Essen. Mit „Fremder Feind“ zeigt die ARD einen Film voller emotionaler Tiefe. Darin brilliert Ulrich Matthes als tragischer Eigenbrötler.

Warum greift der überzeugte Pazifist zur Waffe? Und ist nicht gar eine gewisse Lust bei ihm zu spüren, als er plötzlich die Flinte in der Hand hält, um sich gegen einen unbekannten Eindringling zu wappnen? Rick Ostermanns Filmdrama „Fremder Feind“ nach dem Roman „Krieg“ von Jochen Rausch ist jedoch mehr als einfach nur ein Thriller aus einertief verschneiten Tiroler Bilderbuchlandschaft.

Dabei kann man sich gut vorstellen, wie dieser Stoff (Drehbuch: Hannah Hollinger) in einem Hollywoodstreifen für die Popcorn-Gemeinde aufgegangen wäre. Ein Aussteiger in den Bergen, ein Unbekannter, der scheinbar grundlos dessen Hütte verwüstet und im nächsten Zug gar auf den Hund schießt, das klingt nach einem Duell, das sich spannend ausschmücken lässt.

Hauptdarsteller sorgen für emotionale Tiefe

Ostermann hat allerdings mehr im Sinn, ohne diesen mysteriösen Zweikampf aus den Augen zu verlieren. Er setzt auf Ruhe und Entschleunigung, spitzt die Katastrophen des Lebens lieber leise zu, statt auf Knalleffekte zu setzen. Und er erreicht mit seinen beiden glänzenden Hauptdarstellern Ulrich Matthes und Barbara Auer eine emotionale Tiefe, die keine Oberflächlichkeit duldet.

Krieg ist Ostermanns Thema, und es beherrscht auch die Rückblenden, mit denen er den Film spickt. Dabei fließen die Zeitebenen so elegant ineinander, dass sie einander perfekt unterstützen, ohne den Betrachter aus dem Rhythmus zu bringen.

Der Krieg nahm ihm den Sohn

Chris (Samuel Schneider) redet mit seinem Vater Arnold (Ulrich Matthes, r) über seinen bevorstehenden Auslandeinsatz.
Chris (Samuel Schneider) redet mit seinem Vater Arnold (Ulrich Matthes, r) über seinen bevorstehenden Auslandeinsatz. © WDR/Schiwago Film

Der Krieg hat dem Mann namens Arnold, der in die Berge geflüchtet ist, den Sohn genommen. Zwar beginnen die Rückblenden mit der Ankündigung des jungen Burschen (Samuel Schneider), dass er für die Bundeswehr nach Afghanistan gehen wird. Aber man weiß natürlich, wohin das führen muss, auch wenn es bis zur für die Eltern erschütternden Gewissheit eine Weile dauert – warum sollte Arnold sonst die Zivilisation hinter sich gelassen haben?

So vertieft sich der Film im Rückblick in Arnolds Hoffnungen, es möge alles gut gehen, in das Lesen der vielen E-Mails, in denen der Junge den Krieg vor Ort beschreibt, in das Verschweigen gefährlicher Wahrheiten seiner ängstlichen Frau (Barbara Auer) gegenüber. Parallel dazu verschärft sich die Auseindersetzung mit dem Unbekannten im Berg, bis Arnold zur Waffe greift.

Matthes spielt tragischen Eigenbrötler

Ulrich Matthes spielt diesen Arnold als tragischen Eigenbrötler, und neben den berauschenden Kamerafahrten von Leah Striker, die wuchtige Winterbilder produziert, ist er das Ereignis dieses Films. Wie er sich vom sanften Familienvater zum entschlossenen Einzelgänger wandelt, das verströmt in jedem Augenblick Glaubwürdigkeit.

Härte und Askese passen zu Matthes’ hagerem, zerfurchtem Gesicht mit den aufgerissenen Augen. Schwer atmend stapft dieser Einzelkämpfer immer wieder durch den kniehohen Schnee, man friert beinahe mit in dieser intensiven Inszenierung. Stefan Will hat dazu die passenden Töne einer einsamen Geige gefunden.

Fazit: Ein leises Drama voller Intensität mit großartigen Schauspielern.

• Mittwoch, 21. Februar, 20.15 Uhr, ARD: „Fremder Feind“