (Buch) und Umut Dag (Regie) entwickelt haben. Und die Entscheidung der ARD, „Das deutsche Kind“ zur Hauptsendezeit auszustrahlen, darf man als mutig bezeichnen. Denn der Film widersetzt sich einschlägigen Erwartungen und Erfahrungen, ist alles andere als pure Unterhaltung. Es geht natürlich um Fragen der Integration, im Falle von Pia sogar um mögliche Integration unter umgekehrten Vorzeichen.

Dass die Geschichte ausschließlich aus der Sicht der muslimischen Familie erzählt wird, mag durchaus zu Irritationen führen. Doch Salisbury und Dag bewegen sich eben nicht im komfortablen Mini-Kosmos der politischen Korrektheit. Ihr Film ist nicht getragen vom Bemühen, belehrend in die aufgeheizte Islam-Debatte einzugreifen, kulturelle Unterschiede glattzubügeln oder einseitig Partei zu ergreifen.

Zwar bilden der Islam, die mehrheitlich konservative türkische Gemeinde und sogar der Einfluss des umstrittenen türkischen Islamverbandes Ditib die allgegenwärtige Folie. Doch auf dieser Folie geht es nicht um konkrete Glaubensvorstellungen, sondern um universelle ethische Werte, die in den Weltreligionen nur unterschiedlich bezeichnet werden.

Von Zweifeln zerrissen

Der in Deutschland sozialisierte Cem propagiert einen modernen, barmherzigen Islam und will das Beste für das Mädchen – wie auf der Gegenseite auch die Großmutter. Doch was bedeutet das? Cem macht sich keine Vorstellungen davon, welche gravierenden Konsequenzen sein Handeln mit sich bringt.

Wie Murathan Muslu diesen von Zweifeln zerrissenen, im ständigen Zwiespalt lebenden Mann spielt, das verleiht dem ansonsten ruhigen Erzählfluss eine ganz außergewöhnliche Sogkraft. Und das Happy End, das man bei einem solchen Thema sonst vielleicht als aufgesetzt bezeichnen würde – hier passt es.

Fazit: Ein außergewöhnlicher Fernsehfilm zum Thema Integration, in dem es weniger um Glaubensvorstellungen und Kulturtraditionen als um universelle ethische Werte geht.

ARD, Mittwoch, 4. April, um 20.15 Uhr