Berlin. Angriff auf unseren Wohlstand: Maybrit Illner diskutierte über Protektionismus und Strategien, die der US-Präsident wirklich verfolgt.

Oskar Lafontaine hat es schon immer gewusst. Im Welthandel läuft etwas schief. Deutschland erwirtschafte seit Jahrzehnten Exportüberschüsse, während die Löhne im Inland sinken. „So haben wir uns einen Vorteil verschafft und jetzt wehren sich halt andere“, sagte der ehemalige Linken-Chef am Donnerstagabend bei Maybrit Illner.

Über „Trumps Handelskrieg – ist unser Wohlstand in Gefahr?“ sollte die Runde diskutieren. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Das klappte über weite Strecken außerordentlich gut.

Lafontaine, so etwas wie der Elder Statesman der Linken, mag ökonomisch Recht damit haben, dass die Handelsüberschüsse der einen die Defizite der anderen sind. Aber dass US-Präsident Trump, der in der internationalen Politik wieder auf Strafzölle und Protektionismus setzt, die Ungleichgewichte wirklich beseitigen will, darf bezweifelt werden.

„Trump hat keine wirtschaftspolitische Strategie, er ist im permanenten Wahlkampfmodus“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. Der US-Präsident baue Mauern: beim Klima, bei der Einwanderung, beim Welthandel. „Darauf dürfen wir uns nicht einlassen“, so Röttgen.

Donald Trump verkennt ökonomische Zusammenhänge

Dass Arbeitsplatzverluste in den USA viel mit Automatisierung und wenig mit internationalem Handel zu tun haben, scheint Trump nicht zu stören. „Er sagt einfach, dass es mehr Beschäftigte bei einer ausgeglichenen Handelsbilanz gibt“, analysierte die US-Finanzexpertin Sandra Navidi. Es gebe aber keinen Zusammenhang zwischen Handelsbilanzperformance und Arbeitslosigkeit.

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    Und aus ökonomischer Sicht ist ohnehin klar: Länder, die sich abschotten, erleiden Wohlstandsverluste. Der Grüne Europapolitiker Sven Giegold verwies auf den Zusammenhang von Marktoffenheit und einem starken Sozialstaat. „Den braucht es, um die Wettbewerbsverlierer zu entschädigen“, so der Finanzexperte, der in seiner Partei zum linken Flügel zählt.

    Gebe es diesen Sozialstaat nicht, greife man eben zu Klientelpolitik wie Strafzöllen– und ziehe die Wähler so auf seine Seite. Daraus folgt: Wer für Globalisierung sei, müsse den Sozialstaat ausbauen.

    Die Rolle Deutschlands im Welthandel

    Und damit war die Runde bei Deutschland angelangt, dem Land, das seine internationale Wettbewerbsfähigkeit Stück für Stück zurückgewonnen hat. Auch dank schmerzhafter Reformen wie der Agenda 2010 von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Außenpolitiker Norbert Röttgen interpretierte die Exportüberschüsse der Bundesrepublik als ein Zeichen von Wettbewerbsstärke.

    „Sie beklagen den Niedriglohnsektor“, sagte Röttgen in Richtung von Lafontaine und Giegold. „Aber andere Länder haben eine extrem hohe Arbeitslosigkeit“. Dass Deutschland permanent Überschüsse im Außenhandel erwirtschafte, habe mit strukturellen Problemen seiner Handelspartner zu tun.

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      Die Debatte nahm einen polemischen Ton an, als Oskar Lafontaine die Bundesrepublik als den „größten Sünder weltweit“ bezeichnete. Deutlich sachlicher argumentierte der Grüne Giegold, der darauf verwies, dass auch Europa – ähnlich wie die USA unter Trump – zu fragwürdigen Mitteln im Welthandel greife. Indem etwa subventionierte Produkte nach Afrika exportiert werden. „Mit dieser aggressiven Politik zerstören wir anderen Menschen den Lebensunterhalt“.

      Donald Trump sieht das, was er sehen will

      Immerhin herrschte Einigkeit darüber, dass internationaler Handel nur funktionieren kann, wenn er auf einer fairen Grundlage stattfindet. Doch schon beim Wort „fair“ knirscht es. Wo Oskar Lafontaine für höhere Löhne plädierte, war BDI-Chef Dieter Kempf lediglich bereit, über mehr Investitionen in Bildung und Infrastruktur zu reden, um das Handelsdefizit auszugleichen.

      Und US-Präsident Trump? Der scheint nur das zu sehen, was er sehen will: Dass die US-Dienstleistungsbilanz gegenüber Europa deutlich im Plus ist, verschweigt er. Auch dass Konzerne wie Facebook, Google und Amazon hierzulande kaum Steuern zahlen, fällt bei der Debatte um Strafzölle unter den Tisch.

      Industrie-Vertreter Kempf fasste es passend zusammen: Trump gehe es darum, sein Publikum zufrieden zu stellen. Und nicht um Wahrheiten.

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