Leipzig. Wieder verhandelt das Bundesverwaltungsgericht Klagen gegen den Rundfunkbeitrag. Anhänger des „GEZ-Boykotts“ haben diverse Motive.

17,50 Euro im Monat zahlen müssen, obwohl sie keinen Fernseher haben, das halten die Kläger für ungerecht und verfassungswidrig: Auch nach der Ablehnung entsprechender Klagen muss sich das Bundesverwaltungsgericht wieder mit dem Rundfunkbeitrag befassen. Während die Regierungschefs der Länder um die künftige Höhe verhandeln, gibt es die Menschen, die gar keinen Rundfunkbeitrag zahlen wollen – oder jedenfalls nicht nach den geltenden Spielregeln. Ihnen geht es ums Prinzip.

Sascha Giller ist Rechtsanwalt in Jena. Er arbeitet für eine bundesweit tätige Kanzlei, zu deren Mandanten klagewillige Beitragsgegner gehören. Mitte März hat er eine Reihe von ihnen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vertreten, das entschieden hat, der Beitrag sei verfassungsgemäß.

Was treibt Menschen an, sich wegen des Rundfunkbeitrags durch die Instanzen zu klagen und dabei bisher immer wieder zu scheitern? „Die Motive sind breit gefächert“, sagt der Rechtsanwalt. „Es gibt die, die bewusst aufs Fernsehen verzichten und gar kein Empfangsgerät haben. Andere haben einen Fernseher, empfinden die Zwangsfinanzierung aber als Unrecht.“ Einen seiner Mandanten ärgere besonders, dass jemand, der alleine in seiner Wohnung lebt, nach dem jetzigen Beitragsmodell genauso viel bezahlt wie andere zu dritt. „Der empfindet das als höchst ungerecht“, sagt Giller. Wieder andere störten sich an der Höhe des Beitrags.

Petitionen mit Hunderttausenden Unterzeichnern

Giller hat angekündigt, für mehrere Mandanten Verfassungsbeschwerde einzulegen. Beitragsgegner, die vors Verfassungsgericht ziehen wollen, kennt René Ketterer aus dem badischen Trossingen auch. Er gehört selbst zu der Gruppe der Beitragsverweigerer, die es nicht beim Meckern belassen wollen, ist maßgeblich beim Forum „GEZ-Boykott.de“ aktiv und hat eine Unterschriftenaktion im Netz gestartet.

Wer dort unterschreibt, fordert unter anderem „die Abschaffung der Zwangsgebühren zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, ein „bundesweit kostenlos empfangbares Fernseh- und Radioprogramm, Finanzierung aus Steuermitteln“ und deren Kontrolle „durch einen demokratisch gewählten Bürgerrundfunkrat“. Mehr als 100.000 Online-Unterschriften gibt es bereits. Eine weitere Petition aus dem Jahr 2013 hat mehr als eine halbe Millionen Unterzeichner gesammelt.

Als 2013 die Rundfunkgebühr vom Rundfunkbeitrag abgelöst wurde, der nicht mehr für ein Rundfunkgerät, sondern automatisch für jede Wohnung fällig wird, war Ketterer skeptisch: „Ich habe gedacht, das Forum stirbt“, erzählt er. „Aber dann habe ich gesehen, dass die Besucherzahlen explodieren.“ Inzwischen gebe es 1,5 Millionen Seitenaufrufe im Monat.

Kritiker: „Vieles könnten auch Privatsender machen“

Kurzfristig sei am beitragsfinanzierten Rundfunk kaum etwas zu ändern, sagt Ketterer. „Da werden noch einige Jahre vergehen. Aber der Widerstand wird größer werden.“ Vor allem die Jüngeren seien nicht bereit, für etwas zu bezahlen, das sie gar nicht in Anspruch nehmen würden.

Ketterer, 55, stört sich unter anderem am Umfang des öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebots, den er für überdimensioniert hält. Er und seine Mitstreiter sind dafür, ihn deutlich zu reduzieren. „Vieles könnten auch die Privaten machen“, sagt er.

Ganz neu sei solche Kritik nicht, sagt Volker Lilienthal, Professor für Praxis des Qualitätsjournalismus an der Universität Hamburg. Bereits in den 1980er Jahren, als das Privatfernsehen startete, sei der Protest lauter geworden. „Schon damals haben Leute gesagt, warum soll ich Rundfunkgebühren zahlen, wenn ich nur RTL und Sat.1 gucke?“

Seitdem hat das Phänomen allerdings eine andere Dimension erreicht: Nach den neuesten Daten des Beitragsservices in Köln, Nachfolger der Gebühreneinzugszentrale (GEZ), entrichtet zwar der Großteil der Zahler den Rundfunkbeitrag fristgerecht. Allerdings waren Ende 2015 insgesamt 4,9 Millionen der rund 44,7 Millionen Konten von Bürgern, Unternehmen, Institutionen und Einrichtungen im Mahnverfahren oder in Vollstreckung.

4,9 Millionen säumige Zahler nicht alle Verweigerer

Nicht automatisch sind das alles Beitragsverweigerer. „Für viele dieser Beitragskonten wird lediglich nicht pünktlich gezahlt“, sagt May-Britt Moennig von der Beitragskommunikation von ARD, ZDF und Deutschlandradio in Köln. Der harte Kern der Beitragsverweigerer, die vor Gericht ziehen, ist sehr viel kleiner: 2015 waren es 3900 (2014: 3100). Wie viele prinzipielle Beitragsgegner es insgesamt gibt, lässt sich an den statistischen Daten nicht ablesen.

Im Mai 2015 hatte der Handelsblatt-Journalist Norbert Häring für seinen Blogbeitrag viel Aufmerksamkeit bekommen. Damals wollte er eine Möglichkeit gefunden haben, die Beitragszahlung zu umgehen. Er hatte gefordert, die Beträge in bar zu entrichten. Der Hessische Rundfunk verweigert die Annahme. Ein Rechtsstreit läuft, wie der Journalist in seinem Blog schreibt. Bis zum Abschluss des Gerichtsverfahrens sind die Forderungen gestundet.

René Ketterer geht davon aus, dass die Zahl der Beitragsgegner wächst und bewertet das positiv: „Wir erreichen bald eine kritische Masse“, sagt er. Volker Lilienthal sieht darin eine Gefahr: „Eine Gesellschaft wie unsere braucht die permanente Aufklärung“, betont der Wissenschaftler und weist auf die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in diesem Zusammenhang hin.

Eine steigende Zahl derjenigen, die keinen Rundfunkbeitrag zahlen wollen, sei ein erhebliches Problem. Nach seiner Überzeugung gibt es einen engen Zusammenhang mit der aktuellen gesellschaftlichen Stimmung „gegen das Establishment“, als dessen Teil die öffentlich-rechtlichen Sender wahrgenommen würden. Gerade bei denen, die von „Lügenpresse“ und „Staatsmedien“ redeten. (law/dpa)